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Podiumsdiskussion: Fördern und Fordern: Wie steht die Gesellschaft zur Landwirtschaft?

Statement: Klaus Mugele, Vizepräsident des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg


1. Der Großteil der Bevölkerung interessiert sich nicht direkt für die Landwirtschaft und die Probleme der Landwirtschaft oder gar einzelner Betriebszweige. Landwirtschaft spielt in der breiten öffentlichen Diskussion vielfach nur eine Rolle, wenn es um die Themen Lebensmittel (-skandale), Agrarpolitik, Subventionen und Welthandel geht.

2. Die eigentliche Bedeutung der heimischen Landwirtschaft für die Gesellschaft als Garant für qualitativ hochwertige und umweltschonend erzeugte Nahrungsmittel, eine gepflegte Kulturlandschaft, Erhalt der Funktionsfähigkeit der Ländlichen Räume und von Arbeitsplätzen sowie als Produzent nachwachsender Rohstoffe wird daher nicht in dem von uns Landwirten gewünschten Umfang wahrgenommen.

3. Verbraucher- und Umweltverbände, auch politische Parteien, stellen häufig nur Forderungen an die Landwirtschaft (insbesondere in den Bereichen Umwelt-, Tier-, Naturschutz und Lebensmittelsicherheit) ohne sich über die Konsequenzen dieser Forderungen für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft Gedanken zu machen. Die tatsächliche Wirksamkeit von Einschränkungen im Sinne des Verbraucherschutzes rückt in den Hintergrund. Mit Aktionismus wird verantwortliches politisches Handeln vorgetäuscht. Die Bevölkerung ist nicht in der Lage das Eine vom Andern zu unterscheiden und entscheidet beim Einkauf nach eigenen Gesichtspunkten, nicht nach Empfehlungen von außen.

4. Verstärkt wird das Bild der Gesellschaft von der Landwirtschaft durch eine oft fehlgeleitete Darstellung der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit. In vielen Bereichen wird die Sichtweise von der Landwirtschaft durch ein Wunschbild verstärkt, das in den meisten Fällen sehr wenig oder gar nichts mit der realen, modernen Landwirtschaft zu tun hat. Dieses Bild beschwört insbesondere in der Darstellung der Landwirtschaft - angefangen in Bilderbüchern, in der Werbung bis hin zu den Ladenregalen - eine Heile-Welt-Landwirtschaft aus der so genannten guten alten Zeit, die es so nie gegeben hat und auch nicht geben kann.

5. Dabei besteht eine große Kluft zwischen der Realität, in der sich die Landwirtschaft befindet, und den Wunschvorstellungen der Verbraucher. Es gilt zu erkennen, dass technischer Fortschritt und Umwelt-, Natur-, Tierschutz oder Lebensmittelqualität kein Widerspruch ist, sondern im Gegenteil, dass nur eine moderne Landwirtschaft, die alle Möglichkeiten des technischen Fortschritts nutzt, die Anforderungen der heutigen Gesellschaft an die Landwirtschaft befriedigen kann.

6. Die Landwirtschaft ist ein Teil der Wirtschaft. Nur eine Landwirtschaft die wettbewerbsfähig ist, hat eine Zukunft. Dies bedeutet, dass ein Betrieb mittel- bis langfristig entweder im Wettbewerb mithalten kann, oder ganz aufhören muss.

7. Paradox ist, dass man in anderen Wirtschaftsbereichen sehr wohl die Vorteile des technischen Fortschritts nutzt und ihn nicht in Frage stellt, eben weil er tendenziell zu einer Verbesserung der Lebensverhältnisse geführt hat. Nur in der Landwirtschaft erwarten viele noch eine rückwärtsgewandte Wirtschaftsweise.

8. Was wir als Landwirte also reklamieren müssen, ist ein fairer Umgang in der Diskussion. Dieser Diskussion können wir uns selbstbewusst stellen, weil wir die besseren Argumente auf unserer Seite haben. Zunächst einmal gilt es die Realitäten zu sehen und anzuerkennen. Der Landwirt ist Unternehmer und als solcher muss er wie jeder Unternehmer das produzieren, was der Verbraucher nachfragt und dies möglichst kostengünstig, denn der Verbraucher - dies ist ebenfalls Realität - kauft in erster Linie über den Preis. Nicht umsonst haben Billigdiscounter in den letzten Jahren die höchsten Wachstumsraten.

9. Insofern ist allen wirklichkeitsfremden Sonntagsreden und -wünschen eine klare Absage zu erteilen. Der Landwirt ist in der Lage alle Wünsche der Gesellschaft zu erfüllen, wenn diese - wie auch in der übrigen Wirtschaft - bezahlt werden. Bis zur Stunde kann aber kein Landwirt davon leben, dass er einen Streichelzoo unterhält oder bunte Blumen auf seinen Feldern züchtet.

10. Die Tatsache, dass die meisten Verbraucher laut Umfragen vermehrt eine so genannte Biolandwirtschaft fordern, gleichzeitig aber der alternative Landbau innerhalb von Jahrzehnten nicht einmal vier Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Produktion erreicht hat, spricht eine deutliche Sprache. Diese Fakten sollten wir auch bei der Diskussion um die Gentechnik nicht vergessen. Wir lassen uns nicht von vorneherein vor den ideologischen Karren der kompromisslosen Gentechnikgegner spannen, noch folgen wir im blinden Vertrauen den euphorischen Gentechnikbefürwortern. Tatsache ist aber, dass, wenn gentechnisch modifizierte Produkte in den Ladenregalen auf Dauer billiger sind und sich keine erkennbaren Risiken bzw. Gefahrenzeigen, dass sich diese Produkte auch durchsetzen werden. Und auch hier gilt nach wie vor: Wer den Markt hat, der hat die Zukunft.

11. Entschieden entgegengetreten werden muss auch der illusorischen Forderung  - und dies betrifft sowohl die Seite der Verbraucher als auch die Seite der Landwirtschaft - dass es einen so genannten fairen Preis gibt. Der Markt kennt keinen fairen Preis sondern nur Angebot und Nachfrage und diese regeln den Preis. Kein Käufer bezahlt mehr als er muss und jeder Verkäufer verlangt soviel wie er kann. Das war schon immer so und wird auch so bleiben.

12. Die entscheidenden Fragen für die Landwirtschaft sind also: Findet der Wettbewerb im Markt unter den gleichen Rahmenbedingungen statt und welche Marktmacht haben die jeweiligen Marktteilnehmer?

13. Fazit ist also: Wenn die Gesellschaft weiterhin eine eigenständige Landwirtschaft mit den eingangs genannten Vorteilen erhalten will, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Wir brauchen in der Landwirtschaft nicht noch mehr Programme und Progrämmchen, sondern EU-weit einheitliche Wettbewerbsbedingungen was in gewissem Rahmen auch für die WTO gilt, wo der bessere Unternehmer dann auch ein höheres Einkommen realisieren kann, als der weniger erfolgreiche.
  • Wo auf Grund von gesellschaftlichen Forderungen für die Landwirtschaft Wettbewerbsnachteile entstehen, müssen diese ausgeglichen werden.
  • Die Landwirtschaft muss ihre Marktmacht verstärken wenn sie dem Lebensmitteleinzelhandel Paroli bieten will, d. h. unter anderem
    • Bildung von unabhängigen Erzeugergemeinschaften
    • Verbundproduktion
    • Bildung von Kooperationen, aber auch
    • Konzentration in der vorgelagerten Agrarwirtschaft.
  • Der Verbraucher muss erkennen, dass er zwar Forderungen an die Landwirtschaft stellen kann und darf, aber er sie dann auch dort durch sein Kaufverhalten unterstützen muss, wo diese Forderungen erfüllt werden. Alles andere wäre inkonsequent. Man kann nicht für die heimische Landwirtschaft bestimmte Auflagen fordern, die dann auch umgesetzt werden und dann Produkte kaufen, die nicht unter diesen Auflagen produziert wurden.

14. Die Landwirtschaft darf sich nicht ständig als Opfer sehen, sondern muss aktiv an der Aufklärung des Verbrauchers mitarbeiten, denn nur eine selbstbewusste Landwirtschaft die den Verbraucher als Partner und Kunden sieht und dies auch zum Ausdruck bringt, wird von der Gesellschaft letztendlich positiv wahrgenommen.