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Fehlendes Personal schränkt Auftragsannahme ein

Dr. Rebhann bezeichnet Bürokratie und unflexible Behörden als abschreckend

Wenn man derzeit mit Unternehmern im vor- und nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft spricht, erhält man Antworten wie wohl derzeit in jeder Branche. Allerorts fehlt es an geeigneten Mitarbeitern. Die Lage ist in einigen Betrieben und Regionen so angespannt, dass die Geschäftsführung Bewerber einstellt, die unter anderen Umständen keinen Arbeitsplatz im Unternehmen bekommen würden, oder es müssen Stellen unbesetzt bleiben.

Die Lohnunternehmer können sich derzeit erfreulicherweise selten über fehlende Auftragsnachfragen beschweren. In den meisten Fällen schränkt jedoch neben dem Preisdruck das Nichtvorhandensein von geeignetem Personal die Auftragsannahme ein. Dies veranlasst Unternehmer auch, Aufträge abzulehnen und den Betrieb nicht weiterzuentwickeln.

Im Rahmen einer Umfrage haben wir im Jahr 2021 Mitgliedsunternehmen des Agroservice & Lohnunternehmerverbandes e.V. unter anderem zum Bedarf an Mitarbeitern gefragt. Demnach haben von den insgesamt vierzig teilnehmenden Lohnunternehmern und Landhändlern aus den neuen Bundesländern drei von vier Mitgliedern einen  Bedarf an Mitarbeitern. Daraus folgt, dass ein Viertel der beteiligten Betriebe keinen Bedarf an Mitarbeitern hat. Dies kann darin begründet liegen, dass das Unternehmen in der Region eine „Marke“ ist und die guten Arbeitsbedingungen bekannt sind und dass Arbeitnehmer den Betrieb weiterempfehlen.

Andererseits kann es sich um ein sehr junges Unternehmen am Markt handeln, geführt von einem Einzelunternehmer, der die wirtschaftliche Auftragslage erst abschätzen möchte und dadurch derzeit kein Interesse an Mitarbeitern hat. Auch gibt es Betriebsleiter, die eine organisatorische und technische Betriebsgröße erreicht haben und sich mit einem guten Mitarbeiterstamm nicht vergrößern möchten. Zudem schrecken eine überborderde Bürokratie und Anforderungen von Seiten schwerfälliger und unflexibler Behörden ab, neue Geschäftsfelder und Kunden anzunehmen und damit weitere Mitarbeiter nachzufragen.    

38 Prozent der Betriebe suchen derzeit Führungskräfte mit entsprechender Ausbildung wie Meister oder Studienabschluss zum Führen von Abteilungen, Unterstützung der Geschäftsleitung oder einer späteren Übernahme der Geschäftsführung. Immer wichtiger wird für das Management, junge Absolventen in ausreichendem Maße auf ihre zukünftigen Aufgaben vorzubereiten und dann vor allem an den Betrieb zu binden.

68 Prozent der Mitgliedsunternehmen suchen derzeit gut ausgebildete Fachkräfte. Dies entspricht mehr als zwei Dritteln der Mitgliedsunternehmen. Oftmals finden sich Berufsfremde, die sich die Tätigkeiten zutrauen und gut einarbeiten können. Oftmals wechseln Berufskraftfahrer die Branche, die vorher im Fernverkehr tätig waren. Ab einem bestimmten Alter möchten diese nicht mehr die ganze Woche unterwegs, sondern am Abend zuhause sein. Diese Mitarbeiter werden bei den Landhändlern gerne für den Transport von Getreide, Düngemitteln oder Energie-Kraftstoffen eingesetzt.   

Ein Drittel unserer Mitglieder suchen Helfer, die als zum Teil Ungelernte einfache Aufgaben auf dem Betriebsgelände oder dem Acker durchführen sollen. Dabei geht es auch um Saisonarbeitskräfte, welche in den Zeiten mit Arbeitsspitzen den Mitarbeitern unter die Arme greifen sollen.

In Zukunft müssen sich vermutlich auch kleine und mittelständische Unternehmen mit dem Thema Electronic Recruiting - übersetzt digitale Personalbeschaffung - auseinandersetzen. Die junge Generation entnimmt ihre Informationen heute nicht mehr einer gedruckten Tageszeitung, erst recht keine Stellenanzeigen! Vielmehr sind sie auf sozialen Medienplattformen aktiv und müssen dort auf ausgeschriebene Stellen der Unternehmen aufmerksam gemacht werden. Für junge Menschen ist das Ausfüllen von Online-Bewerbungsformularen vertrauter und einfacher als das Schreiben einer schriftlichen Bewerbung. Dies mag man kritisieren, ist aber in einer Zeit, in der sich Arbeitnehmer den Job aussuchen können, so hinzunehmen.

Bei der Bezahlung zum Halten der Mitarbeiter ist in den vergangenen Jahren in der Branche auch einiges passiert. Je nach Region variierend wird heute deutlich mehr an Lohn gezahlt, als in den vor einigen Jahren durchgeführten Tarifverhandlungen vereinbart wurde.  Dies liegt darin begründet, dass die Lohnunternehmer und Landhändler gezwungen sind, erhöhte Löhne zu zahlen. Andernfalls verlieren sie Ihre Mitarbeiter an die Konkurrenz, landwirtschaftliche Betriebe oder Industrieunternehmen. Ferner sind staatlich vorgeschriebene Mindestlöhne ein Problem.

Wenn ungelernte Mitarbeiter ohne Ausbildung und Führerschein ab Oktober zwölf Euro pro Stunde erhalten sollen, was muss dann ein gut ausgebildeter und zuverlässiger Facharbeiter erhalten, um ein gerechtes Lohngefälle innerhalb des Betriebes aufrechtzuerhalten? Ist dann eine Wirtschaftlichkeit der Arbeiten noch gegeben oder müssen die Preise für Dienstleitungen lohnbedingt ebenfalls stark angehoben werden?

Unternehmer werden keine andere Wahl haben, als sich dem angespannten Stellenmarkt anzupassen. Dies kann erfolgen, indem in größere Technik investiert wird, um mit wenigen Mitarbeitern eine höhere Flächenleistung zu erzielen. Neben der Lohnanpassung ist auch das Eingehen auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter in Bezug auf Arbeitszeiten oder technische Ausstattung wichtig, die zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt wird. Eine Möglichkeit, Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, ist ferner das ehrliche Bekunden der Wertschätzung ihrer Arbeit.  

Mit einem ungewissen Blick auf den kommenden Winter und die Zeit danach mit dem eventuellen Wegfall des billigen und sicheren Bezugs von Erdgas aus Russland kann das derzeit hohe Lohnniveau schnell wieder sinken, wenn auf dem Arbeitsmarkt mehr Arbeitnehmer nach offenen Stellen suchen, als Arbeitsplätze vorhanden sind.