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Ökomärkte unter Druck – was bleibt vom Bio-Boom?

Über alle Verkaufsstätten zusammen sind die Umsätze mit Bioprodukten im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021 moderat um 3,5 Prozent gesunken. Der Umsatzrückgang der Öko-Lebensmittel ist damit geringer ausgefallen als der Umsatzrückgang bei konventionellen Lebensmitteln. Verglichen mit dem Vor-Coronajahr 2019 ist der Öko-Markt deutlich im Plus: wurden 2019 12,3 Mrd. Euro umgesetzt, waren es im Jahr 2022 15,3 Mrd.

Vor diesem Hintergrund sahen die Expertinnen und Experten im Forum den Ökomarkt nicht in der Krise. Gleichwohl sind die einzelnen Händler unterschiedlich betroffen: Im klassischen Lebensmitteleinzelhandel und im Discount sind die Absätze gestiegen. Direktvermarkter und der Naturkostfachhandel mussten hingegen deutliche Umsatzeinbußen hinnehmen.

Verbraucher bleiben Bioprodukten treu, kaufen aber preissensibler

Jörg Große-Lochtmann, Vorstand der Marktgesellschaft der Naturland-Bauern AG brachte den Trend im Biomarkt auf den Punkt: „Die Kunden kaufen weiter Bio, aber nicht mehr im Naturkostfachhandel, sondern im Discounter.“ Die günstigeren Bio-Eigenmarken des Lebensmittelhandels und Produkte im Preiseinstiegsbereich haben in der Verbrauchergunst deutlich zugelegt. Für die Lieferanten in den LEH ergibt sich daraus die Herausforderung, mit Blick auf gestiegene Erzeugungskosten angemessene Preise zu verhandeln.

Prof. Katrin Zander von der Universität Kassel unterstrich, dass die Umsatzrückgänge zu einem Großteil auch darin begründet liegen, dass die Verbraucher in die Restaurants und Kantinen zurückgekehrt sind. Darüber hinaus reisen die Menschen wieder. Das führt dazu, dass zu Hause weniger gekocht und folglich weniger eingekauft wird. „Insgesamt haben wir keine Abkehr von nachhaltigem Konsum“, so Zander.

Preisimage steuert Einkaufsverhalten

Die stärker gestiegenen Preise für konventionelle Lebensmittel und die erst spätere Preisanhebung des Naturkosthandels haben den Preisabstand zwischen konventionell und Bio sinken lassen. Teils waren Bioprodukte im Fachhandel und Hofladen günstiger als im Discounter. Dennoch haben sich die Verkaufsanteile zugunsten des LEH und der Discounter verschoben. Prof. Zander: „Preisimage ersetzt die Preiskenntnis. Bio ist in der verbreiteten Einschätzung der Verbraucher teuer, auch wenn das nicht immer so ist.“

Perspektiven für Bioprodukte: Steigender Absatz im LEH, Profilierung beim Kunden

Der Blick auf die Anteile des Biosortiments der Lebensmittelhändler zeigt große Unterschiede: Während der Händler tegut knapp 30 Prozent erreicht, liegen andere Händler zwischen 6 und 16 Prozent. Das zeigt das Wachstumspotenzial für die Absätze von Bioprodukten im LEH, vorausgesetzt, die Händler stärken weiterhin das Marketing und die Präsentation der Bioprodukte im Laden.

Gestiegene Preissensibilität und das veränderte Einkaufsverhalten erfordern die stärkere Profilierung von Bio. Attribute wie hohe Tierwohlstandards, Frische, der Beitrag zu Umwelt- und Naturschutz etc. sind nach wie vor wichtige Gründe für den Kauf von Biolebensmitteln. Zudem ist den Verbrauchern Regionalität deutlich wichtiger geworden. Mitunter bestehen zudem Zweifel an der Einhaltung der Öko-Standards. Die Bio-Akteure müssen diese Einschätzungen der Verbraucher ernst nehmen: Stärkere Vertrauensbildung in Bio und die Verknüpfung von Bio und regional sind Ansätze, um bei Verbrauchern zu punkten. 

Direktvermarktung: Fels in der Brandung

Stephanie Strotdrees vom Bioland-Hof Strotdrees zeigte auf, dass die Umsätze der Direktvermarkter im Jahr 2022 um bis zu 20 Prozent zurückgegangen sind. Die Umsätze entsprechen dem Niveau von 2019.

Strotdrees sieht auch im aktuellen Umfeld verschiedene Ansätze, Kunden für den Hofladen zu begeistern: In der Corona-Zeit vermittelte der Hofladen beziehungsweise der Bauernhof ein Stück Kontinuität. Denn während Ausflugsziele, Läden etc. geschlossen waren, fanden die Menschen auf den Höfen Normalität. Für diese Kontinuität soll der Bioland-Hof auch in den aktuell von Unsicherheit geprägten Zeiten für die Kunden stehen. Das bekannte und qualitativ hochwertige Sortiment und vertraute Ansprechpartner:innen im Hofladen sind zentrale Elemente.

Damit einher geht, das eigene Profil zu stärken: „Das ist der riesiger Vorteil in den Hofläden: Wir haben ein Profil, wir haben unsere Spezialsortimente und wir haben unsere Kompetenzen. Mit diesen müssen wir wuchern“, appellierte Stephanie Strotdrees. Das umfasst zudem, den Kunden Hof-Atmosphäre zu bieten und mit dem Wissen, woher die Lebensmittel kommen, ein gutes Gefühl zu entfachen. Dazu gehört auch, zu vermitteln, dass mit dem Kauf im Bioladen die Kundinnen und Kunden einen Beitrag dazu leisten, Artenvielfalt und Klima zu schützen und die Vitalität ihrer Region zu stärken.