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Bahnbrechend: Ökonomie wird neues Arbeitsgebiet in der DLG

Ihre Antwort auf die Agrarkrise: Gründung des Sonderausschusses für Buchführung (1894) und Einrichtung der DLG-Buchstelle (1896).

In den Jahren der DLG-Gründung standen produktions- und technische Fragen der Landwirtschaft im Vordergrund, die Sicht auf die betriebswirtschaftliche Seite wurde in der DLG wie auch in der damaligen Agrarwissenschaft hintangestellt und vernachlässigt. Doch dies änderte sich schnell – Auslöser war der „neue Kurs“ in der Agrarpolitik nach der 1890 erfolgten Entlassung von Reichskanzler Otto von Bismarck und der Abkehr von seiner Agrarschutzzollpolitik. Dessen Nachfolger Leo Graf von Caprivi setzte auf eine raschere Industrialisierung sowie einer Ausweitung des Industrie-Exports und damit des Außenhandels. Es wurde in Kauf genommen, dass dies auch auf Kosten der deutschen landwirtschaftlichen Erzeugung durch Senkung der Einfuhrzölle für Agrarprodukte und somit einer Begünstigung der Einfuhr ausländischer Produkte ging. Die Folgen des neuen Kurses machten sich in wenigen Jahren überdeutlich bemerkbar, so in Form von einer Halbierung der Getreidepreise. Die Landwirtschaft in Deutschland befand sich in diesen Jahren in einer kritischen Phase und war in große Unruhe versetzt. Die Gründung des „Bundes der Landwirte“ 1893 als kämpferische Interessenvertretung war eine unmittelbare Folge davon. Wenn es Max Eyth auch gelang, die DLG getreu ihrem Prinzip der politischen Neutralität aus den politischen Auseinandersetzungen herauszuhalten, so führte es dennoch zu einer gravierenden inhaltlichen Weiterentwicklung.

1894 und 1895 ein weiterer Meilenstein in der DLG-Entwicklung: Geburtsstunde der Buchführung und der Betriebswirtschaft als weiteres klassisches Arbeitsgebiet der DLG

Die Jahre 1894 und 1895 markieren mit der Einrichtung des Sonderausschusses für Buchführung in der Landwirtschaft (1894) – also ein Jahr nach der Gründung des „Bundes der Landwirte“ - und der Einrichtung der DLG-Buchstelle (1895/96) einen weiteren zentralen Meilenstein in der DLG-Geschichte wie auch für die weitere Entwicklung der Landwirtschaft in Deutschland. Es ist die Geburtsstunde der Buchführung und der Betriebsvergleiche wie auch der Wirtschaftsberatung und letztendlich des wirtschaftlich orientierten Unternehmers in der Landwirtschaft. Mit der Landwirtschaftlichen Betriebslehre erhält die DLG ein weiteres Hauptarbeitsgebiet und sie verschafft dieser Fachrichtung den Aufschwung und die Bedeutung im Rahmen der Agrarwissenschaften. Klar war den Verantwortlichen in der DLG und führenden Praktikern, dass politische Hilfen allein die Betriebe nicht aus ihren wirtschaftlich unbefriedigenden Lagen befreien werden. Notwendig waren entscheidende neue, betriebsbezogene, unternehmerische Instrumente: nämlich die Ein- und Durchführung von Buchführung und Schulung von kaufmännischem, unternehmerischem Denken und Handeln, um Aufschluss über Erlöse und Kosten des Betriebes und über Verbesserungsmöglichkeiten wie auch Schwächen zu erhalten. Die 1905 erfolgte Gründung der Betriebs-Abteilung, in die der Sonderausschuss und die DLG-Buchstelle eingegliedert wurden, war ein weiterer konsequenter Entwicklungsschritt. Bereits im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens hat sich damit in dieser kritischen Phase der Landwirtschaft die besondere Leitfunktion der DLG für die Praxis manifestiert, nämlich als fachlich orientierte und von den besten Köpfen aus den Betrieben und der Wissenschaft getragene Organisation wegweisende und langfristig nachhaltige Lösungen und Anleitungen bei Existenzfragen zu geben.

Friedrich Areboe erster Geschäftsführer

Der erste Geschäftsführer des DLG-Sonderausschusses war von 1895-99 Friedrich Areboe. Der spätere Professor für Wirtschaftslehre des Landbaus in Breslau, Bonn, Hohenheim und Berlin gilt als der Nestor der modernen landwirtschaftlichen Betriebslehre. Die DLG verdankt seiner vorwärtstreibenden Initiative eine sehr schnelle Aufnahme ihrer Buchführungs- und anschließend ihrer betriebswirtschaftlichen Arbeiten. Für Areboe bedeutete seine Zeit in der DLG das Bindeglied zwischen seiner vormaligen Tätigkeit als Landwirtschaftslehrer und seiner Entwicklung zum „maßgebenden Betriebslehrer seiner Zeit“, wie Dr. Haushofer in seiner DLG-Geschichte 1960 schrieb. Auch hier zeigte sich der typische DLG-Erfolgsfaktor, denn Areboes akademischer Lehrer Theodor Freiherr von der Goltz, Professor für landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Jena, war der erste Vorsitzende des Sonderausschusses für Buchführung. Damit haben die beiden maßgebenden Betriebslehrer ihrer Generation die Fundamente für die betriebswirtschaftlichen Arbeiten der DLG gelegt und sie richtungsweisend in das 20. Jahrhundert hinübergeführt.

Ein Jahr später: Errichtung der DLG-Buchstelle

Bereits ein Jahr nach der Gründung des Sonderausschusses für landwirtschaftliche Buchführung hat die DLG eine Buchführungsstelle eingerichtet, die unter der Leitung von Friedrich Areboe am 1. Juni 1896 als „DLG-Buchstelle“ ihre Arbeit aufnahm. Ihre Aufgabe war die Verbreiterung und Verallgemeinerung des Buchwesens in der Landwirtschaft. Obenan bei den 5 Aufgaben stand die Entwicklung und Feststellung der zweckmäßigsten Form der Buchführung. Des weiteren sollte die Buchstelle interessierten Mitgliedern gegen Gebühr eine geordnete Buchhaltung einrichten und führen, die Revision der Rechnungsführung und Rentabilitätsberechnungen durchführen sowie die Abschlüsse erstellen. Vorträge und Veröffentlichungen in 

landwirtschaftlichen Vereinen und Zeitschriften durch den Geschäftsführer sollten die Verbreitung des Buchwesens fördern helfen. Gemeinsam mit dem Sonderausschuss sollten Leitfäden und Materialien erarbeitet und hergestellt werden. Zudem hat die Buchstelle von 1897 an einige Jahre Lehrgänge über landwirtschaftliche Buchführung abgehalten, also bereits ein Vorläufer der heutigen Unternehmer-Seminare der DLG geschaffen. Auf den Winterversammlungen der DLG wie auch in den „Mitteilungen der DLG“ wurde die Buchstelle von Beginn an beworben und vorgestellt.

Bereits 1896, also nur knapp nach einem Jahr Tätigkeit in der DLG, ist von Friedrich Areboe in der Reihe „Anleitungen“ als Nr. 4 die „Anleitung für Buchführung“ erschienen. Sie fand bei den Betriebswirten und den führenden Praktikern hohe Beachtung und hat sich schnell zu einem Standardbüchlein entwickelt. Es hat seinen Ruf sowie den der DLG-Buchstelle sehr befördert. Die Schrift wurde 1898 und 1900 bei Neuauflagen erweitert und in zwei Teile ausgebaut, nämlich ein Heft für die einfache und das zweite für die doppelte Buchführung. Auch hat Areboe in Grundsatzbeiträgen über den Geldwert, die Ertragsermittlung und die Steuererklärung sowie über die Rentabilität der Viehhaltung in den „Mitteilungen der DLG“ geschrieben. Ebenfalls 1896 erschien in der Reihe „Arbeiten der DLG“ seine „Untersuchungen über den Geldwert der landwirtschaftlichen Produktionsmittel“. Auch wurde ab 1896 mit der Ausgabe von Buchführungsformularen für die landwirtschaftliche Praxis und andere Buchstellen begonnen. Dazu wurde eine eigene Formular-Vertriebsstelle eingerichtet.

Die Arbeiten der Buchstelle, vor allem das Führen der Bücher, genossen bei den Mitgliedern großes Ansehen. Zwar war Areboe gegen die Führung der Bücher einzelner Betriebe bei der DLG – diese sollten im Betrieb selbst geführt werden – doch ab 1900 haben sich immer mehr Güter der Buchstelle angeschlossen. Den Höhepunkt erreichte die DLG-Buchstelle 1918 mit 452 angeschlossenen Gütern.

Einrichtung der Betriebs-Abteilung (1905)

Eine stärkere Berücksichtigung der wirtschaftlichen Gesichtspunkte, und zwar über die Buchführung hinaus, erwies sich für eine Zukunftsperspektive der Betriebe immer mehr als notwendig. Durch die Jahrhundertwende forciert, sollten der Stand der Landwirtschaft, die Stärken und Schwächen in und zwischen den Betrieben und Produktionszweigen sowie den Regionen aufgezeigt werden. Aus der Arbeit ihrer Buchstelle war den Verantwortlichen bewusst, dass der nächste Schritt brauchbare Betriebsstatistiken und Betriebsvergleiche heißen musste. Hierzu wurden die Buchführungsergebnisse in wissenschaftlicher und praktischer Hinsicht ausgewertet. Noch unter Areboe begannen hierfür die ersten Vorarbeiten und 1904 wurde eine große Betriebsumfrage gestartet. Deshalb wurde der bis dahin selbständige Sonderausschuss für Buchführung erweitert und ein Jahr später 1905 in die neu gegründete Betriebs-Abteilung eingegliedert. Bis 1914 wurden jährlich in groß angelegten Erhebungen die Betriebsverhältnisse der deutschen Landwirtschaft in allen wichtigen Agrarregionen erfragt, ausgewertet und in insgesamt 26 Bänden veröffentlicht. In seiner DLG-Geschichte von 1960 bezeichnet Dr. Haushofer diese großen Erhebungen zu Recht als das Fundament der heutigen „Grünen Berichte“ der Bundesregierung nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch hier hat die DLG Pionierarbeit geleistet und wirkte „Schule-bildend“, so Dr. Haushofer.

(hgb)

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