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Futter und Fütterung

Stephan Schneider beschreibt den immer stärkeren Einfluss des Gesetzgebers

Lange Zeit stellten Tiergesundheit, Ressourceneffizienz, Lebensmittelsicherheit und Ökonomie die Leitplanken für eine ­– in Abhängigkeit des Leistungsstadiums des Nutztieres – bedarfsgerechte Fütterung dar. Heutzutage muss die Fütterung noch zusätzliche Anforderungen erfüllen, nämlich das Wohlergehen der Tiere fördern und gleichzeitig die Umwelt schonen.

Die Nutztierhaltung verursacht N-Emissionen, da ein Großteil des im Futter enthaltenen Proteins nicht verwertet, sondern über Kot und Harn wieder ausgeschieden wird. Der N aus Kot und Harn kann neben der Nutzung als wirtschaftseigener organischer Dünger zu Emissionen in die Gewässer - in erster Linie über Nitrat - oder in die Luft - in erster Linie als Ammoniak (NH3) - führen. Deshalb nimmt der Gesetzgeber immer stärker Einfluss auf die Fütterung, insbesondere auf die N- und P-Gehalte der Rationen.

Deutschland hat im Bereich der Luftreinhaltung eine NH3-Minderung in Höhe von 29 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2005 zu erreichen (EU-Richtlinie (EU) 2016/2284 (NEC-Richtlinie)). Die NEC-Richtlinie wurde 2018 durch die 43. Bundesimmissionsschutzverordnung in nationales Recht umgesetzt und stellt die Landwirtschaft vor große Herausforderungen, da diese als Hauptemittent von NH3 (95 Prozent der gesamten NH3-Emissionen) mit ihrer Tierhaltung den Großteil der vereinbarten Reduzierung tragen muss.

Um die Minderungsverpflichtungen erreichen zu können, sollen in landwirtschaftlichen Betrieben emissionsmindernde Maßnahmen und Verfahren eingesetzt werden, die mindestens der Guten Fachlichen Praxis entsprechen. Das Umweltbundesamt und das KTBL haben hierzu 2021 die Schrift „Ammoniakemissionen in der Landwirtschaft mindern – Gute Fachliche Praxis“ veröffentlicht, welche eine fachlich fundierte und verständliche Zusammenstellung von Ammoniakminderungsmaßnahmen – inklusive des Bereichs Futter und Fütterung – beinhaltet.

Zum Thema Fütterung werden beispielsweise für laktierende Kühe beim Einsatz von Total-Mischrationen (TMR) mindestens zwei im Proteingehalt abgestufte Rationen als Gute Fachliche Praxis definiert, womit im Umkehrschluss eine TMR für alle laktierenden Kühe nicht mehr der Guten Fachlichen Praxis entspricht. 

Im Bereich der Düngegesetzgebung begann der Gesetzgeber, mit der Klassifizierung der Fütterungsverfahren und der Übernahme der DLG-Fütterungsverfahren in die Düngeverordnung Einfluss auf die Fütterung zu nehmen. Aktuell wurde vom Deutschen Bundestag der Bericht zur „Evaluierung der Stoffstrombilanzverordnung veröffentlicht. In diesem Bericht wird deutlich, dass in den nächsten Jahren die N- und P-Überschüsse stufenweise reduziert werden müssen, wodurch insbesondere die tierhaltenden Betriebe ihren Futterbau und die Fütterung an die neuen Vorgaben anzupassen haben.

Interessant wird sein, für welche Vorschlagsoptionen zur Bewertung der betrieblichen N- und P-Salden aus dem Bericht zur Novellierung der Verordnung sich die Politik entscheidet und wie stark die Einschränkungen dann ab dem 01.01.2023 ausfallen werden. Zudem wird entscheidend sein, wieviel Zeit den Landwirten zugestanden wird, die neuen Vorgaben umzusetzen.

Im Bereich der Umweltgesetzgebung hat die Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie (IED, RL 2010/75 (EU)) mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2017/302 Beste Verfügbare Techniken für die Intensivtierhaltung oder -aufzucht von Geflügel oder Schweinen definiert (> 40.000 Plätze für Geflügel, > 2.000 Plätze für Mastschweine (über 30 kg Lebendmasse) oder > 750 Sauenplätze). Die Umsetzung des EU-Durchführungsbeschlusses in nationales Recht erfolgte in Deutschland 2021 über die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft).

In dieser werden maximale N- und P-Ausscheidungen in kg pro Stallplatz und Jahr definiert, welche bei Zuchtsauen und Mastschweinen den stark N-/P-reduzierten und beim Geflügel den N-/P-reduzierten Fütterungsverfahren laut DLG entsprechen. Diese maximalen Ausscheidungswerte müssen verpflichtend eingehalten werden! Da der Ansatz pro kg Lebendmasse und somit der gesamte Rechenweg auch festgelegt ist, könnte die TA Luft für die betroffenen Betriebe auch als „Fütterungsverordnung“ bezeichnet werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass die TA Luft die EU-Vorgaben der Intensivtierhaltung einseitig national verschärft und die maximalen Ausscheidungswerte von einer höheren Anzahl an Betrieben eingehalten werden müssen, als die EU-Vorgabe dies vorsieht. Die TA Luft definiert dabei aber nicht nur die maximal einzuhaltenden Ausscheidungswerte, sondern schreibt auch die Anzahl an Mastphasen (zum Beispiel mindestens drei Phasen in der Schweinemast und bei Masthühnern sowie mindestens sechs Phasen bei Mastputen) vor, obwohl die Anzahl an Fütterungsphasen per se die Höhe der Nährstoffausscheidungen nicht beeinflusst.

Hierzu sind die aufgenommenen und angesetzten Nährstoffmengen entscheidend, aus deren Differenz sich die Ausscheidung errechnet. Ein Lichtblick in der TA Luft ist, dass nährstoffreduzierte Fütterungsverfahren und technische Maßnahmen gleichwertig zur Emissionsminderung angesehen werden. Das bedeutet, dass ein Betrieb, welcher gegenüber dem Referenzwert geringere Nährstoffausscheidungen aufweist, die resultierende Ammoniakminderung angerechnet bekommen kann und hierfür eventuell andere kostenintensive Maßnahmen nicht oder nur teilweise umsetzen muss.

Die Einhaltung der Ausscheidungswerte ist kalenderjährlich durch Erstellung einer „Massenbilanz“ und entsprechender Datendokumentation nachzuweisen. Unter „Massenbilanz“ ist eine Bilanzierung der Nährstoffe N und P auf Stallebene zu verstehen. Der Saldo ergibt sich dabei aus dem Input (Tiere und Futter) abzüglich des Outputs (Eier, Tiere etc.). Für IED-Betriebe wird die Stallbilanzierung im Rahmen der Überprüfung der Einhaltung der Besten Verfügbaren Technik in einzelnen Bundesländern bereits jetzt eingefordert.

Als problematisch bei allen genannten Richtlinien und Verordnungen sind die bundesländerspezifischen Umsetzungen anzusehen, da sich diese teilweise deutlich unterscheiden. Im Bereich der Umsetzung der Vorgaben der TA Luft hat sich deshalb eine vom KTBL geführte Arbeitsgruppe gebildet, die aktuell beginnt, die KTBL-Schrift „Handhabung der TA Luft bei Tierhaltungsanlagen - Ein Wegweiser für die Praxis“ fortzuschreiben und an die neuen Vorgaben anzupassen. Derartige Initiativen wären im Bereich der Düngegesetzgebung ebenso wünschenswert.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass der Gesetzgeber immer stärker Einfluss auf die Ausgestaltung von Futter und Fütterung, insbesondere auf die N- und P-Gehalte der Rationen nimmt. Aufgrund dessen werden N-/P-reduzierte Fütterungsverfahren in der Nutztierhaltung immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die Schweinehaltung hat hinsichtlich der N-/P-Reduzierung und der damit einhergehenden Verringerung der Ausscheidungen und Ammoniakemissionen eine Vorreiterrolle inne. In der Geflügelhaltung sind weitere Schritte als N-/P-reduziert in Arbeit. Beim Rind liegen mit dem Merkblatt 444 der DLG für die Milchkuh erste konkrete Ansätze vor, die es konsequent umzusetzen gilt.