Fahrplan zur Langlebigkeit
Mehrjährige Getreidesorten erfordern eine weniger intensive Landwirtschaft und sind somit prinzipiell nachhaltiger: Das Pflügen ist allenfalls vor der Aussaat nötig, aber nicht mehr in den Folgejahren. Das schont das Bodengefüge und nützliche Bodenbewohner wie Regenwürmer. Erosionsprozesse, die vielerorts die Bodenfruchtbarkeit bedrohen, können zudem verlangsamt werden. Die Pflanzen haben auch mehr Zeit, ein umfangreiches und leistungsstarkes Wurzelsystem auszubilden und so in Trockenzeiten besser zurechtzukommen.
Vom wilden Gras zum domestizierten Getreide
Aktuell gibt es jedoch noch keine mehrjährigen Getreidesorten, die sich für den landwirtschaftlichen Anbau eignen. Die Züchtung solcher Sorten wäre damit ein notwendiger nächster Schritt. Dafür könnte man entweder vorhandene Kultursorten mit mehrjährigen Wildarten kreuzen oder aus einer mehrjährigen Wildart ein neue Kulturpflanze formen. Einen geeigneten Kandidaten haben die Wissenschaftler bereits gefunden: Die Graugrüne Quecke - eine wilde Verwandte des Weizens, die schon seit 1988 im Fokus der Forschung steht. Bisher liefert diese Pflanze trotz einiger Züchtungsanstrengungen nur etwa 20 Prozent des Ertrages von Weichweizen.
Genome Editing und die Crux mit den vielen Chromosomensätzen
Etablierte Kulturgetreide wie Weizen haben eine weit mehr als tausendjährige Züchtungsgeschichte hinter sich. Zufällige Mutationen bei Einzelpflanzen haben die Anbaueigenschaften verbessert. Die Menschen haben sie gezielt für die weitere Saatgutproduktion ausgewählt (Auslese- oder Selektionszüchtung). Um die Quecke im Schnellverfahren mit den notwendigen Kulturpflanzeneigenschaften auszustatten, schlägt ein internationales Forschungsteam vor, dazu die neuen molekulargenetischen Züchtungsmethoden wie Genome Editing einzusetzen.
Um hierbei gezielt vorgehen zu können, identifizierten die Forscher in ihrer Studie zunächst Schlüsselgene bei der Quecke, die mit wichtigen Kulturpflanzeneigenschaften in Verbindung stehen könnten: Dazu gehören Gene zur Steuerung der Samenreifung, der Stabilität der Ähre und der Samengröße. Diese Gene verglichen sie mit den entsprechenden Genen domestizierter Getreidearten wie Weizen, Gerste und Reis.
Genetische Detektivarbeit
Die Forscher stießen bei ihren Vergleichsanalysen auf GARS7 und GW2 – Gene, die beim Weizen die Korngröße bestimmen und ähnliche Gene auch bei der Quecke vorhanden sind. Bei Versuchen mit Weizen führen loss-of-function-Mutationen in diesen Bereichen zu größeren Körnern und damit höherem Ertrag. Daher gehen die Forscher davon aus, dass Knock-Out-Mutationen auch bei der Graugrünen Quecke einen ähnlichen Effekt haben könnten.
Ausblick
Moderne Genomeditierung könnte das richtige Werkzeug sein, um hier züchterisch weiter voranzukommen. Beispielsweise durch Multiplex-Editierung zur gleichzeitigen Ausschaltung von ganzen Allelfamilien im polyploiden Genom der Quecke oder zur Angleichung der Sequenzen einzelner Queckengene an die des Weizengenoms. Bis es ertragreiche, mehrjährige Getreidearten geben wird, wird aber noch einige Zeit ins Land gehen.
Dies ist ein Auszug aus einem Beitrag auf der Plattform pflanzenforschung.de. Weitere Informationen unter mehrjährige Getreide