Wirtschaftlichkeit und Tiergerechtheit sind in der Nutztierhaltung gleichermaßen wichtig. Zielkonflikte können durch präzise Tierbeobachtung, sorgfältige Tierbetreuung, gute Genetik und innovative Tierhaltungssysteme minimiert werden.
In der Tierhaltung werden bislang bewährte Haltungsverfahren, die dem Stand der Technik entsprechen, von Teilen der Gesellschaft und der Wissenschaft kritisch hinterfragt. Ansatzpunkte für Kritik sind große Bestände, hohe Belegdichte, nicht artgerechte Haltung und Fütterung, nicht-kurative Eingriffe am Tier, Antibiotikaverwendung, Fütterung mit Importfuttermitteln sowie Emissionen.
Ziel muss es sein, Leistung und Tierwohl auszubalancieren. Die Zuchtziele müssen auf diese Balance ausgerichtet sein und die Haltungsbedingungen müssen sicherstellen, dass wesentliche Bedingungen der Tiergerechtheit erfüllt sind: Freiheit von Hunger und Durst, Freiheit von haltungsbedingten Beschwerden, Freiheit von Schmerz, Verletzungen und Krankheiten, Freiheit von Angst und Stress, Freiheit zum Ausleben normaler Verhaltensweisen. Dabei muss eine Unterscheidung zwischen objektiven und messbaren Beeinträchtigungen der Nutztiere und Projektionen menschlicher Empfindungen getroffen werden.
Die Defizite im Produktionsprozess müssen benannt und abgestellt werden. Dazu notwendig sind eindeutige und handhabbare Indikatoren und Kriterien, eine Priorisierung der Fehlerquelle sowie ein konsequentes Sanktionssystem. Tierhalter sollten stetig an einer Verbesserung der Haltungsbedingungen arbeiten und auch in diesem Bereich innovativ handeln. Dazu gehören die Umsetzung neue Verfahren zur Vermeidung nicht-kurativer Eingriffe und die Investition in innovative, tiergerechte Haltungssysteme, die seitens der Genehmigungsbehörden nicht verhindert werden sollten. Eine nachgewiesene Befähigung zum Halten von Tieren und regelmäßige Fortbildungen sollten zum Standard werden. Sie helfen dem Tierhalter, Defizite selbst zu erkennen und frühzeitig abzustellen. Tierwohl ist eine Bewusstseinsfrage und offenbart sich im Handeln und in der Sprache: Nutztiere sind Lebewesen und werden nicht produziert, sondern gehalten.
Wer höhere und mit zusätzlichen Kosten verbundene Tierwohlstandards durchsetzen möchte, wird in offenen Märkten vergleichbare Rahmenbedingungen anstreben müssen. Sonst wandert die Tierhaltung an den Ort der kostensparenden niedrigeren Standards. Die Auslobung von „Secondary Standards“ durch den Einzelhandel ist nur zielführend bei entsprechenden angehobenen Preisniveaus. Der Wissenschaftliche Beirat beim BMEL schlägt vor, für mit zusätzlichen Tierwohlaspekten hergestellte Produkte öffentliche Gelder zu verwenden. So könne die Lücke zwischen der Zahlungsbereitschaft der Kunden und dadurch verursachten Kosten gedeckt werden. Ob dies auf Dauer tragfähig ist, sollte kritisch hinterfragt werden. Es ist ein Gebot der Ehrlichkeit, darauf hinzuweisen, dass Zielkonflikte zwischen Tierschutz, Umweltschutz, Tiergesundheit und Ökonomie nicht vollständig aufgelöst werden können. Dies muss im gesellschaftlichen Diskurs geklärt werden.