Biogas als Eckstein für die Energiewende
EnergyDecentral 2024 – 12. bis 15. November in Hannover – Leitmesse der dezentralen Energieversorgung findet parallel zur EuroTier und Inhouse Farming Feed & Food Show statt – Interview mit Horst Seide, Präsident des Fachverbands Biogas – klares Signal pro Biogas gefordert
„Das Wort Biogas sucht man in der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung vergeblich“ – mit deutlichen Worten beschreibt der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide, die Situation seiner Branche im Vorfeld der EnergyDecentral 2024, die vom 12. bis 15. November in Hannover stattfindet. Im Interview fordert Seide ein klares Signal pro Biogas und gibt Einblicke in die Technologien, die auf dem Messegelände in Hannover gezeigt werden.
„Biogas kann alles, was fossiles LNG (Liquefied Natural Gas) kann, und steht im Vergleich zu Wasserstoffimporten sofort und regional zur Verfügung. Dennoch sucht man das Wort ‚Biogas‘ in der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung vergeblich“, erklärt der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide, die Situation seiner Branche im Vorfeld der EnergyDecentral 2024, die vom 12. bis 15. November in Hannover stattfindet. „Im Strombereich, in dem Biogas umsatzmäßig am stärksten ist, sieht es momentan nicht gut aus. Wir haben hier eine hohe Anzahl von Anlagen, die eine Anschlussförderung brauchen.“
Biogasanlagen in eine flexiblere Zukunft führen
Laut Seide gibt es noch knapp 10.000 Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund sechs Gigawatt, die pro Jahr über 33 Terawattstunden Strom erzeugen. Das entspricht etwa sechs Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland und der gleichen Menge an Wärme, die vor allem im ländlichen Raum genutzt wird. „Für hunderte Anlagen endet der EEG-Vergütungszeitraum in den nächsten Jahren“, so der Präsident des Fachverbandes Biogas. „Und die Ausschreibungsrunden für eine Anschlussvergütung waren zuletzt dreifach überzeichnet.“ Seide ist überzeugt, dass ohne eine deutliche Anhebung der Ausschreibungsvolumina im regulären Segment der Erhalt des Biogasanlagenbestandes auf heutigem Niveau nicht zu realisieren ist.
„Allein zur Stabilisierung des bestehenden Anlagenparks braucht es in der Biomasse-Ausschreibung mindestens 1.800 Megawatt pro Jahr“, so Seide. Gleichzeitig müssten Biogasanlagen in eine flexiblere Zukunft geführt werden. Um eine Umrüstung von Biogasanlagen anzureizen, sei hierfür der Flexibilitätszuschlag an die Inflation sowie die gestiegenen Zinsen anzupassen und auf mindestens 120 Euro pro Kilowatt zu erhöhen.
Kraft-Wärme-Kopplung mit zentraler Bedeutung in der kommunalen Wärmewende
Der Präsident des Fachverbandes Biogas betont, dass Biogasanlagen auch bei der Speicherung Vorteile haben, denn sie können Biogas und Biomethan länger und saisonal vorrätig halten. So lasse sich die Strommenge der Anlagen im flexiblen, dem Wind- und Sonnenstromlieferung angepassten Betrieb, deutlich besser verteilen: durch zusätzliche Gasspeicher und mehr Motoren. 2023 wurden in Deutschland über 14 Terawattstunden Wärme mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) direkt an der Biogasanlage gewonnen. „Damit kommt der KWK eine zentrale Bedeutung im Rahmen der kommunalen Wärmewende zu“, so Seide. „Die zweite Option, über die wir sprechen, ist die Aufbereitung von Biogas zu Biomethan. Rund 4,9 Terawattstunden Wärme wurden 2023 aus Biomethan mittels Blockheizkraftwerken beziehungsweise Feuerungsanlagen am Erdgasnetz gewonnen.“
Auch wenn Biomethan sich direkt ins Netz einspeisen lässt und dadurch für Verbraucher mit einer Gasheizung interessant ist, sieht Seide den Wachstumsmarkt jedoch auf sehr geringem Niveau. Biomethan habe im deutschen Erdgasnetz aktuell einen Anteil von gerade mal einem Prozent und spiele damit keine große Rolle bei der Wärmeversorgung, so Seide. Der größte Teil werde in Blockheizkraftwerken in Fern- und Nahwärme sowie Strom umgewandelt. Insgesamt hat die im Jahr 2023 aus Biogas und Biomethan bereitgestellte Wärmemenge den Bedarf von 1,8 Millionen Haushalten gedeckt.
REPowerEU: eine Strategie zur Umgestaltung des europäischen Energiesystems
Ziel der REPowerEU-Strategie - die vor zwei Jahren von der Europäischen Kommission ins Leben gerufen wurde – ist es, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zu verringern und den Übergang zu klimaneutraler Energie zu beschleunigen. Fester Bestandteil der Strategie ist ein Aktionsplan, mit dem bis 2030 eine Steigerung der EU-Biomethanproduktion auf 35 Milliarden Kubikmeter pro Jahr erreicht werden soll. „Innovationen und die finanzielle Unterstützung zur Steigerung der Biogasproduktion übernehmen eine Schlüsselrolle“, sagt der Präsident des Fachverbandes Biogas. „Wir benötigen rund 5.000 neue Biogasanlagen, um das ehrgeizige EU-Ziel zu erreichen.“ Dieses hält Seide für realistisch. „Innerhalb der EU sehen wir, dass Nachbarländer wie Frankreich dabei sind, den Biogas- und Biomethansektor massiv auszubauen. Auch Deutschland ist es nach 2006 gelungen, in weniger als zehn Jahren rund 6.000 Biogasanlagen zu bauen.“
Gefahr der technologischen Abhängigkeit vom Ausland
Ein großes Problem sieht Seide bei der Anzahl der neugebauten Biogasanlagen. Den rund 30 Stilllegungen hierzulande standen im Jahr 2022 nur knapp über 100 neu gebaute Biogasanlagen gegenüber, berichtet er. Laut Seide behindern zu viele rechtliche Hemmnisse und schleppende Genehmigungsverfahren den notwendigen Ausbau der Biogasnutzung in Deutschland.
Vorausgesetzt, die Entwicklung geht in Deutschland so weiter, wie bisher und die Förderungen bleiben so restriktiv, sieht Seide das Risiko, dass der Standort Deutschland auch technologisch abgehängt wird. „Die überwiegend mittelständischen Unternehmen der Branche zählen zu den führenden Innovationstreibern in Europa. Ein Großteil stellt auf dem Messegelände in Hannover aus. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich dieses über 20 Jahre aufgebaute Know-how zunehmend ins Ausland verlagert, da dort im Gegensatz zu Deutschland weiterhin auf Biogas gesetzt wird.“
Das vollständige Interview können Sie hier lesen.
Aussteller-Anmeldungen weiterhin möglich
Interessierte Unternehmen finden unter www.energy-decentral.com weitere Informationen zur Messe und die Möglichkeit zur Anmeldung. Für Fragen steht das EnergyDecentral-Team zur Verfügung: +49(0)69/ 24 788-955, energy@dlg.org.
Foto: DLG
Porträt: privat/DLG
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