Der Kunde ist König, der Einkäufer ist Kaiser
Er stammt aus Oberhausen, hat im Münsterland seine Lehre gemacht und in Kassel-Witzenhausen Agrarwissenschaften studiert: Martin Hofstetter, „Political Adviser Landwirtschaft“ bei Greenpeace Deutschland, war ein interessanter und interessierter Gesprächspartner für die Mitglieder des DLG-Ausschusses Schwein. Aber auch für Martin Hofstetter war und ist der Austausch mit Landwirten wichtig, um etwas zu bewegen. Daher ist er gerne der Einladung zum Gespräch gefolgt.
Das wirkungsvollste Instrument für Nichtregierungs-Organisationen (NGOs) ist – das erfuhren die Praktiker sehr schnell – das Kampagnenmanagement. Dies sei umso effizienter, umso mehr man sich auf den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) fokussiert. Als Beispiel nannte Hofstetter eine Kampagne vor zwei Jahren, welche letztlich zur Einführung des Haltungskompasses durch den LEH führte.
Greenpeace e.V., der sich ausschließlich über Spenden finanziert, nutzt in seiner Kampagne, wie viele andere NGOs auch, die Bildersprache und spricht damit sofort die emotionale Ebene der Verbraucher an. So werden jährlich etwa 500.000 Förderer in Deutschland gewonnen, die den Verein unterstützen.
Durch diese Unterstützung kann Greenpeace auch umfangreiche Auftragsstudien vergeben. Aktuell hat man eine Studie zum Thema Landwirtschaft 2050 mit dem Fokus auf die Tierhaltung in Auftrag gegeben, die zur Grünen Woche 2020 veröffentlicht werden soll.
Hofstetter sieht vor allem in der Schweinehaltung den größten Anpassungsbedarf und hofft, dass die Studie den Umdenkungsprozess weiter fördert und Wege aus der vermeintlichen Sackgasse aufzeigt.
Konkret gehe es in der Studie um die Frage der Finanzierung des Umbaus der Schweinehaltung in Deutschland. Dazu wurde die Umsetzbarkeit von fünf Varianten bewertet, die bereits im Gutachten des wissenschaftlichen Beirats als Finanzierungsmöglichkeiten genannt wurden. Denn darin besteht Konsens: Neben dem Willen, etwas verändern zu wollen, benötigt die Branche Geld, um Veränderungen langfristig und nachhaltig umsetzen zu können.
Für Hofstetter gibt es aktuell mehrere Szenarien, wie die Schweinehaltung der Zukunft aussehen könnte. Das für ihn wahrscheinlichste Szenario ist eine Aufteilung des Marktes in eine Qualitäts-/Hochpreisschiene und in eine Normalpreisschiene, allerdings mit höheren Standards als heute. Dem Strukturwandel würden weitere Betriebe zum Opfer fallen, so dass in zehn bis fünfzehn Jahren letztlich noch 50 Prozent der Betriebe übrig bleiben.
Ein weiteres Szenario ist durch den Klimawandel geprägt, der aufgrund von Ernteausfällen zu schrumpfenden Vorräten und stark steigenden Preisen führt. Dabei wird Rind- und Schweinefleisch aufgrund der schlechteren Ökobilanz verstärkt durch Geflügelfleisch ersetzt.
Am Ende der Gesprächsrunde zwischen Praxis und NGO konnte man zwar bei einigen Themen noch einen Dissens feststellen, es gab aber durchaus auch Konsens wie zum Beispiel die vorherrschende Meinung, dass eine technologiegetriebene Diskussion und Innovationen die weitere Entwicklung mehr oder weniger stark beeinflussen werden.
Die Teilnehmer traten die Heimreise nicht ohne einen Besuch beim „Foodstylisten“ Hendrik Haase in dessen gläsernen Fleischmanufaktur „Kumpel & Keule“ in der Markthalle 9 an. Angeregt wurde vor der Wursttheke unter anderem über das sich verändernde Ernährungs- und Einkaufsverhalten, die Chancen von Kommunikation und Digitalisierung oder den sich rasant ausbreitenden Onlinehandel diskutiert.
Sehr interessiert verfolgt Hendrik Haase auch die Entwicklungen im Bereich „Novel Food“ und „Cultured Meat“ und verwies auf die Studie „Neue Fleischalternativen“ von AT Kearny. Er ist davon überzeugt, dass – befeuert durch die enorme Unterstützung für Startups aus diesem Bereich – dieser Trend die Agrar- und Lebensmittelindustrie durcheinanderwirbeln wird.
Für Haase ist dies ein weiterer Grund, auf Qualität und Genuss zu setzen. Denn ein gutes Stück Fleisch wird auch in 30 Jahren noch nachgefragt sein. Die geplante Erweiterung seiner Metzgerei in der Markthalle 9 ist ein Beleg dafür.