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Getreidehandel: Da ist Musik drin!

Guido Seedler zu den chinesischen Getreideimporten auf dem Weltmarkt

Glücklich ist, wer seinen Weizen noch nicht verkauft hat. Auf diese Idee könnte man derzeit kommen, denn allerorts zeigt sich, dass die Märkte knapper versorgt sind als lange Zeit angenommen. Die Nachfrage aus China ebbt nicht ab und beflügelt die Notierungen. Unter den wichtigen Weizenimporteuren dieser Welt könnte China in diesem Jahr einen enormen Satz nach vorne auf Platz drei machen, beim Mais und Soja sind die stark gestiegenen chinesischen Schweinebestände der Preistreiber. Im Handel mit China ist gegenwärtig Musik drin.

Viele Akteure blicken derzeit gespannt auf den großen Hunger des chinesischen Marktes. Auch der europäische Exportmotor ist davon erfasst worden, die Notierungen steigen hier ebenfalls und erreichen seit Langem nicht mehr gekannte Höhen. Schade nur, dass Deutschland derzeit noch nicht den chinesischen Markt mit Gerste und Weizen beliefern kann. Hier fehlt es nach wie vor an einer phytosanitären Vereinbarung. Die Verhandlungen sind unlängst einen wichtigen Schritt weitergekommen, stocken aber wegen der Corona-Pandemie.

Doch wird der chinesische Nachfragesog Bestand haben? Werden die Notierungen weiter steigen? Klar ist, dass jeder Marktakteur den besten Preis erzielen will. Doch wann wird das sein? Ist der Höhepunkt schon erreicht? Es wäre prima, dies verlässlich voraussagen zu können, doch jede Prognose ist mit Unsicherheiten verbunden, das war schon immer so und wird auch so bleiben. Also was tun? Ein Blick auf die Fundamentaldaten hilft weiter. Und hier können wir derzeit von einer relativ gut ausbalancierten Versorgungsbilanz ausgehen. Das weltweite Angebot und die Nachfrage von Getreide sind nahezu identisch. Beim Weizen erwarten wir ein leichtes Plus, beim Mais ein leichtes Minus.

Doch dürfen wir eines nicht vergessen: Wir reden nur über Zahlen. Sie sagen nichts darüber aus, ob die richtigen Mengen zur richtigen Zeit in der richtigen Qualität am richtigen Ort sein werden. Und hier geht es schon los. Die rechnerisch relativ gut ausbalancierte Getreide-Versorgungsbilanz mit auskömmlichen Endbeständen verkennt, dass große Mengen gar nicht dem Markt zur Verfügung stehen, sondern irgendwo fest in Lägern als Krisenvorsorge oder aus politischen Gründen wie in China gebunden sind.

Handel mit Gütern bedeutet, dass Mengen bewegt werden müssen. Corona hat gezeigt, wie fragil die Abläufe sind. Werden stets ausreichend Frachtkapazitäten zur Verfügung stehen? In Deutschland schreibt die Muster-Quarantäne-Verordnung vor, dass sich Schiffsbesatzungen, die in Risikogebiete liefern, nach ihrer Rückkehr in Quarantäne begeben müssen. Andere Länder regeln Ähnliches.

Und schließlich: Fließt zu viel Ware in den Export, steigt der Inlandspreis und die inländische Versorgung könnte schwieriger werden. Irgendwann werden die nationalen Regierungen eingreifen und gegensteuern. In Russland hat die Diskussion über Exporteinschränkungen bereits begonnen. All das lässt Raum für weitere Preisfantasien.

Aber: Die Vermarktung ist immer eine originäre Aufgabe der Landwirte und ihrer genossenschaftlichen Partner und sie ist auch immer mit Risiken verbunden. Wichtig ist, dass dabei nicht nur der aktuelle Marktpreis ins Vermarktungskalkül gezogen wird, sondern auch immer die Produktionskosten. Nur wer seine Kosten kennt, weiß, ab wann sich eine Vermarktung lohnt. Preise wachsen zudem leider nicht nur in den Himmel, sie kennen nicht nur eine Richtung. Dieses Wissen sollte in der Praxis dazu führen, Risiken zu streuen und nicht alles auf eine Karte zu setzen. Es ist wie mit der Musik, sie kann bereichernd sein, ist sie allerdings zu laut, kann sie auch taub machen. Dann kann man leicht die Töne überhören, die zur Vorsicht mahnen.