Wenn der Weizen sehenden Auges verhungert
abei fing das Jahr so gut an. Wie schon oft bemerkt, schienen die Niederschläge im Winter die Aussicht auf ein „normales“ Jahr zu stärken. Aber was eben noch Segen war, wurde schnell zu Fluch. Mit der Nässe litt die Befahrbarkeit der Böden. Vor allem der organische Dünger konnte nur vergleichsweise spät ausgebracht werden. Aber auch wer mineralisch andüngte und dabei auf Grund eigentlich ausreichender Bodenvorräte zurückhaltend war, lief in eine Sackgasse.
Nach der Nässe kam die Trockenheit. Der Dünger, der jetzt auf die Flächen kam, wurde nicht mehr in den Boden eingewaschen und lag wie „Pöckelsalz“ auf der Oberfläche. Dennoch ließen Wasser und Temperaturen die Pflanzen ordentlich an Biomasse zunehmen. Eigentlich die Zeit, in der die Hauptmenge an Stickstoff aufgenommen wird. Diesmal lag er aber schlicht untätig daneben.
Am IPZ der DLG ist es nicht anders. Im großflächigen Systemvergleich Fruchtfolge stehen Weizenparzellen aus fünf verschiedenen Fruchtfolgen nebeneinander. Das gleiche Bild – oder gar noch schlimmer, sieht man doch auf kleinstem Raum noch die Unterschiede zwischen den Varianten. So leidet der anfangs vielversprechende, früh gesäte Weizen deutlich stärker, als der Weizen nach Körnermais und Zuckerrübe.
Die früh gesäten Varianten entwickelten sich im Herbst und im milden Winter über Gebühr. Im Frühjahr zeigten sich dadurch Bestände, die in eine Luxusfalle tappten: viel Biomasse und Ährenansätze verlangen nach hoher Nährstoffversorgung, die nun aber ausblieb. Folglich wachsen gerade diese Bestände eher rückwärts. Starke Konkurrenz um Nährstoffe und Wasser zwischen den Einzelpflanzen, massive Reduktion von Seitentrieben und starke Unterversorgung der photosynthetisch aktiven Biomasse. Auf Bildern erkennt man insbesondere den erwähnten Konkurrenzdruck. An den Rändern und Fahrgassen, wo die Pflanzendichte entsprechend geringer ist, zeigen die Einzelpflanzen noch Wüchsigkeit. Im Bestand genau das Gegenteil. So entstehen keine Spitzenerträge!
So mancher Landwirt reagiert bereits vor Wochen mit AHL als Flüssigdünger. Wehe dem, der die Konzentration zu hoch schraubte oder die folgende Witterung nicht im Blick hatte. Solche Flächen waren schnell auszumachen: Die Bestände waren teils sehr stark angeschlagen, mit Verätzungsschäden bis in tiefere Blattetagen.
Einige Regionen erhielten in den vergangenen zwei Wochen doch noch so manchen Liter Niederschlag. Vielleicht hilft dieser wenigstens, die verbliebenen Ähren einigermaßen zu füllen und auf hohe Tausendkorngewichte zu kommen.
Die Unwägbarkeiten in diesem Frühjahr lassen uns zweierlei Erkenntnis mitnehmen:
- Üppige Bestände im Herbst müssen in Schach gehalten werden. Eventuell können Saattermine – auch aus Sicht des Pflanzenschutzes – weiter nach hinten rutschen. Überwachsen muss hinsichtlich unvorhersagbaren Frühjahrs unbedingt vermieden werden.
- Auch wenn die erste Düngung mit der wertvollen Gülle geplant war, ist nicht zu raten, zu lange zu warten. Sollte die organische Düngung auf Grund von Witterungs- und Bodenverhältnissen zu weit nach hinten rutschen, ist es ratsam mit mineralischem Dünger vorzulegen, um genau die diesjährigen Effekte zu umgehen. Mittlerweile sind Schlitzen und Injizieren von Gülle und Gärresten technisch soweit gediehen, dass die organischen Dünger auch noch später in die Bestände eingebracht und effizient genutzt werden können.