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Die Kuh des kleinen Mannes

Ein Blick 60 Jahre zurück auf die 47. DLG-Wanderausstellung in München 1962

Der „Bildmatern-Dienst“ der DLG-Pressestelle bot im Pressebericht Nr. 13/62 vom 12. April 1962 dieses fein gezeichnete Bild mit Bäuerin in Tracht und Ziegen im Gefolge als Druckvorlage zur Verwendung bei der Vorberichterstattung zur DLG-Ausstellung an. Es waren noch andere Zeiten, obwohl manches von dem, was vor, während und nach der Ausstellung geschrieben und berichtet wurde, einem auch heute bekannt vorkommt.

Die Pressestelle der DLG war ebenfalls auf der Höhe der Zeit (erreichbar auf dem Messegelände per Telefon 555331 und Fernschreiber 05-24710) und schmückte die Pressemitteilungen mit einem modernisierten Logo nach der Vorlage von Max Eyth aus dem Jahre 1885.

Über die Schönheit des nach dem Geschmack der Zeit aufgepeppten Logos kann man sicher streiten, das auch heute wieder verwendete Original ist sicherlich besser gelungen.

Die Vorbereitungen

Schon Ende Februar begannen die Aufbauarbeiten für die Ausstellung auf der Münchner Theresienwiese und im Ausstellungspark auf der Theresienhöhe mit seinen festen Hallen. Diese lange Aufbauzeit war nötig, weil auf dem Wiesengelände vor allem für die Tierschauen und die Sonderschauen Hallen mit 73000m² Fläche gebaut werden mußten. Insgesamt betrug die Ausstellungsfläche 44,12 ha, davon allein 30 ha auf der Theresienwiese; 12 ha Fläche insgesamt waren überdacht. Für die Wege wurden 6 ha veranschlagt.

Um dem Besucher Mühsal beim Überwinden von 7 m Höhenunterschied zu ersparen, wurde von der Wiese zur Theresienhöhe ein 100 m langer Steg mit einer Breite von 12 m bei 8 % Steigung errichtet. Für die Tierschau wurden 3,6 ha genutzt, die Tiere waren in 28 Zelten mit 22000 m² Fläche untergebracht. Natürlich gab es den schon traditionellen „Großen Ring“ für die Tierschauen und Maschinenvorführungen mit 1,3 ha Fläche und 5000 überdachten Plätzen, davon 2800 Sitzplätze. Für die Landmaschinen wurden 77000 m² überdachte Fläche bereitgestellt, die Bausonderschau belegte allein 3,5 ha, die offizielle Lehrschau 1,2 ha.

Große Bedeutung hatte die Tierschau, der umfangreichsten seit dem zweiten Weltkrieg. Zum Zuchttierwettbewerb waren 145 Pferde, 560 Rinder, 236 Schafe, 193 Schweine, 128 Ziegen, 40 Sammlungen Geflügel, 240 Kaninchen und 20 Sammlungen Fische in 80 Aquarien angemeldet.

Interessant sind auch die Ausstellerzahlen, wobei die DLG Wert darauf legte, dass hier tatsächlich die Zahl der Aussteller, die einen Stand gemietet hatten, angegeben wird und nicht die Zahl der ausgestellten Fabrikate. Das war offensichtlich bei anderen Ausstellungen der Fall. Vermietet wurde an 1101 Aussteller, 105 davon kamen aus dem Ausland.

Die Aussteller wurden zudem noch in die folgenden Gruppen aufgeteilt: Landmaschinenindustrie, Düngerindustrie, Futtermittelindustrie, Bauindustrie, Elektrizitätswirtschaft, Kunststoffindustrie, Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittelindustrie, das Schmiedehandwerk und das Wagen- und Karosseriebauhandwerk. Zusätzlich auch noch die Pflanzenzüchter, die Bedarfsgüter für den ländlichen Haushalt und die landwirtschaftlichen Verlage und Organisationen.

In der Milchkosthalle gab es in Selbstbedienung „Milch, Kakao, Joghurt in verlorenen Packungen (das sind wohl Einwegverpackungen – Anmerk. des Verfassers), Fruchtjoghurt in Einmal-Gläsern, aber auch Eiscreme, Milchmixgetränke und Schlagrahm mit Früchten oder Quark- und Käsebrote....Attraktion werden gewiß die ausgelegten Brotzeitbeutel werden, welche wahlweise mit einem Camembert (45%), einem Stück Portionsbutter zu 25 g und zwei Semmeln oder zwei Broten bestückt sind. Jeder Besucher kann auf einem Tablett aufsammeln was das Herz und Gaumen begehren. Für jeweils ein Sortiment ist eine Kasse so placiert, dass auch bei Stoßbetriebkeinerlei Stockungen auftreten werden.“

Lehr- und Sonderschauen

Was heute „Special“ genannt wird, war vor sechzig Jahren eine Lehr- oder Sonderschau. 1962 war das Thema der Lehrschau: „Das moderne Dorf – der moderne Hof“. Es ging um die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen auf dem Land.

Gestaltet wurde diese Schau vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium. Das Staatsministerium versuchte, „Ziele und Maßnahmen der Dorfsanierung aufzuzeigen...Die romantische Enge des Dorfs, veranschaulicht an einem großen Modell, bot zwar früher einen guten Schutz, schließt aber heute jede sinnvolle Planung des bäuerlichen Lebens- und Arbeitsbereichs aus....Zuerst muss durch die Aussiedlung einzelner Bauern in der Gemarkung Platz geschaffen werden. In Zusammenarbeit mit allen für die Raumplanung zuständigen Stellen kann dann ein neues Dorfbild entstehen mit modernen Gemeinschaftseinrichtungen wie Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, neuen Schulen etc.“.

Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zeigten eine Sonderschau zur Unfallverhütung, weil „den landw. Berufsgenossenschaften im Jahr 1961 allein 279.290 Arbeitsunfälle, Wegunfälle und Berufskrankheiten gemeldet wurden. Im gleichen Jahr holte sich der Unfalltod allein 1.649 Opfer in der Landwirtschaft.“

Fließendes Warmwasser auf dem Bauernhof

Der Bundesluftschutzverband veranstaltete eine Sonderschau unter dem Thema „Selbstschutz in landwirtschaftlichen Betrieben“. Auf dem Stand gab es verschiedene Gruppen, unter anderem zu den Themen „Lebensmittelbevorratung und Schutz von Lebensmitteln vor ABC-Kampfmitteln“, „Bauliche Behelfsschutzmaßnahmen gegen radioaktive Niederschläge“ und beim Strahlenmessdienst kann sich jeder Besucher „persönlich von der Wirkungsweise moderner Strahlenmessgeräte überzeugen“.

Die Oberrheinische Kohlenunion Mannheim zeigte in der Sonderschau „Heizen und Warmwasserbereiten auf dem Bauernhof“, dass „geheizte Räume und fließend warmes Wasser in ausreichender Menge und für alle Zwecke in der heutigen Zeit für den bäuerlichen Betrieb keinen Luxus mehr bedeuten.“ 1961 wurde die Installation von zentralen Heizungsanlagen durch 30 Millionen DM aus den Mitteln des „Grünen Plans“ gefördert.

Auch die Hauptberatungsstelle für Elektrizitätsanwendung (HEA) machte dem Bauern den Strom schmackhaft und stellte dar, warum „der Nachtstrom billiger ist und wie der Landwirt seinen Strombezug verbilligen kann“. Kunststoffe hielten Einzug ins Leben der Menschen und auch in die Landwirtschaft, dazu gab es die Kunststoffschau. Weiterhin waren mit einer Sonderschau vertreten die deutschen Pflanzenzüchter, die Düngemittel- und die Futtermittelindustrie, der Deutsche Wetterdienst; es gab zwei Ausstellungskinos und auch der Bekämpfung der Dassellarven war unter dem Motto „Gesunde Haut – gesundes Vieh“ eine Lehrschau gewidmet. Das Bundeslandwirtschaftsministerium ließ zwei moderne Bauernhöfe aufbauen, die nach den „modernsten betriebs- und arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen gestaltet waren“.

Der Beitrag der DLG zu den Lehrschauen war der Bereich „Hauswirtschaft heute und morgen“.Damit nicht genug, dem Bauern wurden weiter gezielte Informationen angeboten wie in der Sonderschau „DLG-anerkannte Maschinen“ mit 250 seit der letzten Ausstellung neu anerkannten Maschinen auf einer Fläche von 3000 m².

Autor: Diplomlandwirt Friedrich Uhlig, von 1973 bis 2010 Mitarbeiter im DLG-Testzentrum Groß Umstadt.
Quellen: Pressemitteilungen der DLG, DLG-Mitteilungen, Jahresbericht der DLG, Passauer Neue Presse, Münchner Merkur, Ostpreußenblatt, Wikipedia.
Bilder aus den Beständen der DLG-Pressestelle und der Prüfstellen Groß-Umstadt und Völkenrode.
Weitere Teile der Ausstellungen 1962 erscheinen im DLG-Newsletter in loser Folge.