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Milchleistung und Tierwohl schließen sich ein

Im Rahmen des Arbeitskreises „Milch“ berichteten Praktiker unter dem Arbeitstitel „Milchviehzucht und Herdenmanagement bei steigenden Tierwohlanforderungen“, wie sie Züchtung, Haltungsbedingungen und Betriebserfolg auf einen Nenner bringen.

Jörg Stubbemann, Milchviehhalter in Schohasbergen (Niedersachsen) berichtete, wie er züchterisch sowohl das Tierwohl als auch den Ertrag seiner Herde steigert. Stubbemann ist Mitglied bei dem Projekt „Kuhvision“ und greift auf die genomischen Zuchtwerte seiner Jungrinder zu. Er selektiert dabei nicht nur nach Leistungsmerkmalen, sondern auch nach Gesundheits- und Fruchtbarkeitswerten. Er stellt fest, dass generell ein guter Zusammenhang zwischen den genomischen Vorhersagen und den tatsächlichen Leistungen besteht. Insbesondere bei den Zellzahlen beobachtet er einen zunehmend engeren Zusammenhang bei steigendem Zuchtwert. Besondere Beachtung findet bei ihm der Kalbeverlauf als Selektionsmerkmal. Weniger Totgeburten und eine höhere Tiergesundheit bedeuten für ihn ein Mehr an Tierwohl. Grundsätzlich stellt er fest, dass die Auswahl des richtigen Bullen („der Bulle ist die halbe Herde“) zusammen mit der genomischen Selektion der Nachzucht einen schnelleren Zuchtfortschritt ermöglicht. Ansonsten melkt er drei Mal täglich, weil er der Meinung ist, dass dies bei Leistungen bis 50-60 l/Tag aus Tierwohlsicht vorteilhaft ist. Auf die Frage, was er mit den Kälbern mache, die nicht in seinem Betrieb bleiben, antworte er, dass derzeit genügend Kuhkälber nachgefragt werden, auch weil weibliche Holstein-Friesians in den Export gehen. Was generell zunehme, ist auch eine Besamung von Kühen, die nicht zur Zucht herangezogen werden, mit einem Fleischrassebullen.

Auch Hans-Josef Landes, Fleckviehhalter in Ammerfeld (Bayern) ist von der Technik der Genomik überzeugt. In den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte er allerdings die Bedeutung der Haltung für das Tierwohl. Er setzt in diesem Zusammenhang auf die „elektronische Überwachung“ unter anderem in Form eines Melkroboters. Als Stichworte nennt er Fruchtbarkeit, Eutergesundheit, Stoffwechsel, Milchmenge und Klauengesundheit. Aus haltungstechnischer Sicht sind für ihn wichtig: Ein Laufstall mit viel Licht und (zusätzlicher) Frischluft, ein freier Kuhverkehr und automatisches Melken, einen eigenen Liegeplatz auf Stroh für jede Kuh, Fütterung einer Teil-TMR und Kraftfutter am Roboter sowie das regelmäßige Anschieben des Futters (auch dafür hat er einen Roboter). Ein weiterer Roboter erledigt das Einstreuen der Liegebuchten. Als besonders wichtig erachtet er im Übrigen ein gutes Management der Trockensteher in der Transitphase. Und der Erfolg gibt ihm Recht: Eine Herdenleistung von 9.600 kg ist für Fleckvieh sehr beachtlich. Und eine Zwischenkalbezeit von 352 Tagen ist bemerkenswert. Besonders heraus sticht seine geringe Remontierungsquote von 16 Prozent. Als Optimum für seine Herde strebt er allerdings einen Wert von 20 Prozent an.

Dr. Georg Eller, Tierärztliche Klinik, Hofheim in Unterfranken orientiert sich bei der Definition von Tierwohl an den „5 freedoms of animals“, so wie sie in den USA lauten. Der Verband der Bayerischen Privaten Milchwirtschaft e. V. hat diese folgendermaßen übersetzt: In einer tiergerechten Umgebung sind die Tiere frei … 

  1. von Angst und Stress,
  2. von Hunger und Durst,
  3. von Verletzungen und Schäden,
  4. von Unbehagen und Krankheit durch eine schlechte Umgebung
  5. und können sich artgerecht verhalten.

Kuhkomfort und Futterqualität machen seiner Meinung nach 90 Prozent der Bedürfnissee eines Rindes aus. Auch Eller ist ein Befürworter elektronischer Hilfsmittel im Management. „Precision farming ist Tierschutz“, so sein Credo. Auch in Form eines externen Managementsystems. In der Praxis scheitert die Verknüpfung der vielen zur Verfügung stehenden Daten oftmals am Zeitaufwand. Auswertungen in der Cloud sollten idealerweise in konkreten Handlungsempfehlungen auf dem Smartphone des Landwirts enden. Eller nennt folgende acht operative Arbeitsbereiche eines solchen Systems: Futterproduktion, Fütterung, Kälber- und Jungrinderaufzucht, Gesundheitsmanagement, Fruchtbarkeit, Milchproduktion, Gebäude/Arbeit/Ausrüstung sowie das Finanzwesen/Cash Flow. Auf die Frage nach Tierwohlindikatoren nannte er Merkmale wie die Gliedmaßengesundheit (z.B. Lahmheiten, Gelenksentzündungen) und das Vorkommen von Stoffwechselkrankheiten (Ketosen, Labmagenverlagerungen). Auf die Frage, wie das Vertrauen der Bevölkerung in die Tierhaltung gestärkt werden könnte, nennt er vor allem, dass die Branche noch mehr „mit einer Stimme“ sprechen müsste. Wobei man „Leistung“ und „Tierwohl“ miteinander verknüpfen sollte. Denn nur Tiere, die sich am wohlsten fühlen, bringen die höchsten Leistungen. Und: Dass die Landwirtschaft auf dem Weg zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Tierhaltung ist.

Dr. Stefan Rensing, Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung, Verden (Niedersachsen) bescheinigte der Züchtung durch die Einbeziehung der weiblichen Nachzucht große Fortschritte. Nur bei der Züchtung nach dem Exterieurmerkmalen habe man lediglich bescheidene Fortschritte gemacht. Es gibt seiner Aussage nach zum Beispiel „Null“ Korrelation zwischen dem Kriterium Fundament und der Klauengesundheit. Das Projekt „Kuhvision“ werde deshalb erstmals die erhobenen Daten aus der Klauenpflege in der Zucht mit berücksichtigen.

Nach dem „DLG-Unternehmer-Treff“ als Auftakt für alle Teilnehmer der DLG-Unternehmertage am 5. September ab 18.00 Uhr im Würzburger Hofbräukeller, fand die öffentliche Vortrags- und Diskussionsveranstaltung „Landwirtschaft 2030 – Unternehmer stellen Weichen“ am 6. September von 9.30 Uhr bis 16.15 Uhr im Vogel Convention Center (VCC) in Würzburg statt.

Für DLG-Mitglieder stehen die Tagungsunterlagen zum Download zur Verfügung.