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Ein gemeinsamer Weg für Landwirtschaft und Artenschutz?

 

Unter dem Titel Volksbegehren "Rettet die Bienen" - Ein gemeinsamer Weg für Landwirtschaft und Artenschutz? lud die Junge DLG/Team Weihenstephan kürzlich zu einer Podiumsdiskussion am Campus in Freising ein. Dieser Einladung folgten über 160 Interessierte, die sich im bis auf den letzten Platz besetzten Hörsaal 17 der TU München in Weihenstephan eingefunden hatten.

Als Experten geladen waren Gisela Sengl, Sprecherin für Landwirtschaft und Ernährung der Fraktion Die Grünen im Landtag, Anton Kreitmair, Landwirt und Bezirkspräsident des Bezirks Oberbayern im Bayerischen Bauernverband (BBV) sowie Prof. Dr. Hanno Schäfer, der an der TUM im Bereich Biodiversität forscht. Moderiert wurde die Veranstaltung durch Prof. Dr. Klaus-Peter Wilbois von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, der sich dort mit ökologischer Landwirtschaft befasst.

Die Stimmung im Vorfeld des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" hat in Bayern und darüber hinaus zu einer hitzigen – und oftmals auch überhitzten – Debatte geführt. Ins Leben gerufen von Naturschützern und der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) und unterstützt von Bioverbänden sowie den Grünen, sollte das Volksbegehren eine Antwort auf den dramatischen Verlust an Biodiversität in Bayern geben.

Viele Landwirte und Interessenvertreter fürchteten jedoch um ihre unternehmerische Entscheidungsfreiheit und kritisierten die Maßnahmen als wenig zielführend. Auch der einseitige Fokus auf Maßnahmen, die nur die Landwirtschaft betreffen, wurde bemängelt. Die eingereichte Fassung des Volksbegehrens enthielt keine konkreten Vorgaben für Kommunen, Unternehmen oder Privathaushalte.

Selbst nachdem der Gesetzesänderungsvorschlag des Volksbegehrens durch den bayerischen Landtag angenommen worden ist, wird weiter kontrovers über das Volksbegehren diskutiert. Die Junge DLG/Team Weihenstephan lud daher zu einem Meinungsaustausch auf dem gemeinsamen Campus der TUM und HSWT ein, um einen Einblick in die Sichtweise des jeweils anderen zu ermöglichen und die Fragen des Publikums zu beantworten.

In die Thematik führten Felix Müller und Julius Droßbach von der Jungen DLG ein und legten den Entwicklungsgang des Volksbegehrens dar, um alle Anwesenden auf den gleichen Wissensstand zu bringen. Sie nannten kurz die Streitpunkte, die es um das Volksbegehren gab und setzten den Rahmen für den Abend.

Zu Beginn der Veranstaltung führte Prof. Dr. Klaus-Peter Wilbois mit einer geschlossenen Fragerunde in die Diskussion ein. Die Gäste steckten am Anfang mit großem Verve ihre Standpunkte ab, sodass es unmittelbar zu einer angeregten Diskussion kam. Nach einer halben Stunde wurde die Diskussion für alle Anwesenden geöffnet. Die Fragen des Publikums belebten die ohnehin aktive Debatte weiter und verlangte von den Diskutanten aufrichtige und prägnante Antworten.

Mit der kritischen Feststellung, das Volksbegehren sei nicht die richtige Antwort auf den Rückgang der Artenvielfalt, bot Prof. Dr. Hanno Schäfer von der TU München den ersten Streitpunkt des Abends. Die Biodiversitätsschwerpunkte auf der Welt lägen nicht in Bayern, sondern in den Tropen, insbesondere in Indonesien und Brasilien. 

Wolle man wirklich etwas für den globalen Erhalt der Artenvielfalt tun, reiche es nicht aus, in Deutschland Ackerrandstreifen anzulegen. Vielmehr müsse der Import von Palmöl und Soja aus Ländern minimiert werden, die für die billige Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte die Zerstörung der heimischen Ökosysteme in Kauf nähmen. 

Wirksame Maßnahmen in Deutschland müssten aber anders aussehen als geplant und die landwirtschaftliche Produktion weiter zulassen. Hier sprach sich Schäfer unter anderem für die Begrenzung des Flächenverbrauchs und eine Internalisierung von Umweltkosten in den Preis von Lebensmitteln aus.

Schäfer bemängelte darüber hinaus die geringe wissenschaftliche Beteiligung in der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs und eine mangelnde Einbindung während der entscheidenden Gespräche am Runden Tischen der Staatsregierung.

Dennoch sei das Volksbegehren der erste Schritt in die richtige Richtung gewesen, da er eine öffentliche Debatte über den Verlust der Biodiversität und ihre Folgen angestoßen habe.

Dieser Meinung war auch Gisela Sengl, die für die Grünen Mitglied im Bayerischen Landtag ist. Für sie ist das Volksbegehren ein Erfolg und ein Ausdruck der öffentlichen Meinungsäußerung über die Instrumente der direkten Demokratie. 

Sie kritisierte die Landesregierung aus CSU und Freien Wählern, die die Sache völlig falsch eingeschätzt hätten und sich deswegen lange aus der Diskussion rausgehalten haben. Auf den Einwurf, bei dem Volksbegehren hätten die Städte über die Landbevölkerung abgestimmt, ohne sich eine ausreichend informierte Meinung gebildet zu haben, antwortete Sengl, dass das Volksbegehren landesweit auch in den ländlichen Regionen hohe Zustimmungsraten gehabt hätte. Die Wichtigkeit der Thematik zeige sich in der überwältigenden Teilnahme. 

Sie sieht im Volksbegehren daher einen klaren Auftrag für die Politik, sich verstärkt dem Artenschutz anzunehmen. An kritische Debatten gewöhnt konnte sie sich auch gegen schwierige Fragen behaupten. 

Anton Kraitmair, selbst Landwirt, genoss unter dem jungen Publikum aus Studenten der grünen Branche einen Vorteil und konnte die Stimmung oft am besten ausdrücken. Die Aufgabe der Landwirtschaft ist es zuerst, Lebensmittel zu produzieren und die Nahrungsmittelproduktion sicherzustellen. Und das würden die deutschen Landwirte im Vergleich unter sehr hohen Umweltstandards bereits jetzt. 

Als Mitglied des Präsidiums des Bayerischen Bauernverbands (BBV) und somit gut über die Entwicklung des Volksbegehrens informiert, wusste Kraitmair direkt aus dem Entscheidungsprozess über die Annahme des Volksbegehrens zu berichten. Er bemängelte, dass die Umsetzung des Volksbegehrens im Zusatzgesetz, welches Detailfragen und die Durchführung des neuen Gesetzes regeln soll, nicht die versprochene Flexibilisierung zum Beispiel beim Walzverbot nach dem 15. März enthält. 

Kraitmair gestand aber auch Fehler bei der Kampagnenführung zum Volksbegehren ein und bedauerte, dass die Haltung des BBV vielerorts irritiert hätte und dass der Schaden für den BBV zum Teil massiv ist. Dennoch verteidigte er die Positionierung des BBV und erinnerte daran, dass es bei einem Volksbegehren nur ein "Ja" oder "Nein" gäbe und man sich für eine Seite entscheiden müsse.

Die Teilnehmer der Diskussion sahen in den anwesenden jungen Leuten, die sehr gut ausgebildet seien, die Zukunft für die weitere Entwicklung eines Miteinanders von Landwirtschaft und Artenschutz. Sie übertrugen die Verantwortung, die Landwirtschaft nachhaltig zu gestalten und zukunftsfähig zu machen, dem jungen Publikum und appellierten an ein mutiges und entschlossenes Vorgehen.

Autor: Johannes Potthoff, Junge DLG/Team Weihenstephan