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Der Weg in das postantibiotische Zeitalter

Mehr 50 Tierärztinnen und Tierärzte von spezialisierten Rinderpraxen aus Deutschland und Österreich trafen sich vom 9. -11. Juni 2022 beim Cattle Camp, einer Tierärztefortbildung des Fachmagazins MilchPraxisVet. Die Leitfrage der diesjährigen Tagung war „Milchviehhaltung 2030 – sind wir bereit?“. Zusammen mit den engagierten Referenten, in Workshops und Vorträgen sowie beim gemeinschaftlichen Essen und Zusammensitzen während der drei intensiven Tage diskutierten alle Teilnehmenden diese Frage, tauschten Wissen aus, um dann am Ende der Tagung mit neuem fachlichem Input und einem größeren Netzwerk zurück in den tierärztlichen Alltag zurückzukehren.

Tagungsort waren die Landwirtschaftlichen Lehranstalten der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Im lauschigen Triesdorf in Bayern konnten die Teilnehmenden nicht nur das Gästehaus, die Mensa sowie die Seminarräume nutzen. Mindestens ebenso wichtig war die Fleckviehherde mit ihren Stallungen, wo die Lehranstalt viele innovative Ansätze in den Bereichen Fütterung, Haltung und Management demonstriert. Hier fanden auch die vielen praktischen Übungen statt, wofür diese Tierarztfortbildung sehr geschätzt wird.  

Praxis und Diskussion auf Augenhöhe

Schon am Donnerstag - der Preconference - trafen 40 Teilnehmende ein, um sich einen Tag lang intensiv in einer der vier angebotenen Kleingruppen einem bestimmten Thema zu widmen. Der Gruppe um Professor Dr. Kobler, Universität Wien, standen über 70 Totklauen zur Verfügung, um Anatomie und Chirurgie der Rinderklaue ausführlich zu praktizieren. Der Workshop Praxismanagement fand hybrid statt, um auch Interessierten zu Hause die Teilnahme zu ermöglichen. Hier realisierten die Tierärzte komprimiert, wie viele Herausforderungen sie in puncto Arbeitnehmerrechte, Kundenzufriedenheit, Bestandsbetreuung und Wirtschaftlichkeit zu stemmen haben, aber wieviel Unterstützung sie auch durch digitale Lösungen, Berufsvertretungen und Kollegen haben können. Hilfreich neben dem Input der Referenten war in dem Zusammenhang auch der kollegiale, offene Austausch unter den Kollegen.

Kälbersterblichkeit nach wie vor zu hoch

Der Workshop Kälbergesundheit rückte die immer noch hohe Zahl von rund 10 bis 15 Prozent Kälberverlusten in den ersten Lebenswochen in den Mittelpunkt.

Eine perfekte Kolostrumversorgung, die ad-libitum Tränke und eine möglichst stressfreie Aufzucht können diese Zahl deutlich reduzieren, müssen aber von den Betrieben auch umgesetzt werden. Die Rolle des Tierarztes kann hierbei sein, die Schwächen in den Bereichen zu identifizieren und mit einfachen Managementtricks wie zum Beispiel der Qualitätsbestimmung von Kolostrum den Betrieb zu unterstützen. Der 4. Workshop widmete sich der Fütterung. Referent Dr. Neumayer legte viel Wert auf Praxis und schulte die Teilnehmenden am Futtertisch im Kotsieben und in der Trockenmassebestimmung.

Klauengesundheit im Fokus

Zur Hauptkonferenz stießen am Freitag und Samstag weitere Teilnehmende, Referenten und Austeller hinzu und füllten den großen Saal in der Alten Reithalle in Triesdorf. Auch diese zwei Tage waren durch einen Wechsel von Vorträgen und Workshops in den Stallungen sehr lebendig gestaltet. Mehrere Beiträge widmeten sich der Klauengesundheit des Rindes, die sich leider in den letzten Jahrzehnten in deutschen Herden zunehmend verschlechtert hat. Rund 11 Prozent der deutschen Milchkühe gehen lahm.

Antworten dazu findet zum Beispiel die Tierarztpraxis Tepferd aus dem Münsterland, die mit einer Kooperation aus einer lokalen Klauenpflegefirma die Klauenpflege verbessert und sie Hand in Hand gehen lässt mit einer tierärztlichen Versorgung, wenn diese benötigt wird.

Eva Zeiler, Tierärztin und Agraringenieurin an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, fand mit dem Kompostierungsstall unter anderem auch für die Klauenproblematik eine Antwort.

Heilung mit Antibiotika lässt nach

Prof. Volker Krömker präsentierte überzeugend seine Gedanken zur Mastitistherapie und Sanierung. Laut Krömker befinden wir uns auf dem Weg in das postantibiotische Zeitalter. Studien zeigen auf, dass bei einigen Erregern das Antibiotikum nur gering zur Heilung beiträgt und auch die Heilungsdauer nur geringgradig verkürzt wird. Wichtig ist demnach, die Neuinfektionsrate im Gesamten zu reduzieren. Dies kann durch eine gute Melk- und Boxenhygiene geschehen. Schlüsselfaktor für eine eutergesunde Herde ist das rechtzeitige Selektieren chronisch infizierter Tiere, da die einen bedeutenden Störfaktor für die Eutergesundheit der gesamten Herde darstellen.

Bei dem schon traditionellen Spanferkelessen am Freitagabend fanden alle Gruppen wieder zusammen und diskutierten mit den Referenten und Ausstellern. Ein Cattle Camp im wahrsten Sinne des Wortes – das verbindende Element ist auf dieser Fortbildung das Rind, und so war auch der Austausch mit den Agrarwissenschaftlern wieder besonders fruchtbar.