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Paneltraining und COVID-19

Praktische Ansätze zur Sinnesschulung bei Geruchs- und Geschmacksbeeinträchtigungen

DLG-Expertenwissen 05/2022

Autoren:


Sowohl im DLG-Expertenwissen zur Aromaschulung (DLG-Expertenwissen 1/2017) als auch im dreiteiligen Praxisleitfaden zur Panelschulung (DLG-Expertenwissen 7/2017; 12/2018 und 2/2020) werden die Anforderungen an die Auswahl, Schulung und regelmäßige Überprüfung ausgewählter Prüfer und Sensoriker dargelegt. Für sie ist ein funktionsfähiger Sinnesapparat von besonderer Bedeutung, da sie regelmäßig, quasi als „kalibriertes“ Messinstrument, bei sensorischen Prüfungen, beispielsweise in der Qualitätssicherung oder im Rahmen der Produktentwicklung eingesetzt werden. 

Auch Laien, die als ungeschulte Verbraucher in der Marktforschung an Verkostungen teilnehmen, sollten grund­legende sensorische Kompetenzen aufweisen. Nur wenn alle über eine entsprechende Wahrnehmungsfähigkeit verfügen, können sie fachliche Aussagen hinsichtlich Aussehen, Textur, Geruch und Geschmack von Erzeugnissen treffen. Darüber hinaus bereichert ein sensibler gesunder Sinnesapparat die Lebensqualität eines jeden Verbrauchers. Erst das komplexe Zusammenspiel all unserer Sinne lässt eine Mahlzeit zum umfänglichen Geschmackserlebnis werden. Zudem erfüllt ein gesunder Sinnesapparat eine wichtige Schutzfunktion indem er zum Beispiel vor dem Verzehr verdorbener Erzeugnisse warnt.
 
Die Corona-Pandemie und die damit verbundene COVID-19-Erkrankung kann den Geruchs- und Geschmackssinn erheblich beeinflussen. So treten bei etwa 60 Prozent der Erkrankten akute Riech- und Schmeckstörungen auf, die mit einem verminderten Geruchsvermögen, einer Fehlwahrnehmung von Gerüchen oder einem kompletten Riechverlust einhergehen können. Diese Störungen der Sinneswahrnehmungen normalisieren sich bei den meisten Betroffenen nach einigen Wochen und nach Abklang der Erkrankung wieder; andere wiederum weisen noch Monate später Symptome auf, so dass negative Auswirkungen auf das Essverhalten und auf die gesamte Lebensqualität die Folge sein können. 

Das nachfolgende Expertenwissen zeigt anhand eines Fallbeispiels aus der Praxis auf, welche Möglichkeiten es gibt, neben ärztlich verordneter medizinischer Maßnahmen, auch über ein regelmäßiges und gezieltes Training der Sinneswahrnehmung den geschädigten Sinnesapparat bei der Genesung zu unterstützen und verlorene Sensitivitäten wieder zu erlangen. Es gibt eine Vielzahl von Referenzmaterialien, die dazu eingesetzt werden können. Die dargestellten fachlichen Ausführungen sollen als Anhaltspunkt und Ideengrundlage für Sensorikverantwortliche dienen. Zudem sollen sie den Verantwortlichen und den Betroffenen Mut machen, sich proaktiv diesem Thema zu widmen, um den wichtigen sensorischen Warnmechanismus, die persönliche emotionale Wahrnehmung und den Geschmack wieder ins Leben und in den Berufsalltag zurück zu holen.

Hintergrund

Zahlreiche Menschen kennen die Symptome: Bei Erkältungen oder grippalen Infekten ist das Riech- und Schmeckvermögen häufig beeinträchtigt. Sobald die Schwellung der Nasenschleimhaut wieder abklingt, stellt sich dieses jedoch häufig wieder ein. Bei vielen an COVID-19-erkrankten Personen ist die Schädigung des Geruchsapparats allerdings schwer­wiegender als bei einer normalen Erkältung. Gemäß einer seit 2020 gestarteten Studie des Instituts für Neuro­wissenschaften und Medizin des Forschungszentrums Jülich, nahmen das Riechvermögen bei den Erkrankten im Mittel um 80 Prozent und der Geschmack um rund 70 Prozent ab. Trigeminale Empfindungen wie „Brennen“, „Kälte“ oder „Prickeln“, die die Wissenschaftler als „Irritation“ bezeichnen, gingen bei rund 37 Prozent der Erkrankten zurück. Ein Großteil der Betroffenen beklagte einen vollständigen Verlust des Wahrnehmungsapparats im Mund-Nasen-Rachenbereich.

Gemäß den Aussagen von Prof. Dr. Thomas Hummel, Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Riechen und Schmecken an der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des Universitätsklinikums Dresden, sind insgesamt etwa 50 bis 60 Prozent aller Coronakranken von Beeinträchtigungen des Geruchssystems betroffen. Beruhigend ist für diesen Anteil, dass 80 bis 95 Prozent von ihnen nach einigen Wochen oder spätestens nach zwei Monaten wieder riechen können wie zuvor. Bei den anderen, die etwa zweieinhalb bis acht Prozent der COVID-19-Patienten ausmachen, dauert der temporäre olfaktorische Ausfall länger. Erfahrungswerte vergleichbarer Erkrankungen zeigen, dass sich bei rund zwei Drittel derer, die längerfristig noch nicht wieder riechen können, nach Monaten oder gar Jahren der Geruchssinn wieder regeneriert, bei einem Drittel jedoch gar nicht mehr. 

Wie verändert COVID-19 das Riechen und Schmecken?

Bezeichnend für eine COVID-19-Infektion ist, dass die Betroffenen in der Regel rund einen Monat lang erkrankt sind. Diese Langwierigkeit und auch der im Vergleich zu anderen viralen Infektionen besondere Krankheitsverlauf beruht auf den typischen Mechanismen der Coronaviren. COVID-Patienten können – im Gegensatz zu Grippeerkrankten – in der Regel sehr gut durch die Nase atmen, da diese selten zugeschwollen ist. Der Geruchssinn ist dennoch von Beginn an beeinträchtigt. Häufig ist festzustellen, dass der Riechverlust als Erstes eintritt und danach weitere Symptome folgen. 

Damit wird deutlich, dass die Viren das Geruchssystem direkt befallen und folglich die orthonasale, wie auch die retronasale Geruchsempfindung – welche maßgeblich zur komplexen Geschmackswahrnehmung beiträgt – sowie der nasal-trigeminale Bereich eingeschränkt ist. Der reine Geschmacksinn, also die Wahrnehmung der Grundgeschmacksarten über die Rezeptoren auf der Zunge, scheint dagegen weniger häufig beeinträchtigt zu sein. 

Aktuell ist davon auszugehen, dass der Grund dafür in der Sinnesphysiologie liegt. Denn die Sinneszellen im Geruchssystem bestehen aus Neuronen, während sich die Geschmacksknospen der Zunge aus verschiedenen anderen Zelltypen zusammensetzen. Der genaue Mechanismus ist jedoch noch nicht bis ins letzte Detail geklärt. Da sich die Riechfunktion bei den meisten Betroffenen binnen einiger Wochen erholt, ist eine echte Nervenschädigung auszuschließen. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass das Corona-Virus die Nervenzellen im Geruchssystem angreift, indem es sich an die Zellen des Riechepithels anheftet und diese schädigt. Laut einer Arbeitsgruppe um Sandeep Robert Datta, Neurobiologie an der Harvard Medical School in Boston, ist zudem denkbar, dass das Virus die Stützzellen infiziert, so dass diese die Nervenzellen nicht mehr ausreichend schützen und mit Nährstoffen versorgen können. Eine italienische Arbeitsgruppe hingegen stellte einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg des Entzündungs-Signalstoffs Interleukin-6 im Blut und dem Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns fest, so dass eine Entzündung von Blutgefäßen im Riechkolben ebenfalls eine mögliche Ursache sein könnte.
 
Selbst wenn durch den COVID-19 Virenbefall Sinneszellen absterben, können sie sich mittels der Basalzellen wieder regenerieren, was jedoch einen längeren Zeitraum, d. h. in der Regel mehrere Monate erfordert. Während dieser Regenerierungsphase tritt häufig eine Parosmie auf, d. h. Gerüche werden anders wahrgenommen als gewohnt. So können beispielsweise Blumen nicht nach Blumen riechen, sondern einen Fremd- oder Fehlgeruch hervorrufen. Da es sich hierbei meist um abstoßende Gerüche, wie Fäkalien, Verbranntes o. ä. handelt, ist dies sehr irritierend und belastend für die Betroffenen. Auch das phasenweise Wahrnehmen nicht vorhandener Gerüche ist ein störendes Begleitsymptom. Beides kann jedoch ein Hinweis darauf sein, dass sich der Geruchssinn langsam wieder herstellt. Im Normalfall aktivieren die aufgenommenen verschiedenen Duftmoleküle eine Vielzahl von Geruchsrezeptoren. Das so entstehende Muster wird vom Gehirn mit einer bestimmten Geruchswahrnehmung verbunden. Sofern im Rahmen einer COVID-Erkrankung unterschiedliche Geruchsrezeptoren ausfallen, verändert sich das Reizmuster und damit wird die Geruchsinterpretation und -erkennung gestört.

Prinzipiell ist der lang andauernde Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns sehr belastend und kann unter Umständen zu weiteren, meist psychischen Erkrankungen bei den Betroffenen führen. 

Bedeutung eines sensiblen Sinnesapparates für geschulte Prüfer und Verbraucher

Geschulte Sensoriker, die in den verschiedensten Funktionsbereichen der Lebensmittelwirtschaft tätig sind, müssen über einen funktionierenden, sensitiven Sinnesapparat verfügen. Sie sind unter anderem dafür verantwortlich, Qualitätsabweichungen von definierten Produktstandards zuverlässig zu erkennen. Aber auch in der Entwicklung und mit der Überarbeitung von Rezepturen beschäftigte Fachkräfte sind regelmäßig gefordert, u. a. Prototypen oder rohstoffbedingte Reformulierungen sensorisch zu bewerten. In der Marktforschung, wo Haushalts- und Verbraucherpanels eingesetzt werden, ist das Vorhandensein einer gesunden Sinneswahrnehmung ebenfalls wichtig, um verlässliche und aussagekräftige Geschmacksbeschreibungen und Produktbewertungen abgeben zu können, die dann in die Entwicklung neuer bzw. in die Überarbeitung bestehender Rezepturen und Produktkonzepte münden.

Viele der im Sensorikbereich tätigen Verantwortlichen kennen die Herausforderungen von heute: Fachlicher, zeitlicher und finanzieller Druck erschweren das Rekrutieren und Motivieren potenzieller Prüfer zu sensorischen Schulungen bzw. zu regelmäßiger Mitarbeit. Bedingt durch die noch anhaltende Corona-Pandemie und die damit verbundenen fortlaufenden COVID-19-Erkrankungen, rückt in diesem Kontext noch stärker die Frage nach einem gesunden und sensiblen Sinnes­apparat bei den Panelisten in den Vordergrund. Zu hoch sind die Risiken fehlerhafter Produktbewertungen bedingt durch das Vorhandensein möglicher sensorischer Defizite bei den Prüferpanels.

Aber auch für Verbraucher ist ein umfassendes sensorisches Geschmacksempfinden immens wichtig, um den privaten und den beruflichen Arbeitsalltag zu bestreiten. Dies betrifft sowohl die Mitarbeit als Prüfer in der Marktforschung beispielsweise im Rahmen sensorisch-hedonischer Akzeptanz- und Präferenztests, als auch das Vorhandensein der Gefahrenerkennung im privaten Bereich, was einen unmittelbaren Einfluss auf die Lebensqualität hat und nach Beeinträchtigungen durch COVID-19 Erkrankungen zurückgewonnen werden muss. 

Wie bereits aus dem regelmäßigen Training von in der sensorischen Analyse tätigen Prüfern und Panels bekannt ist, lässt sich die menschliche Sinneswahrnehmung über wiederholte Verkostungen trainieren und sowohl die Empfindlichkeit als auch die Beschreibungsfähigkeit der erkannten Aromakomponenten sukzessive verbessern bzw. im Panel sehr gut standardisieren. Auch sensorische Defizite, die sich auf eine COVID-19-Erkrankung zurückführen lassen, können durch eine regelmäßige Schulung der Sinne gemindert werden und die von Ärzten angeordneten Maßnahmen unterstützen. So hat insbesondere ein Forscherteam um Prof. Thomas Hummel am Universitätsklinikum Dresden, geäußert, dass sich der Verlust des Geruchsinns bei einer SARS-CoV2-Infektion in den meisten Fällen wieder restituiert und, dass sich dieser Prozess zudem durch Übungen mit wenigen ausgewählten Duftnoten beschleunigen lässt.

Schulungskonzept am Beispiel eines Post Covid Rehab Kits – Praktische Erfahrungen und Grenzen

Prof. Hummel rät Patienten, die länger unter Riechverlust leiden, zu einem regelmäßigen Riechtraining. Das Nachwachsen der gestörten Zellen benötigt Zeit, denn die Zellausläufer müssen vom Riechepithel der Nase aus, eine gewisse Distanz bis zu ihrem Anschluss im Gehirn überwinden.

Die Geschwindigkeit der Erholung lässt sich durch ein regelmäßiges Riechtraining verdoppeln bis verdreifachen, so der Riechexperte. Vordergründig sollten die vier verschiedenen Duftarten floral (z. B. Rose), fruchtig (z.B. Zitrone), würzig (z. B. Gewürznelke) und harzartig (z. B. Eukalyptus) trainiert werden, da diese unterschiedliche Klassen olfaktorischer Rezeptoren ansprechen und einen großen Teil des Riechspektrums abdecken. Wenngleich zwar mehr als 400 Gerüche in diesem Kontext möglich seien, genügten zunächst diese vier, um die Übungszeiten effizient zu gestalten und konsequent einzuhalten, so der Mediziner. Die Duftnoten könnten nach zwei bis drei Monaten gewechselt werden. Zudem sollten auch Riechstoffe verwendet werden, die den Nervus Trigeminus stimulieren und mit einer Art Stechen oder Kribbeln bzw. dem Empfinden von Schärfe verbunden sind. 

Den Empfehlungen von Prof. Hummel sowie den eigenen Erfahrungen aus der Sensorikpraxis und Panelschulung folgend, hat das Team „Sensory Insights“ der Zentralen Forschung & Entwicklung der Unternehmensgruppe Theo Müller, eine „Corona Reha Box“ entwickelt (vgl. Abbildung 1).

Ziel dieser Initiative war es, über die Entwicklung eines speziellen Trainingskits einen nachhaltigen Beitrag zur Gesundheit bzw. Rehabilitation für alle Mitarbeitenden der Unternehmensgruppe Theo Müller zu leisten, die bedingt durch eine Corona-Infektion an einer Beeinträchtigung ihres Geruchs- und Geschmackssinns leiden oder auch infolge anderer Atemwegserkrankungen mit Geruchseinschränkungen belastet sind. Die Corona Reha Box dient in erster Linie dem Sinnestraining, trägt aber auch zur Aufklärung, Motivation und als Mutmacher für die betroffenen Mitarbeitenden und deren Familienangehörige bei. Mit der Konzeption einer deutsch- und englisch-sprachigen Variante, erhalten auch international tätige Mitarbeitende die Möglichkeit ihre beeinträchtigten Sinne zu rehabilitieren. Daneben steigert diese Initiative die Präsenz der Sensorikabteilung unternehmensweit und trägt zur Imageförderung intern bei. Dies liefert letztlich auch in Summe einen positiven Beitrag für dieUnternehmensgruppe Theo Müller als Arbeitgeber und deren Engagement für die Mitarbeitenden.

Inhaltlich wurde der im Unternehmen etablierte Leitspruch „Adding Taste To Life“ genutzt. Unter dem Motto „Adding Taste Back To Life“ werden in der Corona Reha Box drei Trainingsbereiche abgedeckt, die u. a. dem in DIN- bzw. ISO-Normen beschriebenen Paneltraining bei Sensorikern entsprechen (vgl. Abbildung 1): Geruchstraining, Training der Grundgeschmacksarten und die Wahrnehmung trigeminaler Reize.

Ein in leicht verständlicher Sprache verfasstes allgemeines Informationsblatt führt zunächst in die Thematik ein, erläutert Hintergrundwissen über die menschlichen Sinne und bietet über einen QR-Code den Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich einer Corona-Selbsthilfegruppe anzuschließen. Dort können sie sich mit Gleichgesinnten austauschen und weitere Unterstützung erfahren.

Das Geruchstraining zur Regeneration der Riechzellen besteht im praktischen Teil aus vier Duftstoffröhrchen. Die Geruchswahrnehmung erfolgt durch sanftes Schnuppern an den geöffneten Röhrchen. Angeboten werden hier die einzeln verpackten Duftproben „Zitrone“, „Geranie“, „Gewürznelke“ und „Eukalyptus“. Im Informationsblatt werden allgemeines Wissen zum Geruch vermittelt und eine konkrete Anleitung zur Nutzung der Geruchsröhrchen gegeben, die mehrmals täglich, aber mindestens einmal morgens und abends, abgerochen werden sollten. Ergänzt wird dies durch drei verbal beschriebene Zusatzübungen, die unkompliziert in den Alltag der Betroffenen integriert werden können. Hierbei handelt es sich um die detaillierte geruchliche Beschreibung des Lieblingsessens, die bewusste Wahrnehmung und Erfassung von Gerüchen am Morgen, Mittag und Abend sowie eine Aufforderung, Gerüche gezielt in den verschiedenen Räumen im Haushalt zu erkunden und beispielsweise das eigene Gewürzregal geruchlich zu erforschen (vgl. Abbildung 2).

Die Wahrnehmung der fünf Grundgeschmacksarten wird durch einen Schmeckstreifentest der Firma Burghart Messtechnik geschult. Auch hierbei führt ein Informationsblatt in die Thematik ein und beleuchtet den Unterschied zwischen retronasalem Riechen und dem Empfinden der Grundgeschmacksarten. Zudem wird der Umgang mit den Schmeckstreifen der Richtungen „süß“, „sauer“, „salzig“, „bitter“ und „umami“ beschrieben. Auf einem Geschmacksprotokoll können während der Verkostung die Ergebnisse notiert werden. Über einen angefügten QR-Code gelangt man zur Testauflösung, die Auskunft über die eigene aktuelle geschmackliche Leistungsfähigkeit gibt. 

Auch der Geschmackssinn lässt sich mit vielfältigen Produkten aus dem Alltag zusätzlich trainieren, um die Grundgeschmacksarten bewusst wahrzunehmen. Dazu gibt es auch für diesen Sinnestest Zusatzübungen, die auf haushaltsübliche Zutaten wie Zucker, Zitronensaft oder Salz zurückgreifen. Wichtig ist das weitere regelmäßige Üben im Alltag. Es werden viele Beispielprodukte angeführt, die typisch für eine oder eine Kombination mehrerer Grundgeschmacksarten sind. So werden u.a. Honig für „Süße“ und grüner Tee für „Bitterkeit“ empfohlen sowie saure Gummibärchen für die Geschmackskombination „süß-sauer“ oder frische Grapefruit für die Wahrnehmung „sauer-bitter“ (vgl. Abbildung 3). 

Die Trigeminalen Reize werden in der Corona Reha Box durch Empfindungen von „Schärfe“ und „Kälte“ getestet. Auf diesem Informationsblatt sind einführend allgemeine Hintergrundinformationen gegeben, bevor die Übungen zur Intensitätsbewertung der trigeminalen Empfindungen „kühl“ und „scharf“ beschrieben sind. Auf einer strukturierten Linienskala mit den Eckpunkten „keine Wahrnehmung“ bis „sehr intensiv“ sollen die Probanden einmal über die Verkostung eines Mentholbonbons die Empfindung „kühl“ und dann mittels grüner Pfefferkörner die Empfindung „scharf“ in ihrer jeweiligen Intensität bewerten. Wie bei den anderen sensorischen Übungen, gibt es auch im Kontext des trigeminalen Sinnestrainings Tipps für weitere praktische Alltagsübungen, wobei in einer Liste trigeminaler Empfindungen die damit in Verbindung stehenden Lebensmittel aufgeführt sind. Dabei wird zwischen trigeminalen Empfindungen, die über die Nase, wie beispielsweise, Essig für „stechend“ und solche, die über den Mund empfunden werden können, wie unter anderem Brausepulver für „prickelnd“ unterschieden. Auch das komplexe Geschmackserlebnis beim Verzehr von Chilli-Schokolade wird als Übung aufgeführt (vgl. Abbildung 4).

Die bisherigen praktischen Erfahrungen mit der Corona Reha Box sind überaus positiv. Die Betroffenen erfahren mit diesem sensorischen Trainingsangebot nicht nur eine unmittelbare Unterstützung für das Training ihrer Sinne und zur Wiedererlangung ihrer sensorischen Leistungsfähigkeit bzw. Sensitivität. Sie werden auch bestärkt, mit dem Thema offensiv umzugehen und den Genesungsprozess durch regelmäßige Übungen zu unterstützen. Der Schmeckstreifentest soll ebenfalls Mut machen, denn häufig stellt er das wichtige erste Erfolgserlebnis dar, wenn gerade die Grundgeschmacks­erkennung nicht durch COVID-19 gestört ist.

Das Angebot spricht nicht nur eine Vielzahl von Personen in der Unternehmensgruppe Theo Müller an, es ermutigt darüber hinaus die Branche, sich proaktiv diesem wichtigen Thema zu widmen. 

Fazit

Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen COVID-19-Erkrankungen werden unsere Gesellschaft kurz-, mittel- und langfristig weiter beschäftigen. Erwartet werden fortlaufend neue Virusmutationen, die mit unterschiedlichen Krankheitssymptomen einhergehen und verschiedene Organsysteme betreffen können. Sofern der menschliche Sinnesapparat angegriffen und geschädigt wird, sind im Zuge der Rekonvaleszenz begleitende Sensorikschulungen und ein gezieltes regelmäßiges Training der Sinne wichtige Maßnahmen zur Förderung der Genesung. 

Das Fallbeispiel der Unternehmensgruppe Theo Müller macht allen Betroffenen und der Lebensmittelbranche Mut, sich proaktiv mit dem Thema Sensorik als Wissenschaft intensiv zu beschäftigen. Nur so kann es gelingen, den wichtigen sensorischen Warnmechanismus, die persönliche emotionale Wahrnehmung und den Geschmack dauerhaft ins Leben und in den Berufsalltag zurück zu holen.

Literatur

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Kontakt

Simone Schiller • Geschäftsführerin DLG-Fachzentrum Lebensmittel • Tel: +49(0)69/24 788-390 • S.Schiller@DLG.org