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"Handlungsfähigkeit in der Krise Ackerbau profitabel aufstellen: Kosten beherrschen, Anbauprogramme entwickeln"

Öffentliche Sitzung DLG-Ausschuss für Ackerbau, 1. September 2016

„Haben wir eine Krise oder nur mal schlecht geerntet?“, mit dieser Frage an die drei Diskutanten startete der Arbeitskreis Ackerbau am 1. September 2016 auf den DLG-Unternehmertagen. Krise sei aus seiner Sicht ein zu hartes Wort, so Sönke Huesmann, Berater in Hohwacht, Schleswig-Holstein. Er sieht für den Ackerbau vor allem Probleme in der Phytogesundheit sowie den Cut-Off-Kriterien im Pflanzenschutz und der damit einhergehenden Verringerung des Wirkstoffspektrums. Die aktuelle Situation im Ackerbau (geringere Erntemengen, niedrige Preise) bewertet er als „Minikrise“. Gründe dafür sieht er in den besseren Ernten in Osteuropa aufgrund hoher Managementfortschritte und dem daraus resultierenden Angebotsüberhang, den geringen Ernten in Deutschland aufgrund der diesjährigen Witterungsverhältnisse sowie in den hohen Pachten, die die beiden vorherigen Faktoren verschärfen.

Das Thema „Kosten“ als mögliche Stellschraube wurde von Lutz Scheibler, Marktfruchterzeuger in Poppendorf, Mecklenburg-Vorpommern als nicht zentral für seinen Betrieb eingeschätzt, da er bereits zu extrem günstigen Kosten produziert. Sein Betrieb ist nach der Maxime „Keep it simple“ aufgestellt. D.h. der betriebliche Fokus liegt nicht auf den kleinen Stellschrauben, da diese einen zu hohen zeitlichen Aufwand im Management erfordern würden, welches sich nicht auszahlen würde. Er setzt darauf, die Arbeitsstunden niedrig zu halten, viel über Aushilfskräfte erledigen zu lassen und auf den Einsatz schlagkräftiger Maschinen.

Langfristige Pachtverträge zu vertretbaren Konditionen sind für Scheibler essentiell. Wegen der Stadtnähe ergeben sich kontinuierliche Veränderungen in seiner bewirtschafteten Fläche. Henkels ist davon überzeugt, dass man bei einem betrieblichen Wachstum optimistisch in die Zukunft blicken muss und auch mal zu Grenzkosten zupachten solle. Man müsste auch in schlechten Zeiten mal die „Füße stillhalten können“ und die zu erwartenden Gewinne mit in den Pachtpreis einkalkulieren. Bei dieser Kalkulation sei aber unbedingt die Liquidität des Betriebes im Fokus zu halten. Huesmann rät dazu, Pachtverträge möglichst mit flexiblen Anpassungsmodalitäten zu versehen.

Zu dem Potenzial des technischen Fortschritts in Zukunft ist Huesmann der Meinung, dass im Größenwachstum kein Fortschritt mehr steckt. Er sieht Potenziale in der Betriebsmitteleffizienz, die z.B. durch Unterfußdüngung, Bandspritzung, Verbesserung der Applikationstechnik erhöht werden kann. Das Problem der zunehmenden Resistenzen kann mit dem Einsatz von GPS-gestützten Unkrauthacken, Vermeiden von Frühsaaten und einer Erweiterung der Fruchtfolge begegnet werden. Insbesondere im Verbund mit Futterbaubetrieben könnten Resistenzen eingedämmt und Ertragspotentiale gehoben werden. Die Zukunft des chemischen Pflanzenschutzes und eine Verschärfung der Zulassungen werden von allen Diskutanten als bislang wenig betriebsrelevant eingestuft. Henkels betont, dass er die derzeit gebotenen Möglichkeiten des chemischen Pflanzenschutzes umfassend nutzt. Er befürwortet die Anlage von Ackerrandstreifen und eine Intensivierung der Kommunikation mit der Gesellschaft. Scheibler verzichtet auf splitting im Pflanzenschutz um die Zahl der Überfahrten auch in der Aufmerksamkeit der Nachbarn niedrig zu halten.

Eine massive Ökologisierung der Landwirtschaft wird den Standort Mecklenburg-Vorpommern als einen großen Verlierer hinterlassen, schätzt Scheibler ein. Huesmann ist der Überzeugung, dass der ökologische Landbau nicht die Antwort auf sinkende Preise sein kann. Dieser würde auf lange Sicht zu einer schleichenden Verunkrautung landwirtschaftlicher Flächen führen. In diesem Zusammenhang sieht er auch das Greening vor allem die hier eingesetzten Zwischenfrüchte nicht nur als Allheilmittel, sondern auch als potenzielle Brutstätten von Schädlingen und mediterranen Unkräutern an, wenn dieses ackerbaulich nicht exzellent ausgeführt wird.

Zur Fragestellung nach der Bereitschaft der Ackerbauregionen Nährstoffüberschüsse aus den Veredlungsregionen abzunehmen, positionieren sich die Podiumsteilnehmer sehr klar. Henkels fährt seine Biogasanlage mit HTK und Geflügelmist. Scheibler legt dar, dass für seinen Betrieb ein geringe Bereitschaft dazu besteht organische Dünger mit einer schwer(er) zu kalkulierenden Düngewirkung abzunehmen und einzusetzen und Huesmann plädiert für eine Abnahme, allerdings nur wenn sich diese auch rechnet. Problematisch wird gesehen, wie die neue DüngeVO und der prinzipiell sinnvolle Einsatz externer organischer Dünger zusammen passen soll. Die hohen Anforderungen an die N-Bilanz lassen hier in Zukunft womöglich nur noch wenig Spielraum.

Zusammenfassend ist die derzeitige Krise keine echte Krise. Eingeschlagene Wege in der Erzeugung müssen immer wieder kritisch geprüft werden und vor allem die Felder Resistenzen und Wirkstoffverluste werden zukünftig, auch abhängig von politischen Entscheidungen, an Bedeutung gewinnen. Die Verwendung organischer Dünger und deren unsichere Wirkung wird mit einer Verschärfung der DüngeVO zu einem schwerer zu kalkulierender Faktor für den Einzelbetrieb.

Eine mögliche Antwort darauf könnte die einzelbetriebliche Kostenführerschaft sein. Friedrich Henkels, Marktfruchterzeuger aus Bockerode, Niedersachsen, legt seinen Schwerpunkt vor allem auf eine vorausschauende Planung von Arbeit und Kosten. Er bewertet das betriebliche Wachstum über die Fläche als schwierig. Für ein aussagekräftiges Kostenmanagement braucht es aus seiner Sicht eine präzise Datenerfassung und den Vergleich mit anderen Betrieben, um Einsparpotenziale für den eigenen Betrieb aufzudecken und diese umzusetzen. Dazu muss es nicht immer gleich Precision Framing sein. Schlüsselfaktoren für ein optimiertes Management sind: Früchte mit einer hohen Wertschöpfung anzubauen, der bekannte „grüne Daumen“ des Betriebsleiters, eine ausreichende Maschinenausstattung zur punktgenauen Bearbeitung und eine gezielte Vermarktung.