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“Fast alles wird über das Internet abgewickelt”

Tero Mikkola hat Anfang der 90er Jahre Landwirtschaft in Finnland studiert. Damals hat er mehrere Male in Deutschland ein Praktikum gemacht und als Erntehelfer gearbeitet. Mikkola führt den familieneigenen Ackerbaubetrieb zusammen mit seiner Frau und drei Söhnen. Der Betrieb bewirtschaftet rund 300 ha mit Getreide-, Raps-, Grassamen- und Kümmelanbau. Der Schwerpunkt liegt bei Grassamen und Kümmel.

Neben der Landwirtschaft betreibt Mikkola fünf Hackschnitzelanlagen mit einer Kapazität von insgesamt 8 MW. Drei der Anlagen gehören ihm selbst und bei den beiden anderen ist er der Betreiber. Da die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft immer enger wird, hat er sich verstärkt auf den Wärmemarkt konzentriert.


Sie haben Anfang der 90er Jahre Agrar studiert. Welche Unterschiede/Herausforderungen sehen Sie in Bezug auf die heutige Landwirtschaft?     
 
   
Tero Mikkola: Der Strukturwandel ist sehr schnell vorangeschritten. Vor der EU-Mitgliedschaft (in 1995) gab es in Finnland kaum Ackerbaubetriebe, die über 100 ha groß waren. Heutzutage haben aktive Betriebe kaum weniger als 100 ha Ackerland. Aber auch 400 bis 500 ha sind keine Seltenheit. Das Wachstum ist meistens durch Zupachtung erfolgt.

Die Landwirtschaft ist jetzt im Großen und Ganzen viel “businessmäßiger” als vor 25 Jahren. Damals hat mein Vater noch sein Getreide an die Genossenschaft verkauft und Saatgut und Dünger davon gekauft. Jetzt wird viel mehr gehandelt und die Kontakte ins Ausland sind wichtiger geworden.

Dass die wirtschaftliche Lage über die Jahre immer schwieriger wurde, sieht man auch daran, dass immer mehr Felder entweder extensiv oder als Dauerbrache bewirtschaftet werden. Darunter fällt auch ein Teil Bioland-Flächen.

In Finnland waren in den 50er Jahren fast 50 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, heute sind es nur noch 8 Prozent. Was sind die Hauptursachen?

Mikkola: Sind es wirklich noch 8 Prozent? Ich glaube, dass die Ursachen in Deutschland und Finnland sehr ähnlich sind. Die Tätigkeiten und die Chancen auf bessere Einkommen sind außerhalb der Landwirtschaft einfach viel lukrativer geworden. Die Effektivität der Landwirtschaft hat sich enorm verbessert und das hat die Erzeugerpreise gedrückt, sodass man mit weniger Leuten immer mehr produzieren muss, um überhaupt überleben zu können. Ich habe drei Söhne (zwölf, 15 und 17 Jahre alt) und ich bin gespannt, ob einer von ihnen den Betrieb weiterführen will.

Welche Ressourcen benötigt Finnland nach Ihrer Meinung, um die Landwirtschaft anzukurbeln?

Mikkola: Unser Klima in Süd-Finnland ist nicht optimal für den Getreide-, Ölsaaten- oder Zuckerrübenanbau. Und im Norden des Landes noch weniger. Die Winter sind relativ hart und nass, das Frühjahr kurz und oft zu trocken, die Sommer zu kurz und im September muss man oft versuchen, gleichzeitig zu ernten und die neue Saat zu bestellen. Also können wir hier im Norden schlecht mit guten Regionen in Zentraleuropa konkurrieren.

Wir ernten nur maximal 50 Prozent dessen, was zum Beispiel in guten Regionen in Deutschland geerntet wird.

Also versuchen die finnischen Landwirte solche Kulturen anzubauen, die in Zentraleuropa entweder nicht lukrativ zu produzieren sind (im Vergleich zu Getreide) oder deren Qualität in Finnland besser ist. So ein Produkt ist Kümmel. Das ist ein Nischenprodukt, dessen Anbau stark zugenommen hat. Kümmel ist eine mehrjährige Pflanze, die gut ins finnische Klima mit seinen langen und hellen Nächten passt. Finnland hat mittlerweile einen Marktanteil von über 50 Prozent am Welthandel von Kümmel. Noch wichtiger als das Klima ist, dass eine bestimmte finnische Firma sehr gute Arbeit geleistet hat, um aus Kümmel ein Qualitätsprodukt zu machen und davon fast 100 Prozent zu exportieren.

Ihr Schwerpunkt liegt unter anderem auch in Grassamen. Wie vermarkten Sie Ihre Produkte?

Mikkola: Die Grassamen produziere ich für zwei Firmen, die den Samen verarbeiten und als Grasmischungen für Grünland weiterverkaufen.

Sie haben auch in Deutschland gelebt und als Landwirt gearbeitet. Welche Unterschiede gibt es? Welche Vor- und Nachteile sehen Sie?

Mikkola: Ich habe in den 90er Jahre mehrmals in Rheinhessen und in Dithmarschen als Praktikant und Erntehelfer gearbeitet. In Rheinhessen habe ich Sonderkulturen wie Gemüseanbau und Weinbau erlebt und in Dithmarschen an der Nordsee spitzenmäßige Weizenerträge gesehen. Im Allgemeinen habe ich in Deutschland immer sehr fleißige und nette Menschen kennengelernt. Diese Erfahrungen haben mich und meine Arbeit und Ziele sehr beeinflusst, seit ich den elterlichen Betrieb 1998 übernommen habe.

Natürlich gibt es viele Unterschiede in der Landwirtschaft zwischen Deutschland und Finnland, aber ähnlich ist überall: Bauern meinen, dass die Kosten zu hoch und Einkommen zu gering sind und das gilt auch für Pacht und Ackerlandpreise. Der Unterschied ist, dass wir in Finnland sehr dünn besiedelt sind, dadurch ist der Druck unter den Landwirten vielleicht ein bisschen geringer als bei Euch.

Wie sieht es mit Digitalisierung in der Landwirtschaft in Finnland aus? Wird diese in Ihrem Betrieb eingesetzt?


Mikkola: Die Digitalisierung hat sich in der Bürokratie zu 100 Prozent durchgesetzt (Steueramt, Landwirtschaftamt), aber auch bei Schlagkartei, Buchführung und so weiter. Banken haben kaum noch Filialen, fast alles wird nur über das Internet abgewickelt und Bargeld ist fast verschwunden.

Im Ackerbau ist Digitalisierung und Automatisierung noch nicht so das Thema. Die Ursache dafür sind zu geringe Erlöse. Ich wollte schon vor Jahren zwei von meinen Traktoren mit automatischer Lenkung ausrüsten, aber leider ist das immer noch zu teuer.

…und die DLG-Mitgliedschaft, können Sie davon profitieren?


Mikkola: Die DLG-Mitteilungen sind eine sehr wichtige Quelle für Information aus der deutschen Landwirtschaft. Auch die DLG-Newsletter lese ich immer gern. Und natürlich besuchen wir mit Kollegen jedes Mal die Agritechnica.

Landwirtschaftlicher Betrieb

Ilveksen tila Oy

  • Dipl-ing. Agrar Anne ja Tero Mikkola
  • Hofübergabe 1998
  • Jetzt 300 ha Ackerland und 70 ha Dauergrünland. Bodenart Lehm. Humusanteil nimmt hoffentlich zu mit Gras, Kümmel und Mist.
  • Fruchtfolge: Lieber mehrjährige Kulturen wie Kümmel und Grassamen und auch Wintergetreide (WW, Roggen), Hafer
  • Zuckerrübenanbau im Jahr 2010 aufgegeben
  • 1 Festangestellte für die Fernwärme-Heizungsanlage, die aber viel in der Landwirtschaft arbeitet.

Blockheizkraftwerke

Kiskon Lämpö Oy

  • Fernwärme produzieren und liefern. Keine Stromproduktion.
  • 2007 wurde die erste Anlage auf dem Hof erstellt. Kapazität 1 MW, 3.700 m Wärmeleitung aus Stahlrohr.
  • 3.500 MW Wärmeenergie werden verkauft und damit 350.000 l Heizöl ersetzt.
  • 2011 wurde eine zweite 1-MW-Anlage gebaut mit 2.700 m Wärmeleitung
  • Die Wärmeenergie wird verkauft und ersetzt 300.000 l Heizöl
  • 2015 wurde die dritte Anlage mit 1.5 MW Kapazität errichtet
  • Seit 2019 Verwaltung und Rohstoffversorgung für eine fremde 4 MW- und eine 0,7 MW-Anlage
  • Insgesamt  25.000 bis 30.000 MW Wärmeproduktion. Keine Elektrizität.
  • Holzschnitzel aus Ästen, Holz aus Ackerrand und Recyclingholz.
  • Synenergieeffekte mit der Landwirtschaft: Trocknung läuft mit Holzschnitzel, Arbeitskraft