
„Man muss nicht immer alles selber machen“
Geschäftsführer und Gesellschafter von sieben Betrieben, 1.000 Hektar Fläche, zwei Handelsunternehmen, ein Jahresumsatz von 20 bis 22 Millionen Euro. Und alles Bio. Sie scheinen Einiges richtig gemacht zu haben. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Andreas Engemann: Auf keinen Fall darf man am Markt vorbei wirtschaften. Ich wollte damals, dass ich meine Produkte gut verkaufen kann. Das war Mitte der 1980er Jahre. Den Milchsee weiter anwachsen zu lassen, war für mich keine Option. Und ich will faire Preise. Beides habe ich geschafft, weil ich nicht alles alleine mache. Kooperationen sind wichtig, alle unsere Betriebe, mit Ausnahme des slowakischen, sind als GbR organisiert. Das bedeutet: Die Gesellschafter sind anteilsmässig auch finanziell beteiligt, jeder haftet persönlich. Wir stehen gemeinsam hinter drei Zielen: Den Ökolandbau in der Region stärken, Arbeitsplätze auf dem Land schaffen und durch Kooperationen für eine faire Wertschöpfung sorgen.
Faire Preise, Kooperationen - klappt das mit bio besser?
Engemann: Wir haben uns entschieden, nicht an den Discount zu liefern, sondern Obst und Gemüse vorrangig an den Naturkostfachhandel. Natürlich müssen wir dort auch viele Kriterien, etwa die Optik, erfüllen. Aber es ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Wir haben zum Beispiel eine offene Preiskalkulation. Wo sonst habe ich das, dass ich sage "Wir brauchen den Preis x, weil da so und so viel Handarbeit drin steckt und das kostet eben mehr"? Die Verbraucher - und damit auch der Handel - schätzen Bio-Lebensmittel, die aus Deutschland kommen. Damit können wir punkten.
Läuft die Bio-Vermarktung generell anders?
Engemann: Zum Teil, das kommt auf den Betriebsschwerpunkt - und damit auch auf die Strukturen in der Bio-Branche an. Ein Beispiel: Ein reiner Marktfruchtbetrieb kann mit konventionellem Gemüse etwa zu einer Genossenschaft gehen, dort seine Ware abliefern, und das war's. Ebenso ein Ackerbaubetrieb, der geht dann zum Landhandel. Das klappt bei Bio nur bedingt. Bio-Getreide muss getrennt erfasst werden, also getrennt von konventionellem Getreide gereinigt und gelagert werden. Beim Gemüse kommt dann noch das Verpacken dazu. Da muss man sich als Biolandwirt oft mehrere Partner suchen, an die man liefert - weil es eben oft an diesen Aufnahmekapazitäten fehlt. Wir haben eine breite Kundenstruktur und liefern auch nicht nur an eine Bio-Mühle. Die meisten Kunden können keine größere Menge auf einmal aufnehmen, wollen dafür kontinuierlich beliefert werden.
Das klingt nach einem hohen Aufwand.
Engemann: Es ist mehr Organisationsaufwand, das stimmt. Dafür sind wir auch weniger abhängig - wir setzen auf viele Standbeine.
Zum Beispiel?
Engemann: Man muss nicht immer alles alleine machen. Unsere Möhren werden zum Beispiel von einem Betrieb aus der Region gewaschen und verpackt. Diese Wertschöpfung bleibt bei diesem Betrieb - wir selbst haben dazu keine eigenen Kapazitäten aufgebaut. Aber die Möhren werden über unsere eigenen Vermarktungsstrukturen verkauft. Wir wollen die Wertschöpfung auf die landwirtschaftlichen Betriebe bringen. Davon profitieren alle: der Betrieb, weil er ein zusätzliches Standbein hat und wir, weil wir einen verlässlichen Partner in der Region haben. Aber auch für weitere Höfe ist das toll – diese können ihr Wurzelgemüse dort ebenfalls waschen und verpacken lassen.
Sonderkulturen wie Erdbeeren, Chicorée und Champignons - ist das auch Teil Ihres Erfolgsrezepts?
Engemann: Ja, das passt gut in unsere Vermarktungsstrategie. Den Erdbeeranbau habe ich während meiner Ausbildung zum Staatlich geprüften Landwirt kennen und schätzen gelernt. Dann haben wir das Beerenobst ausgebaut, mit Himbeeren zum Selberpflücken - so kommen viele Leute zu uns auf den Hof - und eben auch in den Hofladen. Chicorée und Champignons waren vor allem für den Großhandel attraktiv. Beides gab es in Bio-Qualität nur in sehr kleinen Mengen in Deutschland, Champignons kamen vor allem aus Ungarn, Chicorée aus Belgien und den Niederlanden. So konnten wir den Bio-Großhandel dennree als Partner gewinnen. Ohne die Champignons und den Chicorée wäre dennree sonst vielleicht nicht nach Ostwestfalen gekommen, um dort Gemüse zu ordern. So konnten wir diesen Bereich weiter ausbauen. Obwohl im Ausland billiger produziert werden kann, können wir unsere Produkte gut vermarkten.
Verraten Sie uns, wie das funktioniert?
Engemann: Durch ein gutes Verhältnis zu unseren Marktpartnern. Als wir anfingen, Champignons an dennree zu liefern, war das Unternehmen auf der Suche nach einem Chicorée-Produzenten. Das wollten wir sein - aber nicht um jeden Preis. Wir wollten gerne ein gemeinsames Projekt mit unserem Kunden, wir wollten dass dennree bei den Investitionen mit einsteigt. Wenn jemand, wirklich mit "drin" ist, ist das gegenseitige Verständnis größer. Man weiß besser um Risiken Bescheid und kann den Arbeitsaufwand besser nachvollziehen. Daher machen wir auch eine offene Preiskalkulation. Wir vereinbarten für die ersten drei Jahre einen Mindestpreis, darunter wurde nicht verkauft. Und daran halten sich beide Seiten. Das hat übrigens den gesamten Bio-Chicorée-Markt stabilisiert. Zuvor gab es ziemliche Aufs und Abs, je nachdem wie viel in Belgien und den Niederlanden geerntet wurde.
Und jetzt? Lautet der Plan weiter zu wachsen?
Engemann: Wachsen ja, aber nicht um jeden Preis, und nicht nur in der Fläche. Irgendwann ist eine Grenze bei den Pachtpreisen erreicht. Dann müssen wir zum Beispiel überlegen, ob wir statt weiteren zehn Hektar Weizen nicht besser einen Hektar Himbeeren mehr anbauen, da ist die Wertschöpfung größer. Außerdem wollen wir den Biolandbau allgemein stärken, vor allem in der Region. Weiter wachsen heißt auch, Strukturen weiter auszubauen, vielleicht gelingen noch weitere Kooperationen, dass im Bio-Bereich weitere Lagerkapazitäten oder Möglichkeiten zur Getreidereinigung aufgebaut oder umgestellt werden.
Was ist Ihr Tipp, wenn jemand in den Biolandbau einsteigen will?
Engemann: Zuerst muss man Abnehmer finden. Eine Mitgliedschaft in einem Bio-Verband öffnet da viele Türen. Gerade, wenn man an den Naturkostfachhandel liefern möchte. Auch bei Erzeugergenossenschaften hat man mit einer Verbandszugehörigkeit bessere Chancen. Das Verbandssiegel ist dann wie eine Art Qualitätssiegel. Der überwiegende Teil unserer Betriebe ist im Bioland-Verband organisiert. Aber es gibt natürlich auch klar vermarktungsstrategische Gründe: Ich will nicht am Markt vorbeiproduzieren, und am Anfang wollte ich das investierte Kapital möglichst schnell wieder im Plus sehen. Der Obst- und Gemüsebau ist verhältnismäßig wenig kapitalintensiv. Nach drei Monaten kann ich Salat ernten - dann fließt ein Teil des Geldes zurück. Bei einem Tierstall wären die Summen und Zeiträume viel größer gewesen. Generell empfehle ich, sich einen geeigneten Vermarktungspartner zu suchen und gemeinsam die Vermarktung abzusprechen.
Die Fragen stellte Magdalena Fröhlich, Onlineredakteurin DLG e.V.

Andreas Engemann ist Geschäftsführer von sieben Betrieben, sechs davon sind in Deutschland, einer in der Slowakei.
- Andreas Engemann GbR Auf dem 62 Hektar großen Stammbetrieb hat alles angefangen. Der Betrieb in Willebadessen-Eissen wurde zuerst von den Eltern der Brüder Engemann bewirtschaftet und anschließend verpachtet. 1988 entschlossen sich Klaus und Andreas Engemann den Betrieb selbst zu betreiben und auf ökologischen Landbau umzustellen. Hier wird Obst, Gemüse und Getreide angebaut, wobei der Schwerpunkt auf Obst und Gemüse liegt. Zudem gibt es hier Erdbeeren und Himbeeren und die Chicoreetreiberei.
- Eulenhof GbR Das ist der Champignon-Betrieb, ebenfalls am Standort in Eissen. Gesellschafter sind die Brüder Andreas und Klaus Engemann, sowie Alfons Rose, der auch Geschäftsführer ist.
- Balkenhol-Engemann GbR 2013 stellte Ulrich Balkenhol die Gärtnerei in Willebadessen in Kooperation mit dem Biolandhof Engemann auf die ökologische Wirtschaftsweise um. Nun wachsen hier unter Folie und im Gewächshaus auf 4.000 Quadratmetern Schnittlauch, Kräuter, Tomaten, Gurken und Feldsalat. Außerdem bietet die Gärtnerei diverse Jungpflanzen, zum Beispiel Erdbeerjungpflanzen, an. Diese kommen etwa auf dem Stammbetrieb, der Engemann GbR, zum Einsatz. Dort erweitert das Gemüse das Angebot im Hofladen und auf dem Wochenmarkt. Dennoch lautet das Prinzip: Jeder der Betriebe muss wirtschaftlich unabhängig funktionieren.
- Bio Obsthof Hegge GbR Auf der Hegge wachsen auf 45 Hektar verschiedene Obstsorten, überwiegend schwarze Johannisbeeren, aber auch Sauerkirschen und Zwetschgen, dazu kommen noch 30 Hektar Ackerland. Die Vermarktung erfolgt über die Vermarktungsstruktur von Andreas und Klaus Engemann, die Flächen sind gepachtet, der Betrieb ist ebenfalls in Willebadessen.
- Bioland-Kyffhäuser GbR Auch diesen Betrieb leitet Andreas Engemann gemeinsam mit zwei Gesellschaftern. Dort werden auf 200 Hektar Ackerland im Kyffhäuserkreis in Thüringen Getreide, Leguminosen, Ölsonnenblumen und Soja angebaut. Der Schwerpunkt liegt auf der Erzeugung von hochwertigem Backgetreide wie etwa Dinkel und Elite-Weizen für die Mehlherstellung.
- von Bismarck Ackerbau GbR Dieser Betrieb ist ebenfalls im Kyffhäuserkreis in Thüringen angesiedelt. Dort werden auf 235 Hektar Ackerland ähnliche Kulturen wie bei der Kyffhäuser GbR angebaut und die beiden Betriebe kooperieren miteinander. So zum Beispiel in der Maschinenausstattung, der Getreidelagerung und der Dinkelaufbereitung.
- ECO-FARM NITRA s.r.o. Seit Oktober 2000 ist Klaus Engemann Geschäftsführer einer slowakischen GmbH mit vier Gesellschaftern. Auf dem Betrieb werden auf rund 400 Hektar Weizen, Dinkel, Erbsen und Kleegras angebaut.
- Engemann GmbH & Co. KG Zusätzlich betreiben Andreas und Klaus Engemann noch einen Getreidehandel, über den sie auch die Rohstoffe anderer Bio-Betriebe verkaufen.
- A&K Engemann GbR Das ist der Obst- und Gemüsehandel der beiden Brüder. Neben dem Verkauf der selbst erzeugten Produkte gibt es Anbauabsprachen mit regionalen Erzeugern. Die Produkte der Landwirte werden in Eissen erfasst und an die Kunden, etwa Hofläden oder den Naturkostgroßhandel, geliefert.