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Düngen mit dem Güllesensor

Überdüngung ist oft die Folge von zu viel Gülle am falschen Ort. Es gibt längst technische Hilfsmittel, die das verhindern könnten. Dies ist aber auch eine Frage der Kosten, der Organisation und der Möglichkeit von Landwirten zur Kooperation. Ein von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) gefördertes Praxisprojekt in vier Bundesländern soll nun in den kommenden drei Jahren herausfinden, woran es hakt und was man besser machen kann. In Sachsen-Anhalt ist Florian Schiller vom Internationalen DLG-Pflanzenbauzentrum in Bernburg dabei.

Herr Schiller, der Einsatz von Gülle auf dem Feld bedeutete in der Vergangenheit oft „Entsorgung“. Die DLG startet jetzt zusammen mit anderen Partnern ein Vorhaben, das Gülle als Dünger in Ackerbaubetrieben attraktiver machen könnte. Was steckt dahinter?

Florian Schiller: Wenn es noch einer aktuellen Begründung für unser Vorhaben bedarf, dann ist es der extrem hohe Preis für Mineraldünger, unter dem viele landwirtschaftliche Betriebe leiden. Unabhängig davon ist es keine neue Idee, Gülle aus viehhaltenden Betrieben in weitaus größerem Umfang als bisher in Ackerbaubetrieben einzusetzen, um die regionalen Nährstoffüberschüsse in Gebieten mit hoher Viehhaltungsdichte zu vermindern und so eine erhöhte Nutzungseffizienz der Nährstoffe zu ermöglichen.

Woran ist diese denn bisher gescheitert? Woran liegt es, dass selbst Betriebe mit viel Gülle doch noch Mineraldünger einsetzen und so zum Stickstoff-Überschuss beitragen?

Schiller: Ein zentraler Grund dafür ist neben der zum Teil schwer kalkulierbaren zeitlichen Verfügbarkeit von Nährstoffen aus Wirtschaftsdüngern die große Streuung der tatsächlichen Nährstoffgehalte. Selbst wenn die Gülle zum Homogenisieren vorher aufgerührt wird, vergeht eine gewisse Zeit bis zur kompletten Ausbringung. In dieser Zeit kann es dazu kommen, dass wieder eine Entmischung stattfindet. Damit entstehen natürlich Unsicherheiten bei der Düngeplanung und -ausbringung.

Was lässt sich dagegen tun?

Schiller: Mit einer Echtzeit-Analyse durch reflexionsoptische Systeme haben wir schon eine technische Lösung zur Verfügung. Wir reden von Nahinfrarot-Reflexions Spektroskopie, abgekürzt NIRS. Der große Vorteil dieser Messmethode liegt in der einfachen und kontinuierlichen Erfassung der Inhaltsstoffe und ihrer Konzentrationen erst während der Befüllung der Tankfahrzeuge bzw. der Ausbringung der Gülle. So lassen sich Schwankungen erfassen und eine bedarfsgerechte Bestandsdüngung erleichtern. Zusätzlich ist durch die digitale Erfassung der Inhaltsstoffe eine deutliche Verringerung des Dokumentationsaufwands möglich.

Was wollen Sie in Ihrem NIRS-Projekt erreichen?

Schiller: Das NIRS-Verfahren hat sich bisher nur vereinzelt durchgesetzt. Denn die Akzeptanz in der Landwirtschaft hängt sehr von Praktikabilität, Machbarkeit, Funktionssicherheit und vor allem einer ökonomischen Grundlage ab. Vielen Landwirten ist die Technik schlicht zu teuer, aber ihr Nutzen kann regional natürlich sehr unterschiedlich sein. Mit unserem Projekt gehen wir daher zunächst in Praxisbetriebe von vier Bundesländern mit unterschiedlicher Agrarstruktur: nach Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Rheinland Pfalz und Sachsen-Anhalt. Wir werden den Betrieben die Technik beschaffen und dann eine Fülle von Daten erfassen und auswerten. Es wird eine intensive Öffentlichkeitsarbeit etwa durch Vorführungen, Erklärfilme oder Broschüren geben. Zum Schluss wird die Gesamtkoordination die Erfahrungen der einzelnen Praxisbeispiele in den Modellregionen systematisieren und die ökonomische Sinnhaftigkeit der Investitionen an den Ergebnissen bewerten.

Wie ist denn die Situation konkret bei Ihnen in Sachsen-Anhalt?

Schiller: Im Norden und Osten finden wir ausgeprägte Bodenunterschiede, viel Tierhaltung und Futterbau etwa in Form von Mais. In den anderen Landesteilen sind die Böden homogener, und der Schwerpunkt liegt auf den Marktfrüchten wie Getreide und Zuckerrüben. Neben der Optimierung der organischen Düngung im eigenen Betrieb aufgrund der Bodenunterschiede besteht hier eine einmalige Chance: den Marktfruchtbetrieben über Gülle Nährstoffe zu liefern, die sie als Mineraldünger bisher teuer zukaufen. Und gleichzeitig Viehbetriebe vom Gülleüberschuss zu entlasten. Wer Gülle zukauft, muss aber die aktuellen Nährstoffgehalte exakt kennen. Genau dazu braucht es den NIR-Sensor.

Die Fragen stellte Thomas Preuße (DLG)