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25 Jahre DLG-Mitgliedschaft: Interview mit Peter Seeger

Im Dienst sein bedeutet ein Geben und Nehmen

In den letzten 25 Jahren hat sich sowohl in der landwirtschaftlichen Erzeugung als auch in der Vermarktung einiges getan. Kommunikation lautet das Zauberwort. Doch wie soll sie vonstattengehen? Landwirt Peter Seeger schildert seine Eindrücke.

Herr Seeger, Sie sind seit einem Viertel-Jahrhundert in der DLG. Wie kam es dazu?

Ich bin tatsächlich schon früh in die DLG eingetreten, das war schon zu meiner Ausbildungszeit. Das hat aber auch eine Vorgeschichte: Unser Betrieb liegt sehr nahe zu dem Testzentrum der DLG in Groß Umstadt, nur etwa fünf Kilometer entfernt. Dadurch haben wir auch schon immer bei Prüfungen von Stalleinrichtungen oder Futterautomaten mitgemacht. So kam ich schon als Jugendlicher in Berührung mit der DLG. Erst später habe ich dann auch ihre Facharbeit kennengelernt. Nicht zu vernachlässigen waren natürlich von Anfang an die Messekarten, die ich gut und gern genutzt habe. An der DLG schätze ich das gute Netzwerk. Die Netzwerk-Arbeit ist sehr wichtig. Wertvolle Impulse gaben und geben mir zum Beispiel die European Pig Producer. Die Tierhaltung in einem anderen Land anzuschauen ist immer ein absolutes Highlight. Daraus haben sich auch viele Freundschaften entwickelt. 2009 durfte ich auf den DLG-Unternehmertagen den Hauptvortrag halten. Auch daran habe ich eine gute Erinnerung.

Wie hat sich denn Ihr Betrieb in den letzten 25 Jahren entwickelt?

Unser Betrieb hat sich stark auf die Schweinehaltung spezialisiert. Diesen Fokus haben wir schon seit über 40 Jahren. Wir haben intensiviert, sind gewachsen, haben neue Standorte geschaffen. Für die Rationalisierung habe ich auch viel von der DLG gelernt. Ich war im Business Course, habe das DLG-Trainee-Programm mitgemacht, Management-Seminare besucht und viel vom Netzwerk-Wissen profitiert. Wir hatten keine Angst vor großen Beständen und sind Anfang des neuen Jahrtausends auch ins Risiko gegangen, als wir die Schweinehaltung vergrößert haben. Das war denke ich der Boom-Bereich. Die letzten sechs bis acht Jahre waren eher eine Plateau-Phase und jetzt machen wir auch den Abschwung in der Schweinehaltung mit und haben den Bestand wieder abgestockt. Dafür haben wir unseren Betrieb diversifiziert und bieten zum Beispiel Brathähnchen aus Freilandmast und Eier aus Mobilstallhaltung an.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung in der Schweinehaltung?

Die Schweinehaltung hat sich im Laufe der Jahre massiv verändert. Jahrzehntelang war Intensivierung und Rationalisierung angesagt und en vogue. Wir mussten stetig besser werden, mehr Ferkel pro Sau und Jahr erzeugen. Heute geht es in eine andere Richtung. Da muss man sich dran gewöhnen. Früher haben wir auf Kostenführerschaft gesetzt, jetzt geht es auch mehr um das Tierwohl. Die Politik will es, die Gesellschaft will es und so langsam wird es auch bezahlt. Wir sind übrigens seit Anfang an in der Initiative Tierwohl dabei. Allerdings muss ich auch Dinge tun, die ich nicht gut finde…

Was finden Sie denn nicht gut an dieser Entwicklung?

Zum Beispiel haben wir gelernt, dass wir auf die Hygiene achten. Jetzt werden die Schweine bildlich auf die Wiese getrieben. Da gibt es Leptospiren, Schweinepest und viele andere Krankheitserreger. Wir haben darauf geachtet, dass die Sauen möglichst keine Ferkel erdrücken, jetzt läuft die Sau im Abferkelstall wieder frei herum und der Kollateralschaden Ferkelverluste wird in Kauf genommen. In der neuen Haltungsverordnung sind Sachen drin, die fachlich zumindest kritisch zu hinterfragen sind, wie zum Beispiel, dass Sauen im Kastenstand nicht über die Besamung hinweg fixiert werden dürfen. Dies führt in der Praxis zu vielen verletzten Sauen. Die Entwicklung in der Schweinehaltung der vergangenen Jahrzehnte stand immer unter der Prämisse, dass wir ein gutes und günstiges Produkt erzeugen, das sich jeder leisten kann. Das wird inzwischen von vielen in Frage gestellt.

Welche Auswirkungen hat die Entwicklung auf die Schweinehalter und konkret auf Ihren Betrieb?

Trotz der Rationalisierung in der Schweinehaltung haben wir schon in den letzten 25 Jahren immer mehr Tierwohl in die Ställe gebracht. Um darüber zu informieren haben wir viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben und mit dem Schweinemobil oder in Sozialen Medien über die konventionelle Schweinehaltung aufgeklärt. Es hat aber aus meiner Sicht aus mehreren Gründen nicht funktioniert. Die Branche hat sich nicht dazu bekannt, wie sie die Schweine hält, die Verbände haben nur Lippenbekenntnisse abgegeben. Wir hatten nur zwei Schweinemobile, hätten aber zehn oder fünfzehn gebraucht. Mit der gegenwärtigen Entwicklung nehmen wir in Kauf, dass es bald nur noch zwei Drittel der bisherigen Schweinehalter sind. Schweinehalter sind wie Lemminge, sie rennen auch ins Verderben. Ich denke, wir hätten die CMA in anderer Form wiederbeleben müssen und mehr Branchenkommunikation betreiben müssen.

Wir brauchen also eine neue Branchenkommunikation Schwein?

Die DLG gibt dabei super Impulse. Zwar nicht als Branchenkommunikation nach außen, aber zumindest fachlich. Im Ausschuss Schwein werden viele Dinge intern diskutiert und kommuniziert. Als Beispiel möchte ich das Thema Langschwanz nennen. Mastschweine mit langen Schwänzen sind für viele Tierhalter möglich - aber eben nicht für alle. Lassen Sie mich zum Thema Branchenkommunikation ein einprägsames Bild zeichnen: Früher hat Heeremann mit Kohl telefoniert, wenn etwas anstand, ich glaube aber kaum, dass Rukwied eine Standleitung zu Merkel hat. Doch nichts ist beständiger als der Wandel: Wir brauchen eine Generation junger Landwirte, die eben nicht nur Generation Blechporno ist und auf Youtube Schleppervideos schaut. Tierwohl ist wichtig, keine Frage. Aber es muss auch vermittelt werden. Wir haben ja viele Verbraucher im Stall. Auch beim Schweinemobil sagten die allermeisten Menschen, mit denen wir diskutiert haben, das ist gut. Man kann vieles kommunizieren, aber unsere Branche tut das meiner Meinung nach nicht oder zumindest zu wenig.

Wie geht es denn auf Ihrem Betrieb weiter?

Ich bin jetzt nicht so mutig, dass ich sage, ich baue einen Strohstall auf der grünen Wiese. Wir sind schon so langsam im Generationswechsel und unsere Kinder steigen Stück für Stück ein. Der ältere Sohn ist jetzt 20, der jüngere 16 Jahre alt. Ich kann mir vorstellen, dass sie die Schweinemast weiterbetreiben wollen, die Sauenhaltung dagegen vermutlich nicht. Meine Frau und ich sind offen für Alternativen. So haben wir zum Beispiel die Geflügelhaltung auf unserem Betrieb eingeführt. Wir haben zuletzt 800 Sauen gehalten und haben letztes Jahr auf 400 Sauen halbiert. Mit unseren 2.500 Mastplätzen können wir alle selber erzeugten Ferkel im geschlossenen System wieder selber mästen. Alle unsere Tiere sind über die Initiative Tierwohl, ITW, zertifiziert. Wir haben mit Edeka Südwest einen Vertrag und betreiben Immunokastration. Unsere Schweine werden an den Schlachthof in Crailsheim geliefert. Wir machen alles, was unter konventionellen Bedingungen geht. Vor allem nicht mehr kastrieren, da war die Zeit reif dafür. Die Immunokastration ist eine tolle Sache. Die letzten 25 Jahre haben wir mit dem Ziel der Kostenführerschaft gearbeitet. Dann haben wir von unserer Branche erzählt bekommen, „made in Germany“ interessiere keinen mehr. Die Ferkel können auch aus den Niederlanden oder aus Dänemark kommen, das wurde uns schmerzlich bewusst. Umso mehr freut es uns jetzt, wenn Edeka Südwest sagt, uns sind süddeutsche Ferkel etwas wert.

Welche Herausforderungen sehen Sie derzeit und in Zukunft für die landwirtschaftlichen Betriebe?

Als große Herausforderung für alle landwirtschaftlichen und vor allem die tierhaltenden Betriebe sehe ich, geeignete Mitarbeiter zu finden, auszubilden und auch zu halten. Denn die Industrie wird immer bessere Arbeitszeiten und das freie Wochenende haben. Es ist gut für den Betrieb, wenn einer die „große“ Ausbildung, also eine landwirtschaftlich-fachliche Ausbildung hat. Für den Einsatz im Stall sehe ich auch durchaus Potential für angelernte Leute. Wer ein Gespür für Tiere hat, ist dort gut aufgehoben. Man muss als Landwirt anpassungsfähig sein. Hätte mir jemand vor 25 Jahren gesagt, was ich heute mache, ich hätte es mir nicht vorstellen können. Wichtig ist heute und in Zukunft mehr denn je das politische Engagement der Landwirte. Da hält sich die DLG, wie schon gesagt, etwas sehr zurück. Deswegen engagiere ich mich auch in der ISN oder im Bauernverband. Einfach aber nur Parolen raushauen, wie es einige Zusammenschlüsse tun, ist auch nicht mein Ding. Wir haben in der Landwirtschaft schon seit zehn Jahren existenzbedrohende Probleme. Wir haben dies immer kommuniziert und Lösungsvorschläge gemacht. Einfach nur mit zehn Tonnen Blech nach Berlin zu fahren, ist nicht die Lösung.

Wie ist Ihre persönliche Einstellung, Ihr persönliches Fazit?

Die letzten 25 Jahre haben uns unendlich viel abverlangt. Es gibt einige Kompromisse, die wir in den letzten zehn Jahren eingegangen sind, wie zum Beispiel in der Arbeitserleichterung. In Zukunft werden wir uns wohl wieder mehr aufs Wesentliche konzentrieren, aber auch die Diversifizierung vorantreiben. Dabei ist eines klar: wir verkaufen zukünftig unsere Produkte auch über Automaten. Meine Mutter hat schon Direktvermarktung betrieben, einmal pro Woche wurde geschlachtet, dann war sie auf dem Wochenmarkt. Sie redete mit jedem Kunden beim Verkauf des einzelnen Produktes. Wir haben heute 50 Hühner, deren Eier wir über eine Eierklappe verkaufen. Es ist sozusagen Erlebniseinkauf. Die Mütter kommen mit ihren Kindern vorbei und die Kinder dürfen dann die Eier rausnehmen. Die Kunden bringen ihre eigene Verpackung mit und werfen das Geld in die Vertrauenskasse. Das klappt gut, es ist eher zu viel als zu wenig Geld in der Kasse. Wenn es gerade passt, halten wir ein Schwätzchen, wir müssen aber nicht. Ich denke, da ist noch viel Luft nach oben in der Direktvermarktung. Bauern trauen sich oft nicht, die Preise zu erhöhen. Wir sind mit 9 Euro/kg bei den Hähnchen eingestiegen, das hat gut geklappt. Sie werden jetzt auch in einem Mobilstall gehalten. Meine Frau nennt ihn Tiny Chicken House. Es geht heute nicht mehr darum, die Leute satt zu machen, sondern darum, Geschichten zu erzählen.

Mein persönliches Fazit? Ich war bisher viel im Ehrenamt aktiv. Jetzt will ich versuchen, mehr an mich selbst zu denken, Urlaub zu machen, mit meiner Frau die Welt bereisen und erstmal mit den Fahrradwegen in Deutschland anzufangen. Wenn der Betrieb stabil läuft und die Abläufe klar definiert sind, dann können wir auch mit den Kindern neue Wege gehen. Im Dienst sein bedeutet nicht nur ein Nehmen, sondern auch ein Geben, nicht nur raussaugen, sondern auch investieren, dann fruchtet es auch. So ergeben sich neue Horizonte, die sich natürlich erst im Lauf der Zeit herauskristallisieren.

Herr Seeger, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg auf Ihrem Betrieb und bei seiner Weiterentwicklung!

Die Fragen stellte Angelika Sontheimer, Agrarjournalistin, Winsen (Aller).

Zur Person

Peter Seeger bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau Kathrin einen Ackerbau- und Schweinehaltungsbetrieb, die Hof Seeger Zucht GbR, in Otzberg im südhessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg im Odenwald. Zur Schweinehaltung gehören 400 Sauen und 2500 Mastplätze. Der Ackerbau umfasst 320 Hektar, in der Fruchtfolge stehen Weizen, Gerste, Raps, Mais und Zuckerrüben. Die neuesten Standbeine des Betriebes sind Brathähnchen und Eier aus Freilandhaltung. Der 42-jährige Landwirt engagiert sich in vielerlei Verbänden und Ausschüssen, unter anderem in der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, DLG. Dort ist er stellvertretender Vorsitzender des DLG-Ausschusses Schwein, Mitglied im DLG-Gesamtausschuss, Mitglied im Beirat des DLG-Testzentrums Technik und Betriebsmittel und Mitglied im EPP (European Pig Producers). Außerdem engagiert sich der Schweinehalter in der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands, ISN, und in der Genossenschaft zur Förderung der Schweinehaltung, GFS.