Ökolandbau als Chance oder Desaster

Prof. Andreas Gattinger von der Universität Gießen arbeitete in seinem Vortrag Umweltleistungen und Produktivität des Ökolandbaus heraus: Der ökologische Landbau verfolgt das Ziel, die natürlichen Bodenfunktionen, wie bspw. Nährstoff- und Wasserhaltefähigkeit, und die Funktionen der Agrarlandschaft mit den Bewirtschaftungssystemen in Einklang zu bringen. So konnte er in Studien zeigen, dass der Humusgehalt der Böden im ökologischen Landbau um bis zu 3,5 t/ha höher ist als im konventionellen Landbau. Der höhere Humusgehalt fußt auf der Nutzung von Wirtschaftsdüngern, während bei reinen Marktfruchtbetrieben auch im ökologischen Landbau das Risiko des Humusabbaus besteht. Und auch der Kohlenstoffgehalt ist um bis zu 450 kg/ha höher. Die Böden im ökologischen Landbau weisen deshalb ein höheres Bodenleben auf. Dies führt dazu, dass die Böden eine höhere Aggregatstabilität und Wasserhaltefähigkeit erreichen. Mit diesen verschiedenen ökologischen Leistungen ist der Biolandbau in Bezug auf die Umweltwirkungen sehr gut aufgestellt.
Neben den Umweltleistungen ist die Ertragsfähigkeit der Landbausysteme von entscheidender Bedeutung, um Nachfrage nach Agrarrohstoffen zu bedienen. Im weltweiten Vergleich liegen die Flächenerträge im ökologischen Landbau rund 20 Prozent niedriger als in der konventionellen Landwirtschaft. Dabei ist der Ertragsunterschied auf Standorten, die im Vergleich zu den Hochertragsstandorten Europas geringere Erträge erzielen, weniger groß. So werden im Vergleich zu Asien 11 Prozent weniger Ertrag erzielt und im Vergleich zu Zentraleuropa 12 Prozent weniger. Gegenüber Nordeuropa werden jedoch 30 Prozent geringere Erträge erreicht.
So zeigt sich, dass der ökologische Landbau positive Beiträge für Klima- und Bodenschutz liefert, in Bezug auf die Produktivität bzw. Ertragsleistung jedoch Nachteile hat. Forderungen nach vollständiger Umstellung auf Biolandbau gehen deshalb einher mit der Forderung nach der Umstellung von Ernährungsgewohnheiten, ohne die der Biolandbau die Nachfrage nach Agrarrohstoffen nicht decken können.
Der ökologische Landbau kann einen Beitrag zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der Landwirtschaft leisten, wenn Prinzipien des ökologischen Landbaus im konventionellen Landbau angewendet werden. Zu nennen sind bspw. die Erhöhung der Bodenhumusgehalte oder auch die Erweiterung der Fruchtfolgen, um Krankheiten und Unkräuter besser durch ackerbauliche Maßnahmen bekämpfen zu können.
Perspektiven des ökologischen Landbaus für Landwirte
Andreas Kopf, Sauenhalter in Hessen, sieht im ökologischen Landbau Perspektiven für seine Betriebsentwicklung. So hat er seine Schweinehaltung im Jahr 2016 auf Biolandbau umgestellt und betreibt nun eine ökologische Jungsauenvermehrung. Mit der Umstellung hat er mehr Tierwohl für die Sauen erreicht und betriebswirtschaftliche Sicherheit gewonnen, denn er vermarktet die erzeugten Schweine mit langfristig laufenden Verträgen. Dadurch hat er die Risiken von Preisschwankungen für die wirtschaftlichen Ergebnisse deutlich reduziert. Beschäftigt haben ihn in der Sauenhaltung mögliche Erdrückungsverluste, da die Sauen nicht mehr länger fixiert werden dürfen. Doch die Erfahrung hat gezeigt, dass es zur Reduktion der Verluste auf ausreichend Platz im Abferkelbereich ankommt: Ist genug Platz vorhanden, sodass sich die Sau um 360 Grad drehen kann, wird sie vor dem Ablegen durch Drehung um die eigene Achse sehen, wo die Ferkel sind und sich gezielt ablegen. So minimiert der ausreichende Platz die Erdrückungsverluste. Zudem hat sich seit der Umstellung deutlich mehr Ruhe im Stall eingestellt.
Marktentwicklungen bieten Chancen
Der Markt für Lebensmittel aus Biolandbau wächst dynamisch wie Martin Trieschmann, Berater für Naturland Betriebe in Hessen, aufgezeigt hat: So wurden im Jahr 2013 7 Mrd. Euro mit Biolebensmitteln umgesetzt. Im Jahr 2017 waren es bereits 10,7 Mrd. Euro. Die Umsätze wuchsen von 2016 auf das Jahr 2017 mit knapp 9 Prozent besonders stark im Lebensmitteleinzelhandel (LEH), während die Umsätze im Naturkosthandel (inkl. der Hofläden) um 2,2 Prozent eher verhalten gewachsen sind. Neben den Umsätzen sind Lebensmittel aus Biolandbau im LEH wichtige Imageträger, denn das Fehlen von Bioprodukten im Sortiment wäre umsatzschädigend, so eine Marktstudie aus dem Jahr 2016. Doch „Bio“ ist nicht alleiniger Trend im LEH: So positionieren sich die Handelsketten beim Verbraucher auch mit den Attributen regional und mit Haltungskennzeichnungen auf Fleischprodukten, um Verbrauchererwartungen an Herkunft und Aufzuchtform zu erfüllen.
Die am häufigsten nachgefragten Bioprodukte sind Eier, Gemüse und Obst, Kartoffeln, Milchprodukte und Fleisch und Wurstwaren, wie das Ökobarometer 2017 des BMEL und des BÖLN zeigt. Die Verbrauchererwartung an Biolebensmittel hat Trieschmann so zusammengefasst: „Ökolebensmittel sollen ökologisch, glaubwürdig, möglichst regional erzeugt sein und am besten eine Geschichte erzählen“.
Betriebsgröße nicht entscheidender Erfolgsfaktor im Biolandbau
In der sich anschließenden Diskussion wurde die Frage gestellt, warum Biolandbau nicht auf den Hochertragsstandorten betrieben wird. Letztlich können die Biobetriebe auf diesen Standorten aufgrund der Ertragsunterschiede nicht die aufgerufenen Pachtpreise bedienen, so die Einschätzung der Referenten. Und auch die Frage nach den Strukturen im Ökolandbau wurde mit der Feststellung diskutiert, dass die kleiner strukturierten Betriebe die produktivsten sind. Denn die Landwirte kleinerer Betriebe sind „näher“ an Pflanzen und Tieren und erreichen so aufgrund der intensiveren Betreuung der Produktionssysteme bessere biologische Leistungen. Die Betriebsgröße ist deshalb nicht der entscheidende Erfolgsfaktor im Biolandbau.
Schließlich wurde noch der Trend aufgezeigt, dass Lebensmittelhersteller steigendes Interesse an Bioware inländischer Herkunft haben. Denn dieser wird eine höhere Verlässlichkeit in Bezug auf die Zertifizierung zugeschrieben. Deshalb bietet, trotz zunehmender internationaler Verflechtung, der Biolandbau Landwirten in Deutschland weiterhin gute Perspektiven, wie Trieschmann abschließend feststellte.