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Potenziale der modernen Züchtungstechnologien

Genome Editing ist in aller Munde – dem einen als Leckerbissen, dem anderen als Brechmittel. Daher variieren die Geschmacksnoten von ekelerregend bis köstlich, je nachdem, wie seine Potenziale beurteilt werden. Angesichts der zunehmenden Erwartungen, die an künftige Zuchterfolge gestellt werden, befasste sich der DLG-Ausschuss für Pflanzenzüchtung, Sortenwesen & Saatgut auf seiner Online-Sitzung im Februar vorrangig mit zwei positiven Potenzialen, die dem Genome Editing zugeschrieben werden: Verbesserung der Resistenzen und Beschleunigung des Zuchterfolges.

Als „neue Züchtungstechnologien“ werden im wesentlichen vier Techniken zusammengefasst, die bekannteste davon ist CRISPR/Cas9. Damit lassen sich gezielte Veränderungen an vorher bestimmten Positionen des Erbguts vornehmen, anders als mit den früheren, eher unspezifischen Methoden.

Bei CRISPR/Cas findet das Cas-Protein das „PAM“, eine kurze, spezifische Basensequenz in der Nähe des Wirkorts. Die mit Cas transportierte guide-RNA führt zu einem Bruch des DNA-Doppelstrangs an diesem Wirkort. Jede Zelle ist bestrebt, solche Brüche schnell wieder zu reparieren. Dabei kann die Lücke mit zelleigenen Basensequenzen gefüllt werden, man spricht dann von einer Punktmutation. Wenn die guide-RNA auch gleich eine Reparaturvorlage mitbringt, können ganz gezielt erwünschte Gensequenzen eingebaut werden. In beiden Fällen wird das Gen am vorher definierten Wirkort verändert.

Das klingt erst einmal danach, als ob die Züchter den Kulturen nun jede gewünschte Resistenz und andere positive Eigenschaften zügig „einbauen“ könnten. Wenn bloß das „Kleingedruckte“ nicht wäre: Denn das Zielgen, das die gewünschte Eigenschaft vermittelt, muss bekannt sein. Oftmals kennt man aber lediglich einen Marker und vermutet ein oder mehrere Kandidatengene in einer bestimmten Region des Chromosoms. Wenn man dann glücklich ein oder wenige Gene genau identifiziert hat, muss man wissen, welche konkrete Basensequenz des Gens wie zu verändern ist. Dann braucht das Cas-Protein ein spezifisches PAM, um den richtigen „Angriffspunkt“ für die guide-RNA zu finden. Und ganz erschwerend kommt hinzu, dass viele Eigenschaften „quantitativ“ vermittelt werden, das heißt eine Vielzahl von Genen ist beteiligt und „die Mehrheit entscheidet“, wie die Eigenschaft der Pflanze am Ende konkret ausgestaltet ist.

Trotz dieser Einschränkungen bieten die neuen Züchtungstechnologien ein breites Anwendungsfeld: Schon die weitere Erforschung des Genoms wird durch sie erleichtert, eine Liste von Kandidatengenen lässt sich leichter und präziser überprüfen. Gleiches gilt für eine Strategieumkehr: Warum nicht statt Stärkung der Widerstandskraft (= Resistenz) lieber diejenigen Gene „ausschalten“, die die Anfälligkeit für Schaderreger bestimmen? So gelang es chinesischen Forschern 2014, das Anfälligkeitsgen für Mehltau im Weizen abzuschalten. Bis hin zu einer zugelassenen Sorte ist dieser Vorteil allerdings noch nicht gelangt.

Breiter ist das PILTON-Projekt aufgestellt, das eine deutlich verbesserte Widerstandsfähigkeit von Weizen gegenüber verschiedenen pilzlichen Erregern anstrebt. Im Fokus stehen die weizeneigenen Abwehrreaktionen. Pflanzeneigene Repressoren vermindern diese Abwehrkräfte im Laufe der Infektion, der Weizen wird des Kämpfens müde. Hier setzen die neuen Techniken an: Durch gezieltes Abschalten der Repressoren bleiben die Abwehrreaktionen für längere Zeit auf einem hohen Niveau. Ein Fungizideinsatz ist im Idealfall nicht mehr nötig.

Bis es soweit ist, haben die gut 60 Beteiligten noch einiges vor. Neben den fachlichen Herausforderungen sind rechtliche Hürden zu nehmen, denn seit dem 2018er EUGH-Urteil gelten die neuen Züchtungstechnologien pauschal als Gentechnik. Im Glashaus wachsen die ersten editierten Weizenpflanzen, ob und wie sie ins Freiland gelangen können, ist noch unklar. Aber auch die Freiheiten des Züchterprivilegs können mit dem Patentschutz kollidieren, dem u.U. mit CRISPR/Cas veränderte Mutanten unterliegen.

Mit Genome Editing schaltet der Züchter gleichsam den Turbo zu: Bisher konnte er über Kreuzungen oder mutagene Behandlungen diverse, unspezifische Mutationen des Erbguts hervorrufen, und einige der erzeugten Mutanten zeigten auch die gewünschte, neue Eigenschaft. Als „Beifang“ gab es aber viele ungewollte und oft störende Eigenschaften, die dann durch mehrere Rückkreuzungsschritte aufwändig wieder eliminiert werden mussten. Das kostete erhebliche Entwicklungszeit, so dass ein Jahrzehnt leicht verging, bevor ein Zuchtziel erreicht war.

Mit den neuen Methoden wird wesentlich gezielter verändert, so dass die Rückkreuzungen meist gänzlich entfallen. Wenn auch mittelständische Züchter diese Methoden breit anwenden dürften, könnten die Landwirte deutlich früher auf verbesserte Sorten hoffen.