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Evolution leben

Thinus Glitz zur Weiterentwicklung des Ackerbaus

Schwierige Ackerbaustandorte sind nicht nur bezüglich ihrer Bewirtschaftung eine Herausforderung, weitere Probleme sind die in den letzten Jahren immer weiter steigenden Bewirtschaftungskosten bei stagnierenden Erträgen.

Die Forschung und pflanzenbaulichen Versuche werden aber leider vermehrt auf den Gunst-Standorten durchgeführt, was keine großen Erkenntnisse für die schwierigen Betriebe erwarten lässt. Was also bleibt einem Unternehmer, um Kosten zu senken und Erträge zu steigern?

Zum einen ist dieses der fachliche, länderübergreifende Austausch zwischen Berufskollegen mit ähnlichen Problemstellungen. Dabei spielt das Internet heute mit Angeboten wie Facebook, Youtube und verschiedenen Agrarforen eine herausragende Rolle. Nie war es einfacher, Erfahrungen und Wissen in einer solchen Geschwindigkeit mit den passenden Leuten auszutauschen.

Verschiedene Probleme zwangen uns auch bislang schon zu einem Umdenken der bisher angewandten Verfahren. Zu nennen sind

  • Fuchsschwanzresistenz
  • Vermehrung bestimmter Problemunkräuter
  • sinkende Bodenfruchtbarkeit
  • stagnierendes Bodenleben
  • stagnierende Erträge
  • steigende Arbeitserledigungskosten
  • deutlich steigende Flächenkosten
  • steigende Gefahr von Wetterextremen
  • steigende Reglementierungen in der Düngung.

Es mussten Veränderungen vorgenommen werden, die Kostensenkung versprachen und die mindestens konstante Erträge ermöglichten. Gleichzeitig mussten die enorm steigenden Gräserresistenzen irgendwie im Griff behalten werden. In einigen Reisen nach England konnte ich interessante Strategien in Bodenbewirtschaftung und Mechanisierung entdecken, die offenbar einige dieser Punkte - zumindest zum Teil - lösen konnten. Seit zwei Jahren setzen wir auf unseren schweren Tonböden ein Streifenlockerungs-Saatsystem ein, behalten alle Ernterückstände an der Oberfläche und führen nur sehr flache Stoppelbearbeitungen durch.

Was unter Inselklima gut aussieht, muss aber im westfälischen Mittelgebirge noch lange kein Erfolgsmodell werden. Um auf meinen Vortrag auf den kommenden DLG-Unternehmertagen anzuspielen: Sichere Erkenntnisse für den eigenen Standort gehen nur über selbst Geld in die Hand nehmen und ausprobieren. In der Industrie ist es heute Standard, 4 Prozent des Umsatzes wieder in Forschung und Entwicklung zu investieren. Dies ist eine unternehmerisch wichtige Investition um wettbewerbsfähig zu bleiben – kaum jemand in der Landwirtschaft erfüllt diese Regel auch nur annähernd.

Gerade in Zeiten rapide zunehmender Veränderung der Rahmenbedingungen kann ein „haben wir immer so gemacht“ nicht zum Erfolg führen. Wir haben durch immer weiter zunehmende Bodenbearbeitungsintensität unser Bodenleben teilweise so stark verschlechtert, dass man teilweise von toten Böden sprechen kann. Wir dürfen kein Verfahren und keinen Arbeitsgang mit einem „das geht nicht anders“ legitimieren. Alles gehört in Zeiten zunehmender Wetterkapriolen auf den Prüfstand! Das nasse Jahr 2017 hat uns auf unseren teils schweren Tonböden gezeigt, dass weniger Bodenbearbeitung das bessere Ergebnis sein kann. Die gleiche Erkenntnis brachte die trockene Aussaat 2018.

Wir haben durch größere Schlepperleistung und immer teurere Maschinen in den letzten Jahren unsere Arbeitserledigungskosten sorglos steigen lassen. In Verbindung mit den steigenden Flächenkosten und den regional mehrjährigen Dürreernten eine gefährliche Mischung für die Liquidität.

Was ist also konkret zu tun? Als konventioneller Betrieb kann ich mir zum Beispiel viel von ökologisch wirtschaftenden Betrieben abschauen. Immer mit offenen Augen durch die Welt gehen und nichts für sich selbst auszuschließen, ist eine wichtige unternehmerische Eigenschaft.

Aber auch ein Blick zurück, kann ein Blick nach vorne sein. Die Anbauverfahren unserer Großväter bieten interessante Lösungen vor dem Hintergrund zunehmender Resistenzen und zunehmender Schädlingsproblematik.

Mengkulturen, hacken und striegeln, erweiterte Fruchtfolgen, Ackergrasnutzung, Pflanzenvitalisierung mit natürlichen Spritzmitteln und Tierhaltung mit organischer Düngung waren etablierte Wege, um ohne Chemieeinsatz ansprechende Erträge zu erwirtschaften. Wenn der Verbraucher will, dass wir unseren Weg des intensiven chemischen Pflanzenschutzes verlassen und wenn die Evolution der Schädlinge die Reaktionsgeschwindigkeit der Hersteller überholt, werden solche Dinge wieder interessant.

Aber auch die Natur selbst liefert interessante Ansätze, mit Dürren fertig zu werden. Millionen Jahre Evolution haben nur die besten „Anbauverfahren“ erfolgreich werden lassen.

Die Regeln in unserem Spiel schreibt der Verbraucher, die Politik, die Natur und das Wetter, wir können diese kaum ändern, aber täglich versuchen, uns diesen Regeln besser anzupassen.

Ich freue mich darauf, Ihnen auf den DLG-Unternehmertagen einen kleinen Einblick geben zu können, wie wir versuchen, auf unserem Betrieb die Evolution im Ackerbau und in der Tierhaltung zu leben.