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Das Konsumverhalten der Kunden im Blick

Jan-Hendrik Langeloh betreibt zusammen mit seinem Mitgesellschafter Rainer Kohrs und beider Familien sowie rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Milchhof Reitbrook in Hamburg. Im Interview für den DLG-Newsletter erzählt er, wie sich die Vermarktung in den letzten 15 Jahren entwickelt hat, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie hatte und wie die zukünftige Ausrichtung der Vermarktung der selbst hergestellten Milchprodukte ist.

Herr Langeloh, wie ist denn der Milchhof Reitbrook entstanden?

Jan-Hendrik Langeloh:1998 haben die beiden Familien Kohrs und Langeloh die beiden benachbarten Höfe im Südosten von Hamburg zur Milchhof Reitbrook GbR zusammengelegt, einen neuen Laufstall gebaut und moderne Anlagen für die Milchverarbeitung angeschafft. Seitdem ist unser Betrieb auf die Selbstvermarktung von Milch ausgerichtet.

Wir beliefern ca. 1.500 private Haushalte sowie Cafés, Restaurants, Schulen, Kindergärten sowie Einzelhandels- und Hofläden im Osten Hamburgs und im angrenzenden Schleswig-Holstein mit frischer Landmilch und Vorzugsmilch. Darüber hinaus haben wir Naturjoghurt, 16 Varianten Fruchtjoghurt und Käse im Angebot.

Der Betrieb umfasst heute 226 ha, 170 Milchkühe und 140 Tiere der weiblichen Nachzucht. Wir haben derzeit einen Gleitenden Herdenschnitt von 10.000 kg und 34.240 kg durchschnittliche Lebensleistung der Abgangskühe. Die jährliche Milchmenge beträgt 1.600.000 kg. 2020 wurden mehr als 1.100.000 l Milch in Form von Vorzugsmilch, pasteurisierter Landmilch und Joghurt überwiegend in Kunststoffmehrwegverpackungen verkauft.

Wie haben Sie denn die Direktvermarktung entwickelt? Welche Unterschiede in der Vermarktung auf dem flachen Land zum Speckgürtel einer Großstadt gibt es?

Langeloh:Das ist eine interessante Frage. Als wir in die Direktvermarktung gestartet sind, war der Fokus klar auf die Belieferung von Privathaushalten ausgelegt, das heißt, viele kleine Gebinde an möglichst viele kleine Haushalte. Das bedeutet aber auch, dass man dann nach und nach seine Produktpalette erweitern muss, um nicht zu viel Strecke machen zu müssen.

Der stationäre Lebensmitteleinzelhandel war damals als Partner kaum vorstellbar. Weder gab es damals ein regionales Bewusstsein noch einen Bedarf an höherwertigen Produkten. Also haben wir zunächst mit Pasteurisierter Milch und Vorzugsmilch begonnen und sind dann auch bald in die Produktion von Joghurt eingestiegen. Dieses Konzept hat sich über die Jahre immer gut weiterentwickelt und konnte stetig durch neue Gebiete ausgebaut werden - genügend Einwohner gibt es ja in und um Hamburg.

Und dann kam 2010 bei uns die Zeitenwende. Auf einmal gab es eine Anfrage vom Café Elbgold (https://www.elbgoldshop.com/) in Hamburg. Die wollten für Ihren Kaffee, den sie direkt bei Kaffeebauern in Südamerika einkaufen, nun auch Milch, die direkt vom Bauern kommt – was ja auch irgendwie Sinn macht. Dass es neben Privathaushalten und Einzelhandel noch einen anderen Absatzweg geben könnte, damit haben wir nicht gerechnet und doch hat sich dieser Zweig derart entwickelt, dass er eine wesentliche Stütze unseres Absatzes ist.

Mit diesem neuen Standbein sind dann langsam alle möglichen Erweiterungen der Produktpalette verschwunden. Dafür kam der Käse aus der mobilen Käserei noch dazu. Inzwischen gilt in der Hamburger Café-Szene: „Wenn Du mit frischer Milch arbeiten willst, dann mit der Milch von Milchhof Reitbrook!“. Das habe ich mir nicht ausgedacht – sondern genauso gehört. Wir können also heute sagen, dass wir in diesem Marktsegment eine gewisse Monopolstellung haben.

Also alles richtig gemacht und dann die Früchte seiner Arbeit ernten?

Langeloh:Rückblickend können wir tatsächlich sagen, dass wir alles richtig gemacht haben. Daraus aber jetzt den Schluss zu ziehen, dass man irgendwann die Hände in den Schoss legen kann, weil das Geld dann immer von alleine kommt, wäre eine gefährliche Haltung. Denn vieles ist im Wandel und dazu gehört in unserem Fall das spezielle Konsumverhalten der innerstädtischen Bevölkerung.

Wir sehen durch unsere direkte Belieferung der Cafés, wieviel Milchersatzstoffe dort stehen und wie selbstverständlich dort jetzt „Hafermilch“ zum Kaffee bestellt wird. Das heißt, wenn wir auch weiterhin erfolgreich sein wollen, müssen wir diesem Trend begegnen. Die Produktion von Hafermilch auf unserem Standort im Marschland würde sich, glaube ich, sehr schwierig gestalten, also bleibt uns nur, für unsere Milch und die Art und Weise der Produktion zu werben und den Verbraucher aufzuklären. Das ist, was wir machen können und wollen.

Wie sind denn Ihre Lösungen für die gegenwärtige und zukünftige Vermarktung ihrer Frischprodukte?

Langeloh:Dazu gehört unter anderem unsere Öffentlichkeitsarbeit mit „Vier- und Marschlande Querbeet“ oder auch das eigene Hofcafé. Nicht so sehr, um damit ein neues Geschäftsfeld aufzumachen, sondern vor allem, um den Verbrauchern die Gelegenheit zu bieten, bei uns vorbeizukommen und sich selbst ein Bild von der Milchproduktion zu machen. Ich bin überzeugt, dass dieses Thema uns in den nächsten Jahren mehr beschäftigen wird als die Generierung von zusätzlichem Absatz – der kommt dann von ganz allein.

Wie sah denn die Direktvermarktung während der Corona-Pandemie und der Lockdowns aus?

Langeloh:Der Absatz von Frischprodukten ist immer eine fragile Angelegenheit. Das hat uns die Corona-Pandemie eindrücklich gezeigt. Quasi von einem auf den anderen Tag mussten die Cafés schließen und unser Absatz brach ein.

Doch wir hatten Glück: So hart dieser Einbruch auf der einen Seite auch war, so stark war die Absatzsteigerung bei den Privatkunden. In dieser Zeit haben wir rund 350 neue Privatkunden hinzugewonnen, und auch die Bestandskunden haben deutlich mehr bestellt, sodass wir am Ende des Jahres 2020 sogar mit einem kleine Umsatzplus abgeschlossen haben.

Das alles war natürlich nur zu schaffen, weil alle Mitarbeiter und die Familie mitgezogen haben und alles mitgemacht haben, wofür ich sehr dankbar bin. Überhaupt liegt mir das Thema „Mitarbeiter:innen“ sehr am Herzen. In einem solchen Unternehmen wie dem unserem steht und fällt letztlich alles mit der Motivation und dem Einsatz der Mitarbeiter. Der Umgang und der Zusammenhalt mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind uns besonders wichtig. Auch wenn es auch bei uns nicht ohne Konflikte abgeht, so habe ich doch das Gefühl, alle glauben und arbeiten an dem gemeinsamen Ziel, hochwertige Produkte und einen super Service für unsere Kunden zu bieten.

Herr Langeloh, was hat sie dazu bewogen, in die DLG einzutreten? Welche Angebote nutzen Sie hier und warum?

Langeloh:Ich kam wie wahrscheinlich viele andere auch während des Studiums und wegen der vielen Möglichkeiten, die man als Student bei der DLG hat, zur Mitgliedschaft. Insbesondere winkte natürlich der freie Eintritt zur Agritechnica und zur EuroTier. Ich denke, für jemanden, der den Anspruch hat, auch mal über den Tellerrand zu schauen, hat die DLG ein breites Angebot. So war der Milchhof einer von 14 Testbetrieben des DBU–Projektes „Entwicklung eines Nachhaltigkeitsmanagementsystems für Rinder haltende Betriebe“, welches die DLG durchgeführt hat. 

Wenn ich aber so nachdenke, nutze ich eigentlich das Angebot der DLG noch viel zu wenig. Bei vielem, was ich beispielsweise in den DLG-Mitteilungen lese, finde ich Ansatzpunkte zu unserem Betrieb. Und das nehme ich dann schlussendlich auch von der DLG-Wintertagung mit. Ein breites, in vielerlei Richtung interessiertes Publikum, das einen positiven Blick in die Zukunft richtet.

Apropos Zukunft: Sie gehörten ja auch zu den Teilnehmern des CeresAward 2020 für den Landwirt des Jahres in der Kategorie Rinderhalter und waren dort im Finale. Wie kam es dazu?

Langeloh:Ich habe den CeresAward schon in den letzten Jahren immer aufmerksam verfolgt und habe mir gesagt „Irgendwann will ich auch mal so gut sein wie die Betriebe die dort nominiert sind“ – ohne nur im Traum daran zu denken, dass wir schon so gut sind. Aber dann kam die Pandemie, und ich habe gesehen, was wir imstande sind zu leisten und wie dankbar auch wir von den Kunden wahrgenommen wurden.

Als dann von agrarheute nochmal der dringende Aufruf kam, sich doch bitte zu bewerben, dachte ich mir, vielleicht kann ich es doch einmal versuchen. Immer noch mit der festen Überzeugung „Das wird ja doch nichts!“. Aber wie man sieht, hat es dann doch zumindest fürs Finale gereicht.

Da sind Sie ja sehr vielseitig unterwegs. Was machen Sie, wenn Sie gerade nicht den Betrieb führen oder auf DLG-Veranstaltungen sind, in Ihrer Freizeit?

Langeloh:Auch wenn hier als Antwort natürlich immer die Familie stehen sollte, würde meine Frau wahrscheinlich eindeutig sagen, es ist die Feuerwehr. Seit über 25 Jahren bin ich Mitglied der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr und seit etlichen Jahren zusätzlich als Ausbilder der neuen Kameradinnen und Kameraden in der Region tätig. Das Ausbilden fasziniert mich schon immer, und das setzt sich dann eben auch bei der Feuerwehr fort.

Die Fragen stellte Angelika Sontheimer, Agrarjournalistin, Winsen (Aller).

Zur Person

Jan-Hendrik Langeloh ist auf dem elterlichen Betrieb im Südosten Hamburgs in den Vier- und Marschlanden, dem heutigen „Milchhof Reitbrook“ aufgewachsen. Nach dem Abitur absolvierte er von 1996 bis 1998 eine landwirtschaftliche Ausbildung auf zwei Milchviehbetrieben in Schleswig-Holstein und studierte dann an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel Agrarwissenschaften.

Von 2003 bis 2005 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bundesanstalt für Milchforschung (BAfM) in Kiel tätig, heute Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel, Standort Kiel (BfEL Kiel).

Danach war er einige Jahre Mitarbeiter an der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums (LEL) in Schwäbisch Gmünd, Referat Qualitätssicherung, zuletzt als stellvertretender Referatsleiter. Während dieser Zeit hat er das Betriebsberatungssystem GQS-BW (Gesamtbetriebliche Qualitäts-Sicherung für landwirtschaftliche Unternehmen in Baden-Württemberg) weiterentwickelt.

Von 2011 bis 2016 war Jan-Hendrik Langeloh mitarbeitendes Familienmitglied in der Milchhof Reitbrook GbR und verantwortlich für die Milchviehherde. Seit 2016 ist er Teilhaber und Geschäftsführer der Milchhof Reitbrook GbR.