Zum Hauptinhalt springen

25 Jahre DLG-Mitgliedschaft: Interview mit Professor Heinz Bernhardt

Wenn Gleiche mit Gleichen reden

1996 ist Heinz Bernhardt in die DLG eingetreten und hat es seither nicht bereut. Als Student bewunderte er die Rededuelle des damaligen Präsidenten mit der damaligen Landwirtschaftsministerin, heute arbeitet er in verschiedenen Ausschüssen und Gremien, unter anderem der Neuheiten-Kommission mit. Im Gespräch erzählt er uns, was ihn an der DLG fasziniert und welches die aktuellen Entwicklungen im Bereich Robotik und Automatisierung sind.

Herr Professor Bernhardt, Sie sind seit 25 Jahren DLG-Mitglied. Wie kam es dazu?

1996 wehte ein frischer Wind in der DLG. Für mich ging es los mit den Diskussionen, die Philip Freiherr von dem Bussche aufgebracht hat. Ich habe seine erste Rede gehört und bin beim Abo geblieben. Das ging Richtung Zukunft, es war modern und stellte eine Verjüngung der DLG dar. Der bisherige teilweise konservative Touch, der bis dato in der DLG geherrscht hatte, wurde sozusagen auf links gebügelt. Es war hochinteressant, wenn sich Freiherr von dem Bussche und Renate Künast Rededuelle lieferten. Das war Rhetorik auf hohem Niveau und der Saal war mucksmäuschenstill. Ich habe dort viel über Rhetorik gelernt. Damals war ich Student und als mich Kollegen fragten, ob ich mit zur DLG-Wintertagung kommen würde, war die Entscheidung für die Mitgliedschaft schnell gefallen, denn als Student war sie gut bezahlbar.

Welche Angebote der DLG nutzen Sie und warum?

Ich habe nach dem Eintritt schnell festgestellt, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Angefangen von den Messen über die DLG-Mitteilungen bis hin zur aktiven Mitarbeit nutzte und nutze ich viele der Angebote der DLG. Die Messen und Ausstellungen kannte ich ja schon durch meinen Vater und auch die DLG-Feldtage waren gesetzt. 1997 habe ich dann für den Lehrstuhl für Landtechnik in Gießen als Standdienst den Messestand betreut. Auch mein Doktorvater Professor Seufert hat mich viel zu DLG-Veranstaltungen mitgenommen. So nahm ich dann auch als Gast an Ausschusssitzungen teil und habe schnell viele Leute der Agrarbranche kennengelernt. Eine kleine Anekdote am Rande: Ein Mitdoktorand von mir hatte lange Haare und trug keine Krawatte. Da dachten die Senioren am späten Abend, es wäre der Taxifahrer, der sie nach Hause bringen sollte. Mein Professor hat das Missverständnis dann aufgeklärt.

Sie sind bei der DLG ehrenamtlich in Ausschüssen engagiert. Welche Themen stehen hier im Fokus?

Ich bin Mitglied im Ausschuss Technik Pflanzliche Produktion und im Ausschuss Technik Tierische Produktion, also den beiden Landtechnik-Ausschüssen. Außerdem arbeite ich in der Neuheiten-Kommission für die EuroTier mit und bin Gast im Ausschuss Digitalisierung. Die Ausschüsse tagen zweimal im Jahr und ich bin nach Möglichkeit dabei. Am ersten Tag haben wir immer eine Exkursion und am zweiten Tag erfolgt dann die Facharbeit in den Gremien. Die Themen sind grob gesagt alle Technik in der Innen- und Außenwirtschaft. Sie sind genauso breit aufgestellt, wie es die DLG ist. Aktuell befassen wir uns zum Beispiel mit Bodendruck, Fahrwerken und Digitalisierung im Milchviehbereich, alles Themen, die für die Praxis aktuell relevant sind. Für mich ist dabei besonders die Quervernetzung wichtig. Also, dass wir als Wissenschaftler, Praktiker und Berater zusammenarbeiten. Der gegenseitige Austausch macht für mich die Arbeit in der DLG so interessant. Back to the roots: Wenn „Gleiche mit Gleichen“ reden, dann ist das für mich eine DLG, wie Max Eyth sie schuf. Es wird nicht gefragt „Wie viel Hektar hast du?“, sondern „Welche Idee hast du?“. Und diese Mischung, das ist genau das Richtige für mich. Man arbeitet zusammen und es geht um das Fachthema, egal aus welcher Region Deutschlands ich komme und welche Größe mein Betrieb hat.

Seit mehr als 20 Jahren sind Sie an verschiedenen Hochschulen in der Forschung und Lehre in der Landtechnik tätig. Welches waren die bedeutendsten technischen Entwicklungen in dieser Zeit?

Da schaue ich als Forscher immer schon nach vorne. Für mich sind es Datenmanagement, Datenaustausch und Datenstruktur im Bereich der Robotik sowohl in der Innen- als auch in der Außenwirtschaft. Hier sehe ich den Hingang zur Robotik als Entwicklung zu vollständig autonomen Systemen als Partner des Landwirts, wie zum Beispiel ein Roboter, der Unkraut pflückt. Das ist aber keine Entwicklung eines oder einer Einzelnen, es sind immer viele, die Bausteine dazu beitragen. Wir kommen zu der Situation, dass man den Traktor zum Feld fährt, dort arbeitet er autonom und erledigt den Pflanzenschutz. Aber ein amerikanisches Sprichwort sagt: „Der beste Dünger im Feld ist der Fußabdruck des Landwirts.“ Die Systeme sind auf einen Durchschnitt ausgerichtet. Ich sehe deshalb die Technik als Sparringspartner des Landwirtes. Er oder sie ist immer in innerer Diskussion mit dem System. Das bedeutet die Managementaufgaben aktiv anzugehen. Das wird meiner Meinung nach die Herausforderung sein, die uns in den nächsten zehn Jahren blüht: Wie kann ich dieses System auf meinen Standort optimieren?

Wo sehen Sie richtungsweisende Entwicklungen in der Melktechnik und im agrarischen Management?

Unser aktuelles Projekt ist das Management im Kuhstall. Lassen Sie es mich kurz skizzieren: Das Management verändert die Betriebe. Im autonomen Kuhstall wird automatisch gefüttert, gemolken und gereinigt. Der Landwirt, die Landwirtin ist also aus der täglichen Arbeit herausgenommen und muss damit klarkommen und sich und seine/ihre Rolle neu definieren. Als Manager gehe ich mit dem Tablet ein bis zwei Stunden in den Stall und konzentriere mich auf eine Tiergruppe oder ein Einzeltier. Das muss ich tun, sonst verliere ich die Verbindung zu dem, was ich eigentlich mache. Zu meinen Studentinnen und Studenten sage ich immer: „Es ist ein ziemlich doofer Moment für die Mensch-Tier-Interaktion, wenn ich das erste Mal wieder Tierkontakt bei einer Schwergeburt habe und die Kuh mich gar nicht mehr kennt.“ Es muss im Kopf verankert sein, dass der Tierkontakt zu den Management-Aufgaben gehört. Da müssen die Betriebsleiter dann aktiv dran arbeiten, im System und im Team zu bleiben. Kühe mögen Roboter vielleicht lieber als Melker, die haben keine kalten Hände und arbeiten immer gleich, sind also vorhersehbar.

Vielen Dank Herr Professor Bernhardt für das interessante Gespräch!

Die Fragen stellte Angelika Sontheimer, Agrarjournalistin aus Winsen (Aller).

Zur Person

Heinz Bernhardt ist auf einem landwirtschaftlichen Betrieb mit 140 Hektar Ackerbau in Südhessen aufgewachsen, der heute von seinem Vater und ihm bewirtschaftet wird. Er studierte an der Justus-Liebig Universität Gießen Agrarwissenschaften und promovierte und habilitierte zum Themengebiet Agrarlogistik und technologischen Umsetzung von Qualitätsmanagementsystemen. Heute lehrt und forscht der 47-jährige an der Technischen Universität München, TUM. Das Forschungsgebiet von Professor Bernhardt ist der Bereich der Technik in den Agrarwissenschaften. Er verfolgt dabei den systemorientierten Ansatz der Interaktion von Technik, Technologie und Verfahren. Seine Schwerpunkte liegen in der sensorgeregelten Präzisionslandwirtschaft, Agrarlogistik, Robotik, Elektromobilität, Melktechnik und agrarischem Energiemanagement.