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Lebensmittelsensorik 4.0 - Bedeutung und Perspektiven der Digitalisierung in der sensorischen Qualitätskontrolle und Produktentwicklung

DLG-Expertenwissen 15/2018


In der Lebensmittelwirtschaft werden, wie auch in anderen Industriebereichen, Impulse für die digitale Zukunft gesetzt. Der Mensch steht dabei im Zentrum der im Kontext von Industrie 4.0 zu bewältigenden Aufgaben und ist gefordert, die sich bietenden Chancen der Informationstechnologie und Digitalisierung zu nutzen und die möglichen Risiken im Blick zu behalten. Diese Entwicklung macht auch vor dem Bereich der Lebensmittelsensorik nicht Halt. In vielen Unternehmen ist die Datenerhebung, -auswertung und -verwaltung humansensorischer Tests bereits EDV-unterstützt. Am Markt werden diesbezüglich verschiedene Software-Programme angeboten, die die Prozesse rund um die sensorische Qualitätssicherung und Produktentwicklung unterstützen. Allerdings ist eine weitere Vernetzung und Automatisierung des Datenmanagements dieser Bereiche innerhalb des Unternehmens und auch mit den Lieferanten und Kunden erstrebenswert. Für ein effizientes Sensorik-Management im digitalen Umfeld sind folglich stets individuelle Lösungsstrategien mit einem hohen praktischen Nutzen zu entwickeln. 

1. Hintergrund, Definition und Ziele von Industrie 4.0

Der Begriff Industrie 4.0 steht für die vierte industrielle Revolution und wurde erstmals im Jahr 2012 in Deutschland benutzt. Damit will man zum Ausdruck bringen, dass nach der Mechanisierung, Elektrifizierung und Automatisierung nun die Digitalisierung und Vernetzung folgt. Durch die Verbindung von Menschen, Objekten und Systemen entstehen dynamische, echtzeitoptimierte und unternehmensübergreifende Netzwerke entlang der Wertschöpfungsketten mit dem Ziel einer zunehmenden Optimierung der Organisation und Steuerung von Prozessen. Anders als bei vorherigen technologiegetriebenen Umbrüchen geht es dieses Mal nicht um eine einzelne Technologie, sondern vielmehr um die Verknüpfung von verschiedenen Methoden und Technologien aus der Informations- und Kommunikationstechnik.

Um Industrie 4.0 umzusetzen, kombiniert ein Unternehmen individuell Methoden, Technologien, Daten, Modelle, Dienste und Prozesse. Die Optimierung kann somit sowohl innerhalb verschiedener Unternehmensbereiche als auch an den Schnittstellen zu Kunden, Lieferanten oder Partnern ansetzen. Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung von Industrie 4.0-Elementen sind transparente, effiziente Prozesse und ein strukturiertes Datenmanagement. Es gilt aber stets das Verhältnis zwischen zu erwartenden Marktvorteilen und Risiken im Zusammenhang mit der steigenden Systemkomplexität zu klären (vgl. Abbildung 1). 

Bei der organisatorischen Einbettung einer zunehmend komplexeren Informationstechnologie müssen erfahrungsgemäß verschiedene Hürden überwunden werden. Es bedarf des Erlernens von neuem Know-how und zudem müssen die bestehenden Prozesse hinsichtlich ihrer Effizienz und Zielführung hinterfragt werden, sodass ggf. Routineabläufe modifiziert bzw. gebrochen werden könnten. Durch die Flut an Informationen sowie dem oft fehlenden Wissen bezüglich der digitalen Welt sind insbesondere KMU stark gefordert. Wie soll man konkret beginnen? Brauche ich zuerst eine Vision und Strategie? Welche Technologien setze ich ein? Am Anfang gibt es unzählige offene Fragen, was die Unsicherheit stark erhöht. Die Gefahr besteht, dass das Thema aufgeschoben oder nur halbherzig angegangen wird. Allerdings ist eine gezielte Auseinandersetzung mit der digitalen Transformation dringend erforderlich, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu sein und weiterhin Bestandteil der zunehmend komplexeren Wertschöpfungsketten zu bleiben.

2. Digitalisierung im Spannungsfeld Konsument und Lebensmittelwirtschaft

In der Lebensmittelwirtschaft sind viele Ansätze der Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, vom Einkauf über Logistik, Produktion, Qualitätssicherung, Marketing, Vertrieb bis zum Service vorhanden.  

Die digitale Integration im Bereich Vermarktung und Vertrieb ist bereits gut etabliert. Wie werden die Konsumenten in Zukunft einkaufen? Wie werden sie essen und bewerten? Diese Fragen zielen nicht nur auf Veränderungen des Konsumverhaltens ab, sondern auch auf die Beziehung zwischen Verbrauchern und Wirtschaft. Kunden nutzen immer häufiger soziale Netzwerke und Bewertungsplattformen, in denen sie ihre Einschätzung und Kritik gegenüber Unternehmen und deren Produkte öffentlich für jeden einsehbar mitteilen können. Für Verkäufer und Hersteller besteht deshalb die Herausforderung darin, im Internet möglichst transparent Informationen über ihre Produkte zur Verfügung zu stellen.   

Mithilfe von Big Data wissen die Unternehmen mehr denn jemals zuvor über ihre Kunden, und das Wissen wird mit der zunehmenden Digitalisierung und Datensammlung wachsen. Damit sind Unternehmen in der Lage, Konsumerlebnisse, Produkte und Services im Sinne der Verbraucher zu optimieren, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und letztlich ihren Umsatz zu steigern.

In der Beziehung zum Konsument kann ein in der Lebensmittelbranche tätiges Unternehmen durch die richtige Interpretation von Big Data zusätzliche Glaubwürdigkeit und Sicherheit vermitteln. Insbesondere dann, wenn die digitale Transformation auch in den Bereichen Qualitätssicherung und Services implementiert ist. Demzufolge sind die Themen der Digitalisierung nicht nur im Lebensmittelhandel, sondern auch bei den Lebensmittelherstellern von hoher Dringlichkeit. Sie sind deshalb verstärkt auf der Agenda von Management-Meetings zu finden und prioritäre Projekte der Geschäftsleitung.

3. Digitalisierte Qualitätssicherung im Unternehmensprozess

Mit dem Fokus, den Konsumenten eine optimale Produktqualität zu liefern und die Kundenbedürfnisse bestmöglich zu decken, ist die Digitalisierung der Qualitätssicherung in den meisten Lebensmittelfirmen bereits teilumgesetzt oder mindestens thematisiert. Datenbankorientierte Anwendungssysteme können die Probenbearbeitung effizient unterstützten und die anfallenden großen Datenmengen in strukturierter, auswertbarer Form speichern. So realisieren zum Beispiel LIMS (Labor-Informations- und Managementsysteme) eine lückenlose und automatisierte Prozesskette von der Registrierung des Probeneinganges über die Vorgabe des Untersuchungsparameters und -umfangs und die Datenerfassung von Analysenergebnissen bis hin zum Berichtswesen bzw. zu wirtschaftlichen Auswertungen im Labor. Bei der Entscheidung für ein LIMS sind selten nur die Rationalisierung, also die Einsparung von Zeit und Geld, maßgebend, sondern auch die Möglichkeit, Qualitätsprobleme frühzeitig zu erkennen und ihnen gegensteuern zu können. 

Diese Systeme zur Digitalisierung der Qualitätssicherung haben idealerweise Schnittstellen zu anderen betriebsinternen Datensystemen bzw. zu übergeordneten Planungssystemen (ERP-Systeme). 

Für eine optimale Qualität und hohe Konsumentenakzeptanz müssen die Systeme aussagekräftige und relevante Daten messen. Was sind die kritischen Eigenschaften für den Konsumenten, welche Ausprägungen sind bevorzugt und wieviel Abweichung vom Sollwert ist zulässig? Diese Vorgaben müssen vom Marketing definiert und durch die Qualitätssicherung mit entsprechenden analytischen Werten spezifiziert werden. Es wird festgelegt, welche analytischen Parameter und Prozessparameter dazu benötigt werden, damit der Herstellungsprozess soweit wie möglich automatisiert und in Echtzeit kontrollierbar ist (vgl. Abbildung 2). Der Prozess wird so überwacht, dass die kritischen Parameter immer eingehalten werden. Durch die Echtzeit-Kontrolle können Abweichungen früh festgestellt und sofort korrigiert werden, bevor sie außerhalb der Toleranz liegen. Vermehrt werden Kontrollen direkt in der Produktion gemacht und nicht mehr im Labor. So können durch Infrarot-Messgeräte Fettgehalt und Trockenmasse sowie die Qualität weiterer wesentlicher Inhaltsstoffe gemessen werden. Bei Abweichungen werden sofort Maßnahmen ergriffen und zum Beispiel durch Zugabe von Fett oder Wasser korrigiert. Dies geschieht idealerweise vollautomatisiert, aber auch partiell noch manuell.

Im Bereich des Aussehens und bei der Textur/Haptik können Echtzeit-Kontrollen den Prozess für eine konstante Produktqualität weitgehend regulieren. Diese physikalischen Reize der Sinneswahrnehmung, beziehungsweise Eigenschaften wie Farbintensität, Fleckenbildung, Knusprigkeit, Feuchtigkeit oder Cremigkeit, werden mit Sensoren gemessen und digital gesteuert. Im Gegensatz dazu sind die für die Geruchs- und Geschmackswahrnehmung relevanten chemischen Reize mittels Echtzeit-Kontrollen aktuell noch schwierig bzw. zum Teil auch aufgrund ihrer Komplexität unmöglich zu ermitteln. Ein prozessintegriertes, kontinuierliches Messen der Prüfmerkmale Aroma sowie Geschmack ist aktuell hauptsächlich nur mittels Endprodukt-Kontrolle möglich. Doch auch diese primär humansensorische Qualitätssicherung kann digitalisiert werden. 

4. Bedeutung der Digitalisierung für die Lebensmittelsensorik

Sowohl in der sensorischen Marktforschung als auch in der sensorischen Qualitätssicherung bietet ein auf betriebliche Prozesse und Abläufe abgestimmtes digitales Sensorikmanagement viele Vorteile gegenüber herkömmlichen „analogen“ Abläufen. Davon stellen die Zeitersparnis und Fehlerreduktion durch den Wegfall traditioneller papierbasierter Prüfbögen und Ergebnisbefunde nur einen Teil dar. Die QS-Verantwortlichen der täglichen Verkostungen, wie auch unternehmens­interne Auftraggeber bzw. externe Kunden sensorisch-analytischer Dienstleistungen profitieren von der höheren Effizienz und Transparenz der ermittelten sensorischen Prüfergebnisse und vom zeitnahen Datentransfer über vernetzte IT-Systeme. Hinzu kommt eine elektronisch basierte Dokumentation der Prüferleistungen, welche den Sensorik-Verantwortlichen eine gute Datenbasis zur gezielten fortlaufenden Prüferselektion und Prüfer- bzw. Panelqualifizierung liefert. Der Mensch ist dabei das eigentliche analytische Instrument, um die sensorischen Eigenschaften zu messen und die Qualität der zuvor definierten Parameter zu überwachen.

Was sind die Vorteile und kritischen Erfolgsfaktoren der digitalen Sensorik und welche Hürden müssen dazu bewältigt werden? Gemäß Frau Dr. Claudia Franke, Geschäftsführerin der Beratungsfirma SIREQUA, mit 18 Jahren F&E- und QM-Führungserfahrung bei namhaften Lebensmittelproduzenten, hat die Digitalisierung der Lebensmittelsensorik vielfältige Vorteile. Hierbei stehen neben der Zeit- und Kostenersparnis vor allem die Punkte Neutralität sensorischer Prüfungen, effiziente und detailliertere Auswertungen der sensorischen Ergebnisse und ein papierloses Archiv im Vordergrund. 

Bei der Digitalisierung der Lebensmittelsensorik bewertet i.d.R. jeder Teilnehmer individuell seine Probe, ohne sich dabei mit den anderen Teilnehmern auszutauschen. Die Ergebnisse aller Teilnehmer werden dann zu einem gemeinsamen Ergebnisbericht zusammengeführt. Bei der traditionellen Vorgehensweise mit Dokumentation auf Papier tauschten sich die Teilnehmer hingegen oft untereinander aus und ein Verkostungsleiter erstellte aus der Summe der Kommentare den Verkostungsbericht. Neutralität war hierbei nicht immer gegeben, insbesondere dann nicht, wenn Teilnehmer verschiedener Hierarchien anwesend waren. Häufig wurden bei dieser Art der Verkostung auch die persönliche Präferenz und die sensorische Qualitätsbewertung bzw. Abwertung vermischt, sodass die ursprüngliche Fragestellung nicht immer klar verfolgt wurde und die eigentlich gewünschte analytische und objektive sensorische Qualitätsbewertung unterlaufen wurde.

Die Verkostungsberichte wurden abgeheftet und waren häufig bei späteren Fragestellungen mühsam wieder aufzufinden. In der digitalen Welt jedoch werden die Verkostungsberichte gespeichert und sind, sofern eine sprechende Bezeichnung gewählt wurde, für jeden leicht auffindbar. Da alle Daten der verkosteten Produkte, des Verkostungsprozesses selbst und der ggf. formulierten Maßnahmen in einer Datenbank vorliegen, kann man leicht diverse Auswertungen fahren. So lassen sich z.B. Trends erkennen oder Maßnahmen verfolgen, die sowohl das analysierte Produkt selbst betreffen als auch die eingesetzten Prüfer und ihre Qualifikation bzw. sensorische Leistungsfähigkeit während des Tests.

Grundvoraussetzung für die Digitalisierung ist natürlich ein stabiles und schnelles IT-Netzwerk und eine anwenderfreundliche Software, die man idealerweise von überall über Smartphone, Tablet oder PC verwenden kann. Die Sicherheit der gespeicherten Daten muss dabei stets Berücksichtigung finden und gewährleistet sein. Die Vorteile der Digitalisierung werden nach der ersten Anwendung auch die Teilnehmer überzeugen, die bisher und eigentlich lieber mit Papier arbeiteten, so zeigen die aktuellen Erfahrungen in der Praxis.

„Das Leben wurde massiv erleichtert“ – Fallbeispiel: Emmi Fondue AG, Schweiz 

Die Emmi Fondue AG, ein Schweizer Lebensmittel-Produzent mit 130 Mitarbeitern (vgl. Abbildung 3), hat vor mehr als 4 Jahren ihren sensorischen QS-Prozess mit dem Softwaresystem SensoTASTE digitalisiert. Das interne Sensorikmanagement-System mit 1 Administrator, 4 Verkostungsleitern und einem Expertenteam von 13 Benutzern wird bei den täglichen QS-Verkostungen, bei den Produktentwicklungen sowie für Bemusterungen genutzt.

Was hat sich durch diese Digitalisierung geändert? Die spontane Rückmeldung von Simon Blaser, Projektleiter Innovation/Applikation, war: „Das Leben wurde massiv erleichtert!“ Die Glaubwürdigkeit der Qualitätssicherung und deren Freigabeprozess waren nochmals gestiegen und die Diskussionen mit der Geschäftsleitung wurden deutlich reduziert. Die einfache, transparente Rückverfolgbarkeit und die klar verständlichen Berichte für alle Beteiligten sind ein wertvoller Profit. 

Die kritischen Erfolgsfaktoren für Simon Blaser sind: „Eine definierte Auswertung, die transparente und „saubere“ Datenlage, eine höhere Effizienz und die erzielte Schnelligkeit.“ Im Vergleich zur vorgängigen analogen Abwicklung ist der Nutzen der digitalen Durchführung bezüglich Struktur und Übersicht groß. Durch die automatische Berichterstellung sowie die transparente Information (von den Einzelergebnissen hin zum finalen Befund) zeigt sich zudem eine geringere Subjektivität.

In der Einführungsphase mussten gewisse Hürden überwunden werden, was auf interne Skepsis gegenüber „dem Wechsel von analog nach digital“ stieß. Der Initialaufwand zur Standardisierung der Abläufe und Dokumente, d.?h. unter anderem der Definition der Prozessparameter (Referenzen, Sollwerte und Produktprofile) und der Prüfaufgaben bzw. -protokolle war beträchtlich, da im Zusammenhang mit der Software-Implementation auch der ganze Sensorikprozess optimiert wurde. Neue Prüfbögen und Checklisten wurden erstellt und den internen Bedürfnissen angepasst. Eine wichtige Voraussetzung war, dass die Daten von anderen Systemen (z.?B. chemische Laborparameter) nicht erneut eingegeben werden mussten. Die Vernetzung mit den bestehenden Datensystemen klappte jedoch bestens. Das papierlose, auf die Abläufe im Unternehmen abgestimmte Sensorik-Management-System erlangte schon bald nach der Einführung eine hohe Akzeptanz bei QS-Prüfleitern, Entwicklern und der Geschäftsleitung. 

Durch Trendanalysen sowie Lagertests können nun Auswertungskriterien über größere Zeiträume miteinander verglichen und saisonale Tendenzen erkannt und interpretiert werden. Das große, übersichtlich strukturierte Datenmaterial ermöglicht nun ein stärker fundiertes Feedback gegenüber Lieferanten oder Kunden und führt zu konstanterer Qualität. 

5. Software-Angebote zur Digitalisierung der Lebensmittelsensorik im Überblick

Wird im Unternehmen die Entscheidung getroffen, auch die Lebensmittelsensorik zu digitalisieren, gibt es verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten und Software-Programme unterschiedlicher Kategorien mit jeweils variierenden Anwendungsschwerpunkten. Wichtig ist, festzulegen, welche Bereiche des Sensorik-Prozesses im Unternehmen digitalisiert werden sollen und wie die Vernetzung zu weiteren Unternehmensdaten realisiert werden kann. Sensorik ist eine bereichsübergreifende Tätigkeit, sodass im Rahmen von sensorischen Prüfungen in der Qualitätssicherung, in der Produktentwicklung und im Marketing, d.h. der Marktforschung, umfassende Daten anfallen können. In der nachfolgenden Aufstellung werden vier wesentliche, sich unterscheidende Software-Kategorien vorgestellt, die aktuell am Markt angeboten werden:

a) Software-Programme mit Fokus auf Einzelprojekte und Sensorikforschung

Es gibt einige auf sensorische Prüfungen generell und die sensorische Forschung im Detail spezialisierte Software-Tools, wie u.?a. FIZZ, Compusense oder Red Jade®. Diese Lösungen verfügen über umfangreiche Anwendungen sowohl im Bereich analytischer als auch im Bereich hedonischer Methoden (Akzeptanz- und Präferenztests) und deren statistische Auswertung. Hiermit lassen sich sowohl einfache als auch komplexe Projekte in der Sensorik mit unterschiedlichen Fragestellungen und unter Einsatz unterschiedlicher Methoden (auch Schnellmethoden wie Sorting, Napping®) abbilden und digitalisiert steuern. Darüber hinaus ermöglichen sie eine Verknüpfung von subjektiven Konsumenteneindrücken mit objektiven sensorischen Profilen. Für Projekte der sensorischen Produktforschung, zum Aufbau eines deskriptiven Panels oder für multidimensionale Preference Mappings sind diese Methoden sehr gut geeignet. 

Für standardisierte fortlaufende Aufgabenstellungen, den Schwerpunkt die sensorische Analytik in der Qualitätssicherung betreffend, d.?h. Datenverwaltung von Proben und Produkten, Lagertests/Trendanalysen über längere Zeiträume bzw. fortlaufend, Maßnahmen-Management und Vernetzung mit anderen Unternehmensprozessen, sind diese Software-Tools aktuell weniger dienlich. 

b) Software-Programme mit Fokus auf sensorische Konsumentenforschung 

Allgemeine Konsumenten-Befragungstools, wie Questback, Rogator oder Survalyzer, haben Vorteile im Bereich Zielgruppen-Screening und bei der Programmierung komplexerer Fragebögen. Diese Tools sind spezialisiert auf viele verschiedene Fragebogenelemente und ermöglichen damit eine hohe Flexibilität bei der Fragebogengestaltung. Bei der Verwendung von standardisierten Fragebögen sind sie wenig automatisiert. Oft verfügen diese Systeme über eine Panelverwaltung, um Prüfer-Stichproben zu ziehen oder um Prüfer-Einladungen bzw. Reminder zu versenden. Sie haben jedoch weder eine Probenverwaltung, noch Sensorik-spezifische Auswertungen wie z.?B. bei Unterschiedstests oder Lagertests. 

c) Software-Programme mit Fokus auf Produktdaten

Herkömmliche Produktdatenbanken, wie PIM (Produkt-Informations-Management) oder LIMS (Labor-Informations-Management-Systeme), verfügen über umfangreiche Produkt-, Proben- sowie Projektdatenbanken. Sie gewährleisten zudem die Transformation der Daten zu weiteren internen Systemen. Diese Software-Programme haben jedoch nur sehr begrenzte Sensorik-spezifische Funktionen und geringe Möglichkeiten für die digitale Einbindung sensorischer Prozesse z.?B. Fragebogengestaltung bzgl. sensorischer Tests sowie für statistische Auswertungen. 

d) Software-Programme zum Sensorik-Management mit Fokus auf fortlaufende, routinierte Sensorik-Projekte in der Praxis

Die Digitalisierung der Sensorik durch z.?B. die Software-Anwendung SensoTASTE deckt die Bedürfnisse regelmäßig und standardisiert durchgeführter Verkostungen sehr gut ab; sei dies in der Qualitätssicherung, der Produktentwicklung oder im Marketing. Nach einer eingangs durchgeführten Implementierung der aktuellen betriebsspezifischen Prozesse rund um die Lebensmittelsensorik, sind die Sensorikprojekte mit minimalem Aufwand geplant und ausgewertet. Die hohe Automatisierung ermöglicht den Verkostungen „per Knopfdruck“ Fragebogen, Panelisten bzw. Prüfer, Bewertungsskalen und Proben automatisch zuzuordnen. Nach der sensorischen Bewertung ist die statistische Auswertung sowie der Bericht sofort erstellt und die Daten sind vernetzt mit anderen Betriebssystemen. Weniger ausgeprägt sind statistische Funktionen und multidimensionale Auswertungen (multivariate Applications, multidimensional Scaling). 

Die Anforderungen und Bedürfnisse eines digitalisierten Sensorik-Prozesses bzw. Sensorik-Managements sind vielfältig. Ein Datenmanagement, das unterschiedliche, häufig routinierte und standardisierte Sensorik-Projekte des Unternehmens bzw. der Abteilung abbildet, sollte die Vorbereitung, Erhebung, Aufbereitung, Auswertung und Interpretation der Daten sowie auch die Datenvernetzung und Datenverwaltung beinhalten. 

Das Softwaresystem SensoTASTE deckt viele dieser Bedürfnisse ab. Es beinhaltet zusätzlich übersichtliche Produkt-, Proben- sowie Projektdatenbanken, deren Eingabefelder kundenspezifisch angepasst werden können und verfügt über eine flexible Fragebogengestaltung. Die Abbildung 4 zeigt exemplarisch den über SensoTASTE abgebildeten digitalisierten Sensorik-Prozess auf und verdeutlicht zudem, wie dieser Basisprozess durch weitere sinnvolle Module ergänzt werden kann. Die Module des Basisprozesses sind dort als blaue Kästchen und ergänzende Module als grüne, bzw. gelbe Kästchen abgebildet. Damit stehen bei diesem sensorischen Datenmanagement die Effizienz, Flexibilität und Transparenz im Vordergrund.

Nach der Projektplanung erfolgt die Erstellung bzw. Auswahl von Fragebögen, die Rekrutierung, Selektion und Einladung der Prüfer sowie das Probenmanagement. 

Die Erhebung der dezentral im Rahmen der Verkostung anfallenden Daten erfolgt über „Mobile Clienten“, idealerweise also über Tablet-PCs oder aber auch über Smartphones. Die Software SensoTASTE verknüpft dann den Mobile Client des Sensorikprüfers bzw. Testers mit dem Admin Client für die Administration und liefert damit die Basis für die Erstellung individueller Ergebnisberichte per „Mausklick“. Der komplette Prozess läuft papierlos, ohne Medienbrüche ab und ist damit deutlich weniger fehleranfällig. Die mobile Produktbewertung ist automatisiert und responsive für alle Eingabegeräte, die Auswertungen sind zeitnah und die Datenablage erfolgt strukturiert. Die Abbildung 5 illustriert die wesentlichen Schritte einer elektronisch gestützten Bewertung mit SensoTASTE.

Der in Abbildung 4 dargestellte Basisprozess lässt sich zudem durch sinnvolle Module ergänzen. Zum Beispiel durch eine Maßnahmenverwaltung mit Ampelsystem oder durch eine Produktpräsentation im Web mittels Anzeige der Profilierung als Spiderweb-Diagramm. Schnittstellen zu ERP-Systemen (z.B. SAP), Labor­informationssystemen (LIMS) oder weiteren Produktinformationsdatenbanken können einfach implementiert werden. In der Benutzerverwaltung werden Verkoster angelegt sowie Rollen und Berechtigungen vergeben. Das Modul Reporting Pro enthält ergänzende Auswertungsmöglichkeiten, wie Teilnehmer- bzw. Prüfer-Analysen, Nutzungsstatistiken und Produkttendenz-Analysen. Das Modul QS-Sensoriktest beinhaltet vordefinierte Prüfbögen zu Unterschiedstests und Lagertests. 

Je nach Anforderungen kann die Inhouse-Variante mit einem Hosting beim Kunden oder die webbasierte Cloud-Variante mit Hosting bei SensoPLUS gewählt werden. Die Inhouse-Variante erlaubt einfachere Anbindungen an betriebsinterne Software-Komponenten, wie Active Directory oder ERP-Systeme. Die webbasierte Variante macht den Nutzer unabhängiger vom betriebsinternen Server und über die Cloud kann das System auch außerhalb des Intranets genutzt werden. Bei beiden Varianten ist keine Installation auf den Endgeräten der Testleiter und der Verkoster notwendig, da die Applikation über einen Webbrowser, wie z.B. Internet Explorer, Safari oder Chrome, aufgerufen werden kann. 

Einmal auf das Endgerät geladene Prüfprotokolle können auch offline, d.h. ohne Verbindung zum Server, ausgefüllt werden (vgl. Abbildung 6). Die Synchronisation der Daten erfolgt, sobald das Gerät wieder online ist. Dadurch können Prüfungen auch an Orten ohne Intranet/Internet durchgeführt werden. 

Für die Einführung der Sensorik-Software wird durch SensoPLUS ein Mandant für den Kunden aufgesetzt und eine interne Schulung durchgeführt, bei welcher gleichzeitig die benötigten Vorlagen aufgesetzt werden. Nach der Einrichtung des WLAN-Netzwerkes durch die betriebseigene IT und dem Konfigurieren der Endgeräte werden allenfalls noch die Berichte angepasst. Innerhalb von 1-2 Wochen kann so eine standardisierte Implementierung umgesetzt werden.

Jedes Unternehmen hat die Möglichkeit, den Datenmanagementprozess optimal auf seine eigenen Abläufe auszurichten, deswegen können durch das Customizing individuelle Lösungsstrategien erstellt werden. Berichtformate, Checklisten und Schnittstellen werden somit spezifisch nach Benutzerbedürfnissen installiert (vgl. Abbildung 7: Automatisch erstellter pdf-Bericht, Emmi Fondue AG; Beispiel für Customizing: Mit Farbgebung können Aussagen von Resultaten unterstützt werden werden, sodass sie für den Berichtempfänger sofort verständlich sind). 

6. Digitalisierung im gesamten Produktlebenszyklus

Von der Idee, über die Lancierung bis hin zum Monitoring eines Produktes nach dessen Einführung werden mehrere sensorische Prüfungen und Stufen durchlaufen. Viele der dabei durchgeführten Tests finden intern in den Unternehmen statt. Strukturierte Sensorik-Prozesse, eine geeignete Sensorik-Software zur elektronischen Prozess-Unterstützung und die digitale Vernetzung der beteiligten Systeme ermöglichen eine effiziente Bearbeitung der unternehmensintern anfallenden Aufgaben. 

Im Innovationsprozess und im Sortimentsvergleich ist jedoch die Übereinstimmung des Produktprofiles mit den Kundenbedürfnissen der entscheidende Faktor für den Produkterfolg. Das regelmäßige Feedback der Konsumenten ist daher bei der fortlaufenden Qualitätsbewertung der Produkte unerlässlich. Hier unterstützt SensoPLUS mittels Produkt- oder Konzepttests, bei welchen Prototypen oder Produkte aus dem bestehenden Sortiment durch ein Zielgruppen-Panel getestet werden. Mit den Methoden von SensoPRODUCT und SensoCONCEPT, zwei Dienstleistungsprodukten von SensoPLUS, werden in der ersten Kreativ-Phase viele Lösungen entwickelt. Diese Ideen werden im Anschluss systematisch und objektiv analysiert. Bei der Weiterentwicklung der Innovation wie auch beim Sortiments-Monitoring stehen der Konsument und seine Produktbeurteilungen stets im Fokus, damit das Produktkonzept und das sensorische Profil im Ergebnis so gesteuert werden kann, dass es den Kundenerwartungen bestmöglich entspricht.

 

Das Angebot von SensoPLUS für Unternehmen im Lebensmittelbereich wird durch ein weiteres, für die Unternehmenspraxis interessantes Software-Tool, SensoCHECK, abgerundet. Mit SensoCHECK wird die komplette Qualitätssicherung insgesamt effizient abgewickelt. Durch die Vor-Ort-Erfassung sämtlicher Befunde und Maßnahmen sowie dem automatischen Datentransfer und Datenaustausch mit ERP-, LIMS- und CRM-Systemen reduziert sich der Arbeitsaufwand enorm. SensoCHECK kann auch optimal für Inspektionen und Audits eingesetzt werden. Hierzu sind standardisierte Checklisten für HACCP, BRC oder IFS im System abbildbar. Befunde können mit Fotos oder Skizzen zur Veranschaulichung ergänzt werden. Durch die hohe Transparenz werden die Maßnahmen konsequent umgesetzt. Der Qualitätsmanager verwaltet und konsolidiert weniger und die Produktionsleiter sind zeitnah und insgesamt besser informiert.

7. Ausblick

Die Vernetzung der verschiedenen Systeme wird in Zukunft immer schneller, die Automatisierung nimmt weiterhin zu und der Austausch der Daten wird besser. Systemtechnisch wird immer mehr in Clouds verlagert, sodass zukünftig die internen Systeme noch stärker als bisher eine Anbindung an eine verschlüsselte Cloud-Umgebung haben. Es wäre sogar möglich, dass Betriebe zukünftig intern keine eigenen Server, wenig Software-Eigenentwicklung und nur noch Hardware-Endgeräte haben. Wie jeder Trend, löst auch diese digitale Entwicklung Gegenbewegungen aus. Die neue Datenschutzverordnung und die bei den Konsumenten immer wichtigere Datenschutzthematik sind nur einige davon. 

Das technische System wird dem Menschen in verschiedenen Bereichen zunehmend mehr Arbeit abnehmen können. Das gilt auch für den wichtigen Bereich der Lebensmittelsensorik. So können Proben über Scan-Codes, als Bild oder via Spracherkennung erfasst und sogleich mit allen relevanten Daten verknüpft werden. Was immer möglich ist, wird durch instrumentelle Messungen in Echtzeit erfasst. Dazu gehören in der Sensorik die Prüfmerkmale Optik, Textur und vermutlich auch bald einmal Aroma. Diese Daten werden digital mit den immer noch notwendigen humansensorischen Beurteilungen verknüpft. Der Mensch muss nach der Testplanung „nur“ noch verkosten und der Projektleiter dann natürlich letztlich die Ergebnisdaten interpretieren.

Durch die Digitalisierung gab es in vielen Bereichen in den letzten Jahren disruptive Veränderungen, welche das Konsumentenverhalten und die Marktmechanismen grundlegend veränderten. Bekannte Beispiele sind insbesondere das enorme Wachstum bzw. die Entwicklung der Plattformen wie Amazon, Uber, Airbnb etc. Auch in der Sensorik wären solche markanten Veränderungen möglich. Bereits jetzt sind Sensorisches Clustering, Consumer-Feedback-Apps und Monitoring der Emotionen ein Thema und bringen die Lebensmittelfirmen in Zukunft immer näher an den Konsumenten und dessen Individualität heran. Auch digitale Lösungsansätze wie die Nutzung von Big Data und künstlicher Intelligenz eröffnen weitere neue Horizonte. 

 

8. Auswahl von Software-Programmen im Zusammenhang mit Sensorik

Bezug nehmend auf die Kategorisierung von Software-Programmen im Zusammenhang mit Lebensmittelsensorik ist nachfolgend eine Auswahl an Software-Angeboten zusammengestellt. Damit ist die Basis für weiterführende individuelle Recherchen und ggf. eine persönliche Kontaktaufnahme gegeben.

Software-Programm Schwerpunkt Website
SensoTASTE Sensorik-Management http://www.sensoplus.ch/software/
FIZZ Sensorikforschung https://www.biosystemes.com/
Compusense Sensorikforschung https://www.compusense.com/
RedJade® Sensorikforschung http://redjade.net/
Questback Konsumentenforschung https://www.questback.com/de/
Rogator Konsumentenforschung https://www.rogator.de/
Survalyzer Konsumentenforschung http://www.survalyzer.com/de/

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Literatur

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    Kontakt

    DLG-Fachzentrum Lebensmittel • Bianca Schneider-Häder • Tel.: +49 (0) 69 24 788-360  B.Schneider@DLG.org