Zur Person
Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué (68) ist Vorstandsvorsitzender der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Zuvor leitete der Volkswirt den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, wo er immer noch als Dozent und Wissenschaftler tätig ist. Paqué ist Keynote-Speaker auf der DLG-Wintertagung am 21. Februar 2024 in Leipzig „Ziele statt Zügel - Unternehmen machen lassen". Der FDP-Politiker war von 2002 bis 2006 Finanzminister in Sachsen-Anhalt in einer Koalition von CDU und FDP mit Wolfgang Böhmer als CDU-Ministerpräsident.
„So hört das Höfesterben nicht auf“
Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué fordert eine wirtschaftsfreundliche Agrarpolitik
Die Bauernproteste in den vergangenen Wochen richten sich gegen die europäische und nationale Agrarpolitik, die mit Regulierungen und Einschränkungen im Betriebsablauf gespickt ist. Der Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung, Prof. Karl-Heinz Paqué, fordert im Interview eine nachhaltige Agrarpolitik, die die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Agrarsystems im Auge behalten muss. Der Wissenschaftler ist Keynote-Speaker am 21. Februar 2024 auf der DLG-Wintertagung in Leipzig.
DLG: Herr Paqué, sind Landwirte und Landwirtinnen derzeit Symbol für das Politikversagen?
Karl-Heinz Paqué: In den Bauernprotesten entlädt sich die aufgestaute Wut über die Gängelung und Bevormundung der vergangenen zwanzig Jahre. Der Ärger über die Treibstoffpreise hat das Fass jetzt zum Überlaufen gebracht - das ist die Realität und damit müssen wir umgehen. Als Liberaler spreche ich mich ausdrücklich gegen überzogene Einschnitte in die unternehmerische Freiheit der Landwirte aus. Eine wirklich nachhaltige Agrarpolitik muss aus meiner Sicht die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Agrarsystems im Auge behalten. Sonst droht ein weiteres Auseinanderbrechen unserer Betriebsstrukturen, vom sozialen Zusammenhalt ganz zu schweigen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner verspricht den Landwirten und Landwirtinnen, weniger Bürokratie und eine Förderung von Biokraftstoffen für den Einsatz in der Landwirtschaft. Verhindert dieses Angebot das Höfesterben?
Eine einzelne Maßnahme wird diese Entwicklung nicht aufhalten können - wie so oft muss das Problem mit einem Bündel von Instrumenten angegangen werden. Die vom Bundesfinanzminister vorgeschlagene Förderung von Biokraftstoffen könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten. Ohne eine grundsätzliche Attraktivitätssteigerung des Agrarsektors wird das Höfesterben aber kaum aufzuhalten sein. Die Förderung von Biokraftstoffen könnte daher flankiert werden durch Maßnahmen zur Förderung der ländlichen Infrastruktur einerseits und durch einen technologieoffenen Umgang mit neuen Entwicklungen im Landmaschinenbau und in der Pflanzenzüchtung andererseits, um nur einige Beispiele zu nennen. Letzteres wird übrigens gerade von unserer liberalen Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger mit Nachdruck vorangetrieben.
Die DLG-Wintertagung „Ziele statt Zügel - Unternehmen machen lassen“ greift die negativen Konsequenzen des agrarpolitischen Systems auf. Gesucht werden Vorschläge für bessere Steuerungs- und Monitoring-Konzepte. Wie könnten diese aussehen?
Ein wichtiger Treiber muss wieder die Technologieorientierung sein. Doch Innovation allein reicht nicht! Wir brauchen auch einen Kulturwandel. Wir dürfen bei neuen Technologien nicht automatisch zuerst an Risiken und deren Regulierung denken. Denn technologische Entwicklungen sind immer zumindest auch mit Chancen verbunden. Sonst setzen sich Technologien unter fairen Marktbedingungen nicht durch. Dieses Kulturproblem wird für mich an einem Beispiel aus der Landwirtschaft besonders deutlich. Und zwar bei den neuen Züchtungsmethoden. Hier wird schnell klar, dass neue Ansätze notwendig sind, um in der extrem herausfordernden Drucksituation von Klimawandel, wachsender Weltbevölkerung und sich veränderndem Wettbewerbsumfeld bestehen zu können.
Es wäre daher nicht nur ökonomisch unklug, sondern auch moralisch unredlich, sich diesen Chancen zu verschließen. Wir Liberale versuchen, diesen Kulturwandel aktiv zu gestalten und führen gerade in der aktuellen Regierungskonstellation einen harten Kampf für Technologieoffenheit und eine wissenschafts- und technologieorientierte Wirtschaftspolitik - auch mit Blick auf die Landwirtschaft.
Allein das Gewicht der Batterie, um einen handelsüblichen Schlepper mit Strom zu betreiben, würde das heute übliche Gewicht des gesamten Fahrzeugs übersteigen - vom Preis ganz zu schweigen.
Die Landwirtschaft braucht mehr Innovationen, die das Potenzial haben, Produktivität mit Ressourcen- und Klimaschutz global in Einklang zu bringen. Kurzfristig ist eine Umstellung der Maschinen und Traktoren auf alternative Kraftstoffe oder E-Technologie nicht möglich. Welche Unterstützungen könnte der Staat leisten?
Da gebe ich Ihnen völlig Recht: Eine kurzfristige Umstellung ist technisch nicht möglich. Da macht es auch keinen Sinn, solche Schritte gesetzgeberisch zu erzwingen. Wenn man nun einen Schritt weiterdenkt, kommt man zwangsläufig zu dem Schluss, dass die einseitige Fokussierung auf die Elektrifizierung, wie sie jetzt wieder auf EU-Ebene von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von der CDU forciert wird, ein Irrweg sein muss. Bleiben wir beim Beispiel der Traktoren. Allein das Gewicht der Batterie, um einen handelsüblichen Schlepper mit Strom zu betreiben, würde das heute übliche Gewicht des gesamten Fahrzeugs übersteigen - vom Preis ganz zu schweigen.
Es macht also keinen Sinn, diesen Weg weiter zu verfolgen. Stattdessen sollte man sich wieder stärker mit den Möglichkeiten nachhaltig erzeugter Kraftstoffe beschäftigen. Zu diesem Ergebnis kommt übrigens auch eine Studie zu nachhaltigen Energieimporten, die wir seitens der Friedrich-Naumann-Stiftung beauftragt haben.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Hier sollte der Staat Bedingungen schaffen, die es privaten Investoren ermöglichen, eine entsprechende Infrastruktur und Produktionskapazitäten für synthetische Kraftstoffe im In- und Ausland aufzubauen. Ich würde aber dringend davon abraten, den Weg über Kraftstoffsubventionen oder Ausnahmeregelungen beim Klimaschutz zu gehen - dieser Weg führt direkt in Teufels Küche.