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Agrarwirtschaft krisenfest

So müssen Landwirte investieren

Die Volatilität in der Landwirtschaft nimmt aktuell immer weiter zu: Schwankende Marktpreise, politische Unsicherheit, Fachkräftemangel und gestiegene Finanzierungskosten sind nur einige der Herausforderungen, mit denen Landwirte es zu tun haben. Wie man den eigenen Betrieb trotzdem optimal weiterentwickelt, darum ging es im Forum „Betriebsentwicklung unter turbulenten Rahmenbedingungen“ auf der DLG-Wintertagung 2024 in Leipzig. Veranstaltet wurde es von den DLG-Ausschüssen für Betriebsführung sowie Wirtschaftsberatung/Rechnungswesen.

Wie können Landwirte ihre Betriebe in Krisenzeiten weiterentwickeln?

Vor allem in turbulenten Zeiten müssen Landwirtinnen und Landwirte ihre Betriebe möglichst gut kennen. Darüber waren sich die Vortragenden einig. Auf die eine zeitnahe Buchführung durch digitale Erfassung aller Daten pocht Dr. Hermann Spils ad Wilken vom gleichnamigen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsunternehmen. Dr. Martin Schneider von der IAK Agrar Consulting empfiehlt für ein gelungenes Risikomanagement, auf Basis der Unternehmenszahlen Szenarien für die kommenden zwei bis vier Jahre zu entwickeln, wenn z.B. der Weizenpreis auf ein bestimmtes Niveau fällt. Eigene Stärken und Schwächen kennen und gegenüber sich selbst und der Bank transparent sein, diesen Tipp gibt Dr. Anna Catharina Voges von der Saat-Gut Plaußig Voges. Nach Einschätzung von Christoph Benecke von der Nord LB wird das Zinsniveau hoch bleiben. Das gilt es, bei Investitionen immer im Auge zu behalten.

Grundsätzlich sollten Landwirte dort investieren, wo sie produktionstechnisch und betriebswirtschaftlich
zu den besten 25 % in der Branche gehören.

 

Erstes Ziel: Liquidität sichern

Liquidität macht Unternehmer resilient gegen Schwankungen, deshalb muss sie gerade in Krisenzeiten an erster Stelle stehen. Kapitaldienstverpflichtungen müssen auf das Minimum reduziert werden, indem kurzfristige Finanzierungen über Landhändler oder Betriebsmittellieferanten auf längerfristige Darlehen umgestellt werden. Außerdem sollen Betriebsleiter wissen, wann Zinsbindungen auslaufen. Investitionen in Maschinen sollten nur bei absolutem Bedarf erfolgen. Bei Ersatzinvestitionen, die zum Erhalt des Betriebs notwendig sind, muss man die aktuell höheren Kosten bedenken.

Zweites Ziel: Betriebskosten optimieren

Parallel zur Liquiditätssicherung müssen Betriebskosten optimiert werden. Auf Grundlage einer genauen Datenanalyse lässt sich z.B. feststellen, welche Kombination von Traktor und Fahrer die höchsten Gesamtkosten für bestimmte Arbeitsschritte ist. Minimiert werden können auch andere Faktoren, etwa Treibhausgasemissionen. Diese spielen für Molkereien bei ihren Lieferanten eine immer größere Rolle, zudem will Deutschland bis 2045 ohnehin treibausgas-neutral sein. Um sinnvoll zu optimieren, sollten Treibhausgasemissionen schlagbezogen unter Berücksichtigung von Pflanzenschutz-, Dünger- und Dieseleinsatz sowie Maschinenkosten erfasst werden. Auch dadurch können Betriebskosten gespart werden.

Drittes Ziel: Steuerlast optimieren

Optimale Steuerlast bedeutet, dass große Schwankungen durch Anpassung von Vorauszahlungen, Rückstellungen, Bewertungen von Vorräten, Sonderabschreibungen und Investitonsabzugsbeträge vermieden werden. Bei mitarbeitenden Familienangehörigen sollte das zu versteuernde Einkommen pro Kopf möglichst gleich sein. Ziel einer Optimierung der Steuerlast ist nicht, einen möglichst niedrigen Steuersatz zu haben. Soll ein Betrieb mehrere Personen ernähren, muss er normalerweise in den höchsten Steuersatz kommen.  Nur aus versteuerten Einnahmen kann man Eigenkapital bilden.

Förderung optimieren?

Wegen der attraktiven Junglandwirteprämie prüfen aktuell viele Landwirte eine Änderung der Betriebsform. Dabei muss die gesamte Übergabe insbesondere die künftige Rechtsform des Betriebes bedacht werden, rein auf Förderoptimierung ausgelegte Betriebsentwicklung greift zu kurz. Oberflächliche Änderungen, die nur auf den Erhalt von Förderung abzielen, können als Förderbetrug ausgelegt werden und sollen Betriebsleiter unbedingt vermeiden.

Abstand halten sollten Landwirte von Investitionen, nur um Förderung zu erhalten oder um Steuern zu sparen. Hierzu ein Rechenbeispiel: 100.000 €, die zu 4 % geliehen werden, kosten bei 45 % Steuersatz derzeit 2200 €, 100.000 €, die zu 3 % als Festgeld angelegt werden, bringen bei 35 % Abgeltungsteuer hingegen 2250 € und zusätzlich unternehmerische Freiheit.

Was bedeuten höhere Zinsen für Landwirte?

Für den Kauf von einem Hektar Ackerland für 30.000 €, finanziert über ein Annuitätendarlehen mit 30 Jahren, mussten in 2022 noch rund 1 % Zins bezahlt werden, also 300 €. Heute werden dafür rund 5 % fällig, also 1.500 €. Geht man von einer Grundrente pro Hektar von 400 € aus, konnte die Zinszahlung 2022 noch aus dem Hektar selbst erwirtschaftet werden, das geht heute nicht mehr. Insgesamt hat man 2022 den Kauf von 1 ha Fläche mit 3 ha Eigenfläche finanzieren können, heute sind es 5 ha. Die Fähigkeit von Betrieben, Flächen zu kaufen, hat sich also halbiert. Eine Finanzierung statt über 30 über 50 Jahre ist meist keine Lösung. Hier würden die Kosten für den gesamten Kapitaldienst von insgesamt knapp 60.000 € auf über 80.000 € ansteigen.

Worauf achtet die Bank bei der Rating-Analyse?

Die klassische Bilanzanalyse der Banken untersucht die Jahresabschlüsse und kommt zu verschiedenen Kennzahlen. Aus diesen wird das betriebsindividuelle Rating errechnet:

  • Betriebsergebnis im Verhältnis zu Bilanzsumme: Wieviel muss ich hineingeben, um einen Euro zu verdienen?
  • Schuldentilgungsdauer: Wie schnell könnte ich mich entschulden, wenn ich jeden Euro in die Tilgung stecke? Im gewerblichen Bereich gilt als guter Kunde, wenn der Wert besser als sechs Jahre ist. In der Landwirtschaft liegt der Wert oft höher als zehn Jahre, bei einem Stallbau auch bei 20 Jahren.
  • Verschuldungsgrad: Zu welchem Anteil gehört der Betrieb der Bank, zu welchem dem Inhaber?
  • Kurzfristige Finanzverbindlichkeitsquote: Welchen Anteil von der Bilanzsumme machen kurzfristige Finanzverbindlichkeiten aus? Hier gibt es große Unterschiede zwischen Betrieben. Wenn sehr viel über einen Händler finanziert ist oder die Quote stark ansteigt, ist das ein Warnsignal.
  • Kreditoren-Umsatz-Relation: das Verhältnis zwischen Verbindlichkeiten und Umsatzerlösen
  • Veränderungen in der Bilanzsumme

Hinzu kommen verschiedenen qualitative Faktoren wie die Ausrichtung des Unternehmens oder die Beziehung zur Bank. Am wichtigsten ist aber die Persönlichkeit des Unternehmers, da von dieser alles andere abhängt.

Wo können Landwirte aktuell investieren?

Wo Landwirte derzeit investieren können, hängt viel vom Betriebsleiter und den eigenen Möglichkeiten ab. Grundsätzlich sollten sie dort tätig werden, wo sie produktionstechnisch und betriebswirtschaftlich zu den besten 25 % in der Branche gehören. Dies lässt sich z.B. durch horizontale Betriebszweigvergleiche feststellen. Erneuerbare Energien können dabei eine attraktive Möglichkeit sein, wobei gerade bei Freiflächen-PV berücksichtigt werden muss, dass die Finanzverwaltung Flächen dann meist nicht mehr als land- und forstwirtschaftlich, sondern als grundrechtlich ansieht. Damit gehen steuerliche Begünstigungen verloren und Risiken für hohe Erbschaftssteuerzahlungen im Todesfall entstehen.

Weitere Informationen

Als Nachschlagewerke für Analysen des Betriebs erscheint im April 2024 die neue Publikation effiziente Jahresabschlussanalyse des DLG Verlags (17,90 €) 

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Text: DLG Newsroom / Agnes Michel-Berger, freie Autorin