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Deckungsbeitrag auf jeder Fläche prüfen

Andreas Lieke mit betriebswirtschaftlichen Überlegungen zur Stilllegungspflicht

Mit der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2023 ergibt sich für die Betriebe eine Vielzahl neuer Regelungen. So gibt es offensichtliche Veränderungen wie die Abschaffung des Greenings. Eine andere ist die Einführung der „Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“, kurz GLÖZ. Damit hat sich auch die Architektur der Förderung verändert.

Die Gesamtsumme der für die Landwirtschaft vorgesehenen Zahlungen hat sich nur geringfügig verringert. Die Höhe der entkoppelten Zahlungen, welche die Landwirte bei Einhaltung guter fachlicher Praxis erhalten, sinkt um die Kosten der Konditionalität. Davon betroffen ist vor allem GLÖZ 8, die Umwandlung eines Mindestanteils von vier Prozent der Ackerfläche in Artenvielfaltsflächen. Diese Kosten betragen bereinigt mindestens 120 Euro pro Hektar. Die entkoppelten Zahlungen heißen künftig „Einkommensgrundstützung für Nachhaltigkeit“. Die im Vergleich zur vorherigen Förderperiode bei den Direktzahlungen eingesparten Mittel werden zum einen verwendet, um einjährige Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen zu fördern und zum anderen Teil in die zweite Säule der GAP umgeschichtet. Die Architektur der GAP formuliert dadurch in Zukunft eine zusätzliche hohe Nachfrage nach Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen.

Die EU hat den Mitgliedsstaaten im Juli 2022 angeboten, die Stilllegungspflicht als Kernelement von GLÖZ 8 sowie die geplanten Regelungen zum Fruchtwechsel in GLÖZ 7 im Jahr 2023 um ein Jahr bis 2024 auszusetzen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat nun Anfang August den Bundesländern einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der hohe Aussichten auf eine Zustimmung besitzt.

Im Kern sieht der Vorschlag folgende Änderungen vor:

  • Die Verpflichtung zur Stilllegung von vier Prozent der Ackerflächen wird um ein Jahr ausgesetzt.
  • Die Verpflichtung zum Fruchtwechsel wird für ein Jahr ausgesetzt.

Das BMEL hat diese Vorschläge an Bedingungen geknüpft:

  • Entscheiden sich Betriebe für eine Aussetzung von Stilllegung, haben sie keine Möglichkeit, die freiwillige Aufstockung der Stilllegung, die über vier Prozent hinaus angeboten wird, zu nutzen. Es sei denn, sie stocken auf fünf Prozent Brache ohne Gegenleistung auf. Wäre doch gerade die Förderung der Stilllegung von vier auf fünf Prozent oder von fünf auf sechs Prozent unter Umständen rentabel für die Betriebe.
  • Eine Wiederaufnahme der Bewirtschaftung von Flächen, die bereits 2021 und 2022 beispielsweise als (Honig-)Brachen im Rahmen des Greenings genutzt wurden, soll nicht möglich sein.
  • Wollen Betriebe den Fruchtwechsel für einzelne Flächen um ein Jahr aussetzen, ist keine Erhöhung der Grundstützung, wie sie die Konditionalität vorschreibt, durch den „Anbau vielfältiger Kulturen“ möglich.

Kurzfristige Anbauplanung

Die Betriebe müssen sich nun sehr kurzfristig mit den Vorschlägen und möglichen Konsequenzen für den Anbau 2023 auseinandersetzen. Ziel der Anbauplanung und Etablierung von Fruchtfolgen ist eine standortangepasste, ökonomisch sinnvolle Bewertung und Nutzung jeder einzelnen Fläche im Betrieb. Hierbei ist ab dem kommenden Jahr, wenn es um den Anbau zur Ernte 2024 geht, verstärkt das Angebot für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) und deren Erlöse sowie die Stilllegungspflicht zu berücksichtigen.

Konkret bedeutet dies für Landwirte, dass sie zunächst innerhalb ihrer Betriebsfläche die Flächen mit den geringsten Deckungsbeiträgen aus der Produktion von Marktfrüchten identifizieren. Dabei sind mindestens zehn Prozent der Gesamtbetriebsfläche zu untersuchen und die zu erwartenden Deckungsbeiträge auf diesen Flächen zu ermitteln.

Was zeichnet nun die deckungsbeitragsschwachen Flächen aus:

  • Flächen mit einem geringen Ertragspotenzial oder niedriger Ertragssicherheit.
  • Flächen mit deutlichen Bewirtschaftungseinschränkungen, wie durch Schutzgebiete oder entlang von Gewässern.
  • Kleine Flächen mit ungünstigen Zuschnitten und hohem Vorgewendeanteil.
  • Teilflächen in Schlägen mit ungünstigem Gelände oder Zuschnitt.
  • Streuflächen mit hoher Hof-Feld-Entfernung. Hier ist die Anfahrtsdauer durch Entfernung, Wegezustand und Wartezeiten vor Ampeln und Schranken entscheidend.

Nach der Ermittlung für die Stilllegung geeigneter Flächen sind schlagspezifisch geeignete Maßnahmen zu identifizieren. Für die Nutzung der Flächen kommen Länderprogramme wie die AUKM, Eco Schemes, Patenschaften oder freiwillige Maßnahmen infrage.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion sowie zur Verringerung der Komplexität, die sich aus einer Mitberücksichtigung von 16 länderspezifischen Maßnahmen im Rahmen von AUKM der zweiten Säule der GAP ergeben würde, soll in diesem Beitrag der Fokus auf die Wirtschaftlichkeit von GLÖZ 8 gelegt werden (siehe Übersicht).

Wirtschaftlichkeit von GLÖZ 8

 Ernte 2024Ente 2023
von      bis       Ausgleichs-
zahlung
PflegekostenDeckungsbeitrag Stilllegungkummulierter DeckungsbeitragØ Deckungsbeitrag
0%1% -50 €-50 €-50 €-50 €
1%2% -50 €-50 €-100 €-50 €
2%3% -50 €-50 €-150 €-50 €
3%4% -50 €-50 €-200 €-50 €
4%5%1.300 €-50 €1.250 €1.050 €210 €
5%6%500 €-50 €450 €1.500 €250 €
6%7%300 €-50 €250 €1.750 €250 €
7%8%300 €-50 €250 €2.000 €250 €
8%9%300 €-50 €250 €2.250 €250 €
9%10%0 €-50 €-50 €2.200 €220 €

Betrachtung für 2023

Bei den aktuell hohen Agrarpreisen liegen die durchschnittlichen Deckungsbeiträge außer auf extremen Grenzstandorten deutlich bei über 250 Euro pro Hektar. Deckungsbeiträge von Einzelflächen können allerdings deutlich geringer ausfallen. Sollte ein Betrieb über sechs Prozent Ackerflächen verfügen, für die er keine 250 Euro pro Hektar Deckungsbeitrag erwarten kann, so ist die Stilllegung im Rahmen von GLÖZ 8 in Verbindung mit der Förderung für die Aufstockung der Stilllegung von fünf auf sechs Prozent in der Spalte 2023 in der Übersicht trotz der Möglichkeit, die Stilllegung auszusetzen, rentabel.

Sollte der Betrieb beim Greening bereits zwei Prozent seiner Flächen mehr als zwei Jahre stillgelegt haben und diese Flächen damit nicht in die Bewirtschaftung aufnehmen können, würde sich dieser durchschnittliche Deckungsbeitrag auf etwa 400 pro Hektar erhöhen. 

Betrachtung für 2024

Im Jahr 2024 dürfte voraussichtlich die entschädigungslose Stilllegung von vier Prozent Ackerflächen zur Artenvielfalt, wie ursprünglich für 2023 in der neuen GAP vorgesehen, zur Pflicht werden. Dann ist bei der Betrachtung der Stilllegungsaufstockung nur noch die Spalte Ernte 2024 in der Übersicht zu berücksichtigen.

Durch die GAP ergeben sich neue Möglichkeiten zur Nutzung von ertragsschwachen Flächen. Andererseits stellen viele Landwirte ohne stilllegungswürdige Flächen ihre Überlegungen an, wie sie in Partnerschaft mit Betrieben auf schwachen Standorten die Stilllegung bei sich vor Ort vermeiden können. Die Überlegungen zur optimalen Verwertung deckungsbeitragsärmerer Flächen behält trotz der aktuellen Diskussion um eine Verschiebung der Stilllegungspflicht ihre Bedeutung.