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"Kein Ende der Knappheiten"

Weltweite Rekordernte aufgrund bester Witterungsbedingungen - Politisches Rückgrat bei der Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen - Mut zu Fortschritt - DLG-Präsident Bartmer eröffnet DLG-Unternehmertage in Leipzig

Trotz einer weltweiten Rekordernte in diesem Jahr sieht der Präsident der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) Carl-Albrecht Bartmer noch kein Ende der Knappheiten auf den Weltmärkten für Agrarrohstoffe. „Zwischen der Hungerrevolte vor einigen Monaten und der weltweit hervorragenden Ernte in 2008 liegen nur einige Regenschauer“. Dies erklärte der DLG-Präsident zur Eröffnung der DLG-Unternehmertage am 3. September 2008 in Leipzig. Für Bartmer liegt die Ursache für die große Ernte 2008 vor allem in den im Vergleich zum letzten Wirtschaftsjahr wesentlich besseren Witterungs- und Wachstumsbedingungen in allen bedeutenden Anbauregionen der Welt. Mit Blick auf die begrenzte Verfügbarkeit von fossilen Energieträgern und dem gleichzeitigen Anwachsen der Nachfrage nach Lebensmitteln hält er die Ausschöpfung aller mobilisierbaren Potenziale auf fruchtbaren Ackerflächen für weiterhin zwingend erforderlich. Nach Berechnungen der Welternährungsorganisation FAO würden in diesem Jahr die Weltgetreidebestände trotz einer globalen Jahrhunderternte lediglich um 4,8 Mio. Tonnen anwachsen. „Damit steigen die Lagerbestände auf ein Niveau, das in Relation zum Verbrauch und mit Ausnahme des letzten Jahres immer noch das Niedrigste seit dem Ende des 2. Weltkrieges ist“, erklärte Bartmer. Daher sieht der DLG-Präsident noch keine Entspannung auf den internationalen Getreidemärkten.

„Wir brauchen politisches Rückgrat bei der Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“, erklärte Bartmer weiterhin. Es werde ein ländlicher Raum zur nachhaltigen Produktion knapper Güter benötigt und keine Struktur konservierende Museumslandwirtschaft. Für den DLG-Präsidenten bedeutet die Abschaffung der obligatorischen Stilllegung einen Schritt nach vorn. Dennoch müsse man feststellen, dass öffentliche Anreizsysteme weiter dazu führen, dass Agrarstandorte in Europa nicht effizient, sondern bewusst extensiv genutzt werden, so der DLG-Präsident. Ein vielgestaltiger und wirtschaftlich leistungsfähiger ländlicher Raum liege in unserem Interesse. Allerdings führe eine vermeintlich fürsorgende Politik für den ländlichen Raum in Form einer Mischung aus Einkommenstransfer, Strukturkonservierung und Gestaltung idealisierter Landschaften nicht nur auf Dauer zur Behinderung seiner Entwicklung, sondern schaffe eine immer größer werdende Abhängigkeit von öffentlichen Geldern. „Dieser ländliche Raum an den fruchtbarsten Standorten der Welt muss produzieren, das ist praktizierte Nachhaltigkeit im globalen Kontext und auch die richtige Antwort gegen den Hunger dieser Welt“, betonte Bartmer. Er führte weiterhin aus, dass ein ungeschmälerter außerlandwirtschaftlicher Flächenverbrauch keineswegs nachhaltig sei. Für ihn sind die unwiederbringliche Zerstörung von landwirtschaftlicher Nutzfläche durch Besiedelung, Industriegebiete und Verkehr samt dazugehörenden Ausgleichsmaßnahmen ein unhaltbarer Zustand.

 

Plädoyer für die soziale Marktwirtschaft


60 Jahre nach Eucken und Müller-Armack sieht der DLG-Präsident mit Blick auf die Forderungen des Milchstreiks einen Rückfall in die „wirtschaftspolitische Steinzeit“. Vereinbarungen über einen „fairen Preis“ würden in einer offenen Volkswirtschaft nur die internationalen Wettbewerber stärken. Es ist auch eine „Illusion“, das Auslaufmodell Milchquote zu stärken. Landwirtschaftliche Unternehmer sollten sich auf Markt- und Wachstumschancen verlassen und nicht auf den Staat als „unsicheren Garanten des Althergebrachten“ setzen.
Landwirtschaft braucht innovationsfreundliche Rahmenbedingungen

Die Grüne Gentechnik werde vermutlich eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts sein. Sie ermögliche einen schnellen Zuchtfortschritt und sei deshalb in der Lage, die Ertragsfähigkeit von Pflanzen an die dynamisch steigende Nachfrage anzupassen, auch und gerade, wenn sich das Klima ändert. „Es mutet schon fast wie eine Posse an, zukünftig die kommunale Ebene über die Zulassung dieser Technologie befinden zu lassen.“
Forschung und Lehre am Standort Deutschland wieder stärken

Trotz der guten Ernte 2008 sind für Bartmer Innovationen im Bereich Technik, Biotechnologie inklusive der Grünen Gentechnik, Management und Züchtung mehr denn je gefragt. Daher kommt insbesondere der Forschung und Lehre eine große Bedeutung zu. Ein breit angelegtes und hoch effektives Forschungswesen habe Deutschland in die heutige hervorragende Wettbewerbsposition gebracht. Der Forschungs- und Lehrbereich Agrar sei allerdings in den letzten Jahren ungezielt zusammengeschmolzen. Nach Auffassung des DLG-Präsidenten drohen unbesetzte oder entfallende Lehrstühle, eine Mittelknappheit und die problematische Forschungsausrichtung, den Agrarverstand auszutrocknen. Selbst etablierte bedeutende Hochschulen würden um ihre Arbeitsfähigkeit ringen, weil ihnen die kritische Masse an Forschern zunehmend fehle. Forschung im Agrarbereich zu fördern, sei eine strategische Aufgabe für die Entwicklung erfolgreicher Volkswirtschaften gewesen. „In einem Land, wo mit Vordenkern wie Liebig, Thünen und Eyth Visionäre einer innovativen Landwirtschaft beheimatet sind, muss in eine effiziente und effektive Agrarforschung investiert werden. Und das aus gesellschaftlicher Verantwortung heraus sowie der Erkenntnis über die strategische Schlüsselwissenschaft Agrar in den kommenden einhundert Jahren“, betonte Bartmer. In seinen Augen ist konzertiertes Handeln von Bund und Ländern gefordert, aber auch das Engagement der Wirtschaft. Zum Nutzen der Landwirtschaft und der Landtechnikindustrie habe die DLG die Max-Eyth-Stiftungsprofessur für Mess- und Prüftechnik an der Universität Hohenheim eingerichtet.