DLG-Feldtage 2024: Rede des Präsidenten Hubertus Paetow

DLG-Präsident Hubertus Paetow betont in seiner Rede auf dem Eröffnungsabend der DLG-Feldtage 2024 die Chance, den gegenwärtigen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Rückenwind in der Agrarbranche für innovativen und nachhaltigen Fortschritt zu nutzen. Leitthema der DLG-Feldtage 2024 ist 'Pflanzenbau out of the Box'.

[...]Meine sehr verehrten Damen und Herren[...],

herzlich willkommen auf den DLG-Feldtagen 2024 hier auf dem Gut Brockhof in Erwitte.  

Bedanken möchte ich mich herzlich bei unserem Mitveranstalter, lieber Herr Staatssekretär Dr. Martin Berges,
dem Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen. Genauso, wie bei der RWZ Raiffeisen und der Raiffeisen Waren GmbH Kassel. Mein Dank für die vertrauensvolle und anregende fachliche und organisatorische Zusammenarbeit geht auch an die Fachpartner der Feldtage: Die Vereinigte Hagel, die UFOP und die BLE.  

Besonders bedanken möchte ich mich an dieser Stelle schon mal bei Frau Möller, der Eigentümerin des Gut Brockhofes und der Familie Tägder, die das Gut verwaltet. Nicht nur, dass wir heute hier sein dürfen, sondern auch für die mühevolle und engagierte Zusammenarbeit und Vorbereitung der letzten zwei Jahre. 

Landwirtschaft in der Zeitenwende: Aspekt der Ernährungssicherung gewinnt an Gewicht

Landwirtschaft in der Zeitenwende – das ist wieder einmal eine ganz besondere Situation, in der sich unsere Branche befindet.  

Die Jahre vor den jüngsten, globalen Krisen, die da sind Pandemie, Lieferkettenstörungen und vor allem die Kriege in der Ukraine und Nahost, diese vergangenen Jahre waren geprägt von einem stetig ansteigenden Druck auf die Ernährungssysteme, sich an die Anforderungen einer globalen Nachhaltigkeitsagenda, insbesondere Klima- und Biodiversitätsschutz, anzupassen.

Green Deal, Insektenschutzpaket, SUR, Glyphosat-Verbot etc. waren die Themen, die uns alle bewegt haben. Seit Anfang des letzten Jahres hat sich die Lage erheblich verändert, und zwar vor allem auf Seiten der Politik.
Durch die weltweite Getreide- und Ölsaatenkrise in Folge der russischen Invasion in der Ukraine hat der Aspekt der Ernährungssicherung in der Diskussion über die Ausrichtung der Landwirtschaft erheblich an Gewicht gewonnen.

Parallel hat das gesellschaftliche Interesse für Nachhaltigkeitsthemen erheblich abgenommen – im Zweifel ist den Menschen die Inflation doch näher als das Artensterben.

Das führte in den letzten Monaten zu einer Reihe von Entscheidungen, die man getrost als Paradigmenwechsel bezeichnen kann. Abschaffung der Stilllegungsverpflichtung im Rahmen der Konditionalität, Ablehnung der SUR im europäischen Parlament, Wiederzulassung von Glyphosat sind hier die Stichworte.  

Gleichzeitig mit diesem Paradigmenwechsel sehen wir eine äußerst positive wirtschaftliche Entwicklung der Betriebe. Einkommen und Gewinn der Haupterwerbsbetriebe in Deutschland sind zuletzt deutlich gestiegen. Zwar handelt es sich dabei um Durchschnittswerte, es gibt also Unterschiede zwischen den Betriebsformen, Betriebsgrößen und Regionen. Aber unter dem Strich bleibt eines festzuhalten: Auch aus wirtschaftlicher Richtung bekommt die Landwirtschaft tendenziell wieder Rückenwind. 

Rückenwind für Innovationen

Rückenwind, den die Betriebe erfreulicherweise für Investitionen in die Zukunftsthemen nutzen: Ob für die intelligente Bewässerung des Feldes, die Verhaltensanalyse der Tiere im Stall oder die datenbasierte Entscheidungshilfe bei der Aussaat - die Landwirtschaft hierzulande steht vor einer KI-Revolution. Das geht aus einer Befragung hervor, die der Digitalverband Bitkom und die DLG Anfang des Monats vorgestellt haben. Fast die Hälfte der Höfe in Deutschland beschäftigt sich derzeit mit Einsatzmöglichkeiten von KI. Jeder zehnte Betrieb setzt bereits Künstliche Intelligenz ein, weitere 38 Prozent planen oder diskutieren dies zumindest. 

Natürlich eröffnet dieser Paradigmenwechsel in wirtschaftlich starken Zeiten neue Möglichkeiten für den Fortschritt. Innovative, produktivitäts- und ertragsorientierte Verfahren werden nicht mehr so kategorisch abgelehnt und man hat sogar das Gefühl, dass über ehemalige Tabuthemen wieder öffentlich diskutiert werden kann. Begleitet durch die günstige wirtschaftliche Lage also gute Voraussetzungen, um gemeinsam in landwirtschaftlicher Praxis, Politik und Gesellschaft ein fortschrittliches, innovationsfreundliches und dadurch nachhaltiges Agrar- und Ernährungssystem zu schaffen. 

Nachhaltigen Fortschritt weiterentwickeln

Der Paradigmenwechsel bedeutet aber nicht, dass die Nachhaltigkeit unserer Produktionssysteme keine Relevanz mehr hätte. Natürlich sind die Themen Klima- Umwelt und Naturschutz, aber auch die sozialen Nachhaltigkeitsziele nicht verschwunden. Und wir sind klug beraten, das Thema nachhaltiger Fortschritt auf unseren Betrieben auch ohne den öffentlichen Druck der vergangenen Jahre ganz in Ruhe weiterzuentwickeln. Denn irgendwann werden die globalen Krisen hoffentlich an Relevanz verlieren. Und wenn wir dann konstruktive und erprobte Vorschläge für mehr Produktivität im Pflanzenbau bei gleichzeitiger Schonung natürlicher Ressourcen haben, dann müssen wir nicht erst wieder mit den Traktoren nach Berlin fahren. 

Feldtage-Leitthema "Pflanzenbau out of the Box" - traditionelle Denkmuster durchbrechen

Das diesjährige Leitthema heißt „Pflanzenbau – out of the Box“. Das heißt auf der einen Seite, dass wir unseren Blick auf der Suche nach dem Fortschritt über den Tellerrand richten. Doch in der digitalen Technik ist mit “works our of the Box” auch ‚plug and play‘ gemeint, also die sofortige Einsatzfähigkeit und Anwendbarkeit innovativer Technologien.  

Es geht also wie immer beim Fortschritt darum, traditionelle Denkmuster zu durchbrechen und neue Perspektiven einzunehmen. Dies erfordert Offenheit für Veränderungen, die Bereitschaft, Risiken einzugehen, und die Fähigkeit, sich an neue Bedingungen anzupassen.  

Es geht aber auch um den nächsten, wichtigen Schritt bei der Innovation, die Einführung in die Praxis und die dafür notwendige Weiterentwicklung der Verfahren hin zu marktgängigen Lösungen. 

Gerade dieser Teil des Innovationsprozesses erweist sich in der Landwirtschaft als Herausforderung.  

An messbarer Nachhaltigkeit führt kein Weg vorbei

Ackerbau nach Schema F ist nicht mehr zeitgemäß. Das Standardverfahren für alle Betriebe und Regionen gibt es nicht. Dafür gibt es unzählige Einflussfaktoren, die sich auf unser Wirtschaften auswirken. Nicht nur politischen Rahmenbedingungen, sondern auch klimatische und standortspezifische. Und Immer dann, wenn sich Rahmenbedingungen ändern, müssen wir als Unternehmer gewohnte Techniken und Praktiken hinterfragen und gewohnte Wege verlassen. Deshalb ist Innovation, deshalb ist der Blick über den Tellerrand so wichtig. 

Nun kann man meinen, dass aufgrund von geopolitischen Krisen die Nachhaltigkeitsdebatte der Agrarpolitik nach SUR und GLÖZ eine Kehrtwende vollzogen hat und Nachhaltigkeit nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Das ist allerdings eine Fehleinschätzung. Die Regulierung der Nachhaltigkeit in allen Bereichen der Wirtschaft ist nicht mehr aufzuhalten. Und spätestens seit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist uns allen klar geworden, dass an messbarer Nachhaltigkeit auch auf dem landwirtschaftlichen Betrieb kein Weg vorbeiführt. Auch Banken und Versicherungen richten die Bereitstellung von Kapital verstärkt an ESG-Faktoren aus, was auch die Kreditvergabe an landwirtschaftliche Betriebe betrifft.  

Werkzeugkasten mit unterschiedlichsten, standortangepassten Werkzeugen gefragt

Auch beim Thema Nachhaltigkeit gibt es kein Patentrezept. Jeder Standort ist anders. Boden, Klima und markwirtschaftlichen Gegebenheiten, aber auch Stärken und Schwächen des Betriebsleiters.  
Es brauchen einen Werkzeugkoffer gefüllt mit unterschiedlichsten Werkzeugen, also Innovationen. Diese reichen von der mechanischen Bodenbearbeitung, über neue Sorte bis hin zum Spot Spraying oder Robotik. Der Innovationskraft und Kreativität dürfen dabei keine unnötigen Grenzen gesetzt werden.  


Voraussetzung für den nachhaltigen Fortschritt ist eine ideologiefreie und ergebnisorientierte Lösungssuche des unternehmerischen Landwirts, der für sich und seinen Standort die besten Lösungen für die ackerbaulichen, ökologischen und ökonomischen Herausforderung findet.  


Objektive Nachhaltigkeitsbewertung unabhängig von Betriebsform


Wenn es das Ziel ist, die Artenvielfalt in unseren Kulturlandschaften zu erhöhen, dann sollte es dem Landwirt und Unternehmer eigenverantwortlich überlassen bleiben, ob ihm dies mit innovativen Pflanzenschutzmitteln, mit mechanischer Unkrautbekämpfung oder mit einer neuen Feldhecke an seinem Standort und unter seinen Bedingungen am besten gelingt.  

Denn wenn Nachhaltigkeit objektiv bewertet wird, dann lässt sich dies nicht an einer Betriebsform festmachen, wie auch die Ergebnisse des DLG-Nachhaltigkeitszertifikats zeigen. 

Die DLG-Feldtage bieten eine hervorragende Möglichkeit, sich inspirieren zu lassen, ins Gespräch zu kommen oder Innovationen in der praktischen Anwendung zu sehen. Diese Tiefe der fachlichen Informationsvielfalt finden Sie nirgendwo anders.  


Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Ausstellerinnen und Aussteller, liebe Politikerinnen und Politiker, ich wünsche Ihnen spannende Feldtage mit interessanten Gesprächen und anregenden Ideen. Hier haben sie die Möglichkeit, neue Innovationen im praktischen Anbau bzw. Einsatz zu sehen. Lassen Sie sich inspirieren und tauchen Sie ein in die Welt des modernen Pflanzenbaus. 

Und deshalb freut es mich besonders, dass wir gemeinsam auf den DLG-Feldtagen die Möglichkeit haben, neuen Innovationen zu zeigen und im praktischen Anbau und Einsatz darzustellen – Innovation zum Anfassen und Erleben!  

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Aussteller, ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Abend mit anregenden Gesprächen und spannende DLG-Feldtage 2024. 

Bildmaterial vom Begrüßungsabend der DLG-Feldtage frei verwendbar unter Nennung der Quelle "Foto: DLG"

Vorschlag für Bildunterzeilen:

DLG_Feldtage_EA_Berges: Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen, Dr. Martin Berges.

DLG_Feldtage_EA_Berges_Hövelmann: Staatssekretär Dr. Martin Berges (rechts, Landwirtschaftsministerium NRW) und DLG-Hauptgeschäftsführer Dr. Lothar Hövelmann. 

DLG_Feldtage_EA_Paetow1_2: DLG-Präsident Hubertus Paetow . 

DLG_Feldtage_EA_Kempkes: Christoph Kempkes, CEO RWZ AG. 

DLG_EA_Impressionen: Networking in entspannter Atmosphäre: Der Begrüßungsabend der Feldtage an der DLG-Plaza. 

 


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