Zum Hauptinhalt springen

Wie steht`s mit der Liquidität?

Andreas Lieke rät: Nach der Ernte im Blick behalten!

Die Hoffnung auf eine erfolgreiche Ernte war groß: Gute Aussaatbedingungen und ein guter Vegetationsbeginn, reichlich Niederschläge in der Hauptvegetation sowie bullische Agrarrohstoffmärkte haben in weiten Teilen Deutschlands die Hoffnung auf eine gute bis sehr gute Ernte 2021 und damit ein gutes Wirtschaftsjahr 2021/22 wachsen lassen.  Aber bereits nach dem Abschluss der Gerstenernte mit geringen Hektolitergewichten und mäßigen Erträgen wurden die Prognosen auch für Weizen, Roggen und Raps nach unten korrigiert. Dies hat Einfluss auf die finanzielle Ausstattung des Betriebes.

Unterm Strich erwarten wir für die von uns beratenen Betriebe einen Ertrag im Mittel der letzten fünf Jahre, von denen allerdings zwei bis drei Jahre von ausgeprägter Trockenheit gekennzeichnet waren. In vielen Betrieben wurden bereits im Frühjahr verhältnismäßig hohe Anteile der Ernte vorvermarktet, um das Preisniveau für den Betrieb zu sichern. Bei ebenso gestiegenen Düngerpreisen wird das kommende Wirtschaftsjahr 2021/22 voraussichtlich kein ganz großer Wurf für die Betriebe werden. Vor allem Betriebe mit angespannter Liquidität und/oder einer hohen Auslastung der Kapitaldienstgrenzen haben auffällig oft von einem gewissen Befreiungsschlag durch die Ernte 2021 gesprochen. Nach dem Abschluss der Ernte lohnt es sich, Bilanz zu ziehen und die Leistungsseite für das Wirtschaftsjahr hochzurechnen.

Abhängig von der betrieblichen Situation ist eine überschlägige Liquiditätsplanung zu erstellen. Bei guter Liquidität und geringen Änderungen im Produktionsablauf reicht womöglich ein Vergleich der erwarteten Leistung mit denen der Vorjahre, zusätzlich sollte Sie in diesem Jahr die deutlich gestiegenen Düngerkosten berücksichtigen. Bei anstehenden Veränderungen, Investitionen, knapper Liquidität und hohen Kapitaldiensten gibt erst ein vollständig vorgenommener Voranschlag mit Liquiditätsplanung die erforderliche Sicherheit, um die Finanzsituation im kommenden Wirtschaftsjahr zu bewerten und die gegebenenfalls notwenigen Liquiditätslücken rechtzeitig aufzuzeigen.

Wichtige Eckpunkte aus Sicht der Beratung:

  • Die bereits angefertigte Liquiditätsplanung für das WJ muss nach der Ernte angepasst werden, um mit reellen Ertragszahlen die Auswirkungen auf die (unterjährige) Liquiditätsentwicklung zu bewerten.
     
  • Oberstes Ziel muss es sein, dass das Unternehmen weiterhin zahlungsfähig bleibt, um alle Zahlungen wie zum Beispiel Kapitaldienst, Löhne und Steuern fristgerecht leisten zu können.
     
  • Mögliche Lücken/Löcher in der Liquidität sind zu identifizieren und Maßnahmen zur Liquiditätssicherung zu formulieren:
    • Anpassung der Vermarktungsstrategie,
    • Vereinbarung von Abschlagszahlungen,
    • Anpassung der Düngervorkaufstrategie, 
    • Vereinbarung von Zahlungszielen mit Lieferanten.
       
  • Neben der Beurteilung unterjähriger Liquidität im operativen Geschäft steht vor allem die Frage des Gesamtsaldos an Auszahlungen und Einzahlungen inklusive Investitionen, Entnahmen, Einlagen und Tilgungen. Sollte hier ein negativer Saldo erwartet werden, ist zu prüfen, welche Maßnahmen geeignet sind gegenzusteuern:
    • So leistet zum Beispiel die Finanzierung von Investitionen einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Liquidität. Gleichzeitig werden durch diese Finanzierung mögliche Spielräume für Folgejahre reduziert. Gerade „günstige“ Maschinenfinanzierungen müssen häufig schnell zurückgeführt werden, was die Liquidität auch weiterhin belasten wird.
    • Der Verzicht auf die Durchführung von Investitionen bürgt das Risiko von Standzeiten, hohen Reparaturkosten oder der Verschiebung von rentabler Betriebsentwicklung.

Sollten Sie bei der (überschlägigen) Liquiditätsplanung für das laufende Jahr unterjährige Lücken erkennen, welche sich aber noch durch die Verschiebung von Zahlungszeitpunkten schließen lassen, sollten Sie den Winter und das aktuell günstige Zinsumfeld nutzen, um den Zahlungsmittelbestand in Ihrem Unternehmen zu erhöhen. Durch Finanzierungsmaßnahmen lassen sich in der Regel Zinsen und Stress einsparen.

Für den Fall, dass Sie bei der (überschlägigen) Liquiditätsplanung größere negative Jahressalden erwarten, ist es ratsam, bereits jetzt zu beginnen, gemeinsam mit Ihrer Bank und Ihren Beratern nach Maßnahmen zu suchen, die Liquidität und deren Entwicklung zu optimieren. Hierbei gilt: Je früher Sie aktiv werden, desto mehr und bessere Möglichkeiten gibt es.

Beim Thema Liquidität wird zunächst reflexartig immer an die Erhaltung der Zahlungsfähigkeit gedacht, das Thema hat aber noch eine Dimension, die in der Diskussion manchmal zu kurz kommt. Die Aufgabe von Liquiditätsmanagement ist neben der Sicherung und Gestaltung von Zahlungsströmen auch die Anlage von kleineren und größeren Überschüssen. Die Anlage von Überschüssen stellt heute für Unternehmer und Unternehmen auch eine Herausforderung dar. Die Renditen vieler Anlageklassen sind in Folge der Niedrigzinspolitik risikobereinigt bei kurz- und mittelfristigem Anlagehorizont nahe Null. In der landwirtschaftlichen Praxis bedeutet zum Beispiel die Verwendung heutiger Überschüsse zum Erwerb eines Mähdreschers, dass kein Kapitaldienst von rund 50,- Euro/ha für einen Zeitraum von bis zu acht Jahren anfällt und spürbare freie Cash-Flows entstehen.  

Längerfristige Kapitalanlagen (zum Beispiel auch in den eigenen Betrieb) erwirtschaften in der Regel noch geringe Renditen, da solche Investitionen die Mittel aber langfristig binden, ist vorher zu prüfen, ob die Mittel nicht später doch im Unternehmen oder der Unternehmerfamilie (Ausbildung, Scheidung, Altenteil, Abfindung) benötigt werden.

Zunehmende Wetterextreme, die künftige GAP, Flächenkostensteigerungen sowie von Gesellschaft und Politik formulierte Maßnahmen zum Arten- und Klimaschutz werden die Rentabilität im Ackerbau zukünftig belasten. Sinkende Rentabilität wird sich direkt auf die Liquidität auswirken, folglich ist neben der Finanzplanung auch die strategische Planung von Geschäftsfeldern und Produktionsroutinen ein wichtiger Baustein in der zukunftsgerichteten Unternehmensführung. Aufgabe des Liquiditätsmanagements ist also nicht nur die Erhaltung der Zahlungsfähigkeit im Jetzt, sondern auch die Gestaltung freier Cash-Flows in der Zukunft.

Eine Steuerung des Unternehmens nach Liquidität (Kontostand) verursacht in der Regel hohe Finanzierungskosten und erfordert eine hohe Managementattention. Gehen Sie die möglichen Herausforderungen an, bevor diese zu Problemen werden.