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25 Jahre DLG-Mitgliedschaft: Interview mit Elmar Backmann

Individuelle Lösungen statt Allroundberatungsempfehlung

Mutig mit der Gesellschaft, der Politik und den eigenen Mitgliedern zu diskutieren und diese zu vertreten, so sieht Unternehmensberater Elmar Backmann die Aufgabe und den Anspruch der DLG. Für die Landwirtinnen und Landwirte gilt ähnliches, auch sie müssen sich aktuellen Diskussionen stellen und individuelle Lösungen für Ihre Betriebe finden.

Herr Backmann, Sie sind vor 25 Jahren in die DLG eingetreten. Was hat Sie dazu bewogen?

Das ist recht schnell erklärt: Während meiner Tätigkeit in der Dr. Gemmeke GmbH war die DLG noch Mitgesellschafterin dort. Daher bestand ein sehr enger Draht zur DLG. Ich habe dann im Lauf der letzten 25 Jahre viele Angebote der DLG genutzt, angefangen von der Lektüre der DLG-Mitteilungen bis hin zum regelmäßigen Besuch der Agritechnica und der EuroTier mit dem Ziel, die Neuheiten zu erkunden, zu diskutieren und zu bewerten. Dies konnte ich gut nutzen, um mir eine weitere Meinung im Rahmen unserer Beratungstätigkeiten zu verschaffen. Zusätzlich habe ich immer wieder verschiedene Seminare bei der DLG besucht und auch einzelne Seminare gegeben.

Und wie ist Ihrer Meinung nach die Aufgabe der DLG in der Zukunft?

Die Aufgabe der DLG in den nächsten Jahren wird es sein, den Wandel der Zeit und die daraus abzuleitenden Zukunftsperspektiven zu erkennen, aufzuzeigen, mit Fakten aus ihrem Netzwerk aus Forschung und Wissenschaft und Praktikern zu unterlegen und mutig mit der Gesellschaft, der Politik und den eigenen Mitgliedern zu diskutieren und diese zu vertreten.

Wenn Sie auf Ihre jahrzehntelange Beratungstätigkeit in der Agrarbranche zurückblicken, wie haben sich in dieser Zeit die Beratungsschwerpunkte verändert?

Während der ersten 20 Jahre der Beratungstätigkeit lag der Schwerpunkt der Beratung auf der Umsetzung von Wachstumsstrategien einerseits und Einnahme der Kostenführerschaft andererseits. Das Wachsen war unter der Voraussetzung, vernünftige Standortfaktoren und ein hohes Maß an Humankapital zu besitzen, in fast allen Bereichen wie Ackerbau, Veredelung oder Erneuerbare Energien gut möglich. Ein probates Mittel, um die Arbeitserledigungskosten zu senken oder Managementkapazitäten auf neue Betriebszweige konzentrieren zu können, war es, Maschinenkooperationen oder Vollkooperationen zu gründen. Die enge Begleitung dieses Prozesses von der Gründung über die laufende Beratung bis zur Auflösung im Dreiecksverhältnis Mandant – Steuerberater – Unternehmensberater stellt ein Spezialgebiet in unserer Beratungstätigkeit dar.

Gilt denn dieser Zusammenhang der Wachstumsstrategie und Kostenführerschaft nach wie vor ungebrochen?

Diese Frage lässt sich mit einem klaren Jein beantworten. In den letzten fünf Jahren suchen die Betriebsleiter mit zunehmender Tendenz ihre Zukunft eher in den Nischen. Es gibt mit Ausnahme der Kostenführerschaft keine Allroundberatungsempfehlungen mehr. Wachstum bedeutet nicht alles. Die größten Betriebe haben nicht zwingend die besten Bilanzen. Gerade mittelständige Familienbetriebe mit soliden produktionstechnischen Leistungen im oberen Drittel der Vergleichsbetriebe weisen oft eine gute Ausgangsposition für die Zukunft aus. Angesichts der derzeitigen sich überschlagenden Zukunftsvorgaben seitens der Discounter bei zeitgleichem Vakuum seitens der Politik fühlen sich mitunter viele Betriebsleiter überfordert, ihre Zukunftsperspektive zu finden. Doch hier kann es auch ein Zeichen von Unternehmertun sein, den Mut zu besitzen und die Zeit auszusitzen, bis „der Nebel sich legt“ und dann die Möglichkeiten, die sich für den ein oder anderen individuell ergeben, zu verfolgen und umzusetzen.

Welches sind denn individuelle Möglichkeiten für die Landwirtinnen und Landwirte, ihre Betriebe in die Zukunft zu führen?

Das ist zum Beispiel die Übernahme durch Pacht oder Kooperation mit aufgabewilligen Betrieben, sowohl als zukünftig aktiver wie auch passiver Part. Weitere Chancen bieten die Direktvermarktung, die Verpachtung und/oder Mitbetrieb von Windenergiestandorten, Freiflächen-Photovoltaik oder die Weiterentwicklung von Biogasstandorten auch über das EEG hinaus. Wichtig ist die betriebsindividuelle Betrachtung. Was sich aber über all die Jahre nicht verändert hat ist die zwingende Notwendigkeit, die Kennzahlen des eigenen Unternehmens zu kennen, um ein realistisches Bild zur Wettbewerbssituation darstellen zu können.

Wie schaffen Sie es, in der Unternehmensberatung bei den regelmäßig neuen bzw. geänderten Gesetzen immer auf dem neuesten Stand zu sein?

Für eine gute Beratung ist es zwingend erforderlich, durch Fachlektüre und Seminare immer auf dem Laufenden zu bleiben. Das coronabedingt zunehmende Angebot an Onlineschulungen und –seminaren erleichtert die Teilnahme, da Reisetätigkeiten entfallen. Geschmälert wird dieser Mehrgewinn aber durch den fehlenden Austausch im Rahmen von Präsenzveranstaltungen mit der Möglichkeit, sein Netzwerk zu pflegen und auszubauen. Angesichts der Vielfalt in der Landwirtschaft und der damit zusammenhängenden Pflicht zur Informationsbeschaffung bin ich froh, kein Einzelkämpfer zu sein, sondern in unserem Beratungsunternehmen die jeweiligen Spezialisten zu haben, deren Know how nur in dem Bereich der reinen Betriebswirtschaft deckungsgleich ist, denn den Allroundberater gibt es nicht!

Wie ist denn ihr persönlicher Ausblick für die Agrarbranche in den nächsten zehn Jahren?

Ich glaube, dass die Landwirtschaft in den nächsten zehn Jahren vor einem Wandel stehen wird, wie wir ihn in den letzten 25 Jahren nicht gekannt haben. Hierzu seien nur einige Stichworte ohne Anspruch auf Vollständigkeit genannt: Klimawandel, Umstellung der Ernährungsgewohnheiten, Digitalisierung, Regionalisierung, Ökologisierung. Dieses wird zu einem an Geschwindigkeit stark zunehmenden Strukturwandel in der Landwirtschaft, aber auch im vor- und nachgelagerten Bereich führen. Eine erfolgreiche Perspektive haben die Betriebsleiter, die eine gute Ausbildung besitzen und die fähig sind, ihre Ausgangslage und Standortfaktoren zu sondieren, um darauf eine individuelle Perspektive aufbauen zu können. Sofern sie dann auch noch mit einer positiven Grundeinstellung durchs Leben gehen und der typische berufsbedingte Stein auf der Brust nicht zu schwer ist, damit sie sich selbst, die Familie und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immer motivieren können, werden die Chancen, eine positive Zukunft für sich und ihr Unternehmen erreichen zu können, deutlich besser. Im Sinne des Vermögenserhalts des Unternehmers kann und wird die durchaus richtige Lösung aber auch für den ein oder anderen Unternehmer außerhalb der Landwirtschaft liegen. Diese Entscheidung gilt es früh genug zu treffen.

Herr Backmann, vielen Dank für das anregende Gespräch und auch in Zukunft viel Erfolg bei der betriebsindividuellen Beratung!

Das Gespräch führte Angelika Sontheimer, Agrarjournalistin, Winsen (Aller).

Zur Person

Nach seiner landwirtschaftlichen Ausbildung studierte Elmar Backmann in Göttingen Agrarwissenschaften. Von 1991 bis 1994 bewirtschaftete er den elterlichen Betrieb mit Ackerbau, Ferkelproduktion und Schweinemast, seit 1995 wird der Betrieb in Form einer Voll-GbR zusammen mit einem Nachbarn bewirtschaftet. Seit 2003 betreibt er außerdem zusammen mit Nachbarn eine Windenergieanlage und seit 2010 eine Biogasanlage. Zwischen 1994 bis 2004 war der Diplomagraringenieur Unternehmensberater bei der Dr. Gemmeke GmbH, in Hannover und Bruchhausen-Vilsen und seit 2005 ist er geschäftsführender Partner in der Backmann & Domröse Unternehmensberatung in Hannover und Stuhr. Elmar Backmann ist verheiratet und hat drei Kinder.