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Autoren:

  • Gerald Hein
  • Dr. Klaus Hollenberg
  • Christopher Braun

Eine Information der DLG-Arbeitsgruppe Banken und Versicherungen

 

1. Einleitung

Alle Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Der Europäische „Green Deal“ ist die konzeptionelle Grundlage für diese Transformation aller Wirtschafts- und Lebensbereiche. Für die Wertschöpfungskette der Agrar- und Ernährungswirtschaft zeigt die „Farm to fork“-Strategie diesen Weg auf. Aus europäischer und nationaler Sicht kommt auf die Banken in dieser Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft eine besondere Rolle zu. Finanzmarktpolitik und -regulierung werden darauf ausgerichtet, dass Deutschland zu einem führenden Sustainable Finance Standort wird. 

2. Ziele der europäischen Nachhaltigkeitsregulierung 

Seit 2019 erleben wir einen enormen Anstieg der politischen und regulatorischen Anforderungen im Finanzbereich. Zwei übergeordnete Ziele werden verfolgt: 

Transformationswirkung:
Sustainable Finance ist ein wesentlicher Bestandteil des European Green Deals: Die EU Kommission nutzt die Hebelwirkung, die sie über das Finanzwesen erzielen kann, um die nachhaltige Transformation der Realwirtschaft voranzutreiben und den Klima- und Umweltschutz zu fördern. 

Finanzmarktstabilität: 
Um die Stabilität der Finanzmärkte zu gewährleisten, erhöhen die Aufsichtsbehörden die Anforderungen an die Finanzwirtschaft zum strategischen und operativen Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken: Zukünftig werden Finanzmarktteilnehmer Klima- und Umweltrisiken in allen relevanten Phasen der Kreditvergabe berücksichtigen, in die interne Risikosteuerung integrieren und eine entsprechende Risikoberichterstattung etablieren müssen.

Was ist Sustainable Finance?
Es gibt noch keine allgemeingültige Definition. Aus der Sustainable-Finance-Strategie der Bundesregierung lässt sich folgendes ableiten: Banken und Finanzmarktakteure sollen Nachhaltigkeitsaspekte bei ihren Entscheidungen (z. B. Kreditvergabe) berücksichtigen.

3. Auf einen Blick: Die wichtigsten Regulierungsvorhaben

Die Regulierung im Nachhaltigkeitsbereich ist äußerst komplex: Es besteht eine Vielzahl an regulatorischen Vorhaben, die in absehbarer Zeit verpflichtend für Finanzmarktteilnehmer und ihre Kunden werden.

Zu den wichtigsten Vorhaben, die den beschriebenen Transformationsgedanken bzw. Risikoansatz verdeutlichen, gehören die EU-Taxonomie und der EZB-Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken. 

3.1 EU-Taxonomie 

Im Mittelpunkt der europäischen Nachhaltigkeitsregulierung steht die EU-Taxonomieverordnung, mit der die EU-Kommission ein einheitliches Klassifizierungssystem für nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten etabliert. Für größere Transparenz und eine verbesserte Lenkungswirkung werden Banken zukünftig verpflichtet, den prozentualen Anteil ihrer taxonomiekonformen Finanzierungen im Rahmen der nicht-finanziellen Berichterstattung auszuweisen.

Die Taxonomie wird sowohl Umwelt- als auch Social- und Governance-Ziele (ESG-Kriterien) umfassen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind zwei der sechs Umweltziele („Klimaschutz“; „Anpassung an den Klimawandel“) definiert und mit technischen Evaluierungskriterien unterlegt. Grundvoraussetzung für die Einstufung als ökologisch nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie ist neben der Erfüllung von mindestens einem der sechs Umweltziele, dass keine Aktivität die anderen fünf Ziele erheblich beeinträchtigt („Do-no-signifikant-harm“-Kriterium; DNSH) und dass soziale Mindestanforderungen eingehalten werden.

Die Delegierten Rechtsakte der Taxonomie treten stufenweise ab 1. Januar 2022 („Klimaschutz“, „Anpassung an den Klimawandel“) und 1. Januar 2023 (restliche Umweltziele) in Kraft. Nach aktuellem Stand ist sowohl das Neu- als auch das Bestandskreditgeschäft betroffen. 

Im Hinblick auf den knappen Implementierungszeitrahmen ist es dringend notwendig, dass sich Kreditnehmer schon heute mit ihrer Nachhaltigkeitsbilanz auseinandersetzen.

Regelung für Landwirtschaft 

Nachdem es bereits umfangreiche technische Kriterien für die Landwirtschaft gab, wurde nunmehr beschlossen, die Kriterien für landwirtschaftliche Tätigkeiten zunächst noch aus der delegierten Verordnung auszuklammern, bis bei den laufenden Verhandlungen über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) weitere Fortschritte erzielt worden sind, um für mehr Kohärenz zwischen den verschiedenen Instrumenten zur Umsetzung der Umwelt- und Klimaziele des Grünen Deals zu sorgen.

3.2 EZB-Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken 

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Umwelt- und Klimarisiken als maßgebliche Risikofaktoren für die Stabilität des Finanzsystems identifiziert. Im Jahr 2020 veröffentlichte sie einen Leitfaden, der die Erwartungen an die Banken hinsichtlich der Integration von nachhaltigen Kriterien in das Risikomanagement, die Geschäftsstrategie, Unternehmensführung und Offenlegungspflichten definiert; vorrangig geht es um die Frage, inwieweit Klima- und Umweltrisiken das Ausfallrisiko von Kreditnehmern beeinflussen können. 

Neben der EZB hat auch die BaFin ihre Erwartungen an die von ihr beaufsichtigten Institute zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken in einem Dokument verdeutlicht. Beide sind eng mit bestehenden Regulierungsstandards der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) abgestimmt und in ihren Anforderungen sehr ähnlich. 

Der Zeitplan für die Umsetzung dieser neuen Risikovorgaben ist sehr ambitioniert: Die Banken führen aktuell eine Analyse des Status Quo durch, um im nächsten Schritt entsprechende Maßnahmenpläne zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zu erarbeiten. Die Ergebnisse werden 2022 im Rahmen einer aufsichtsrechtlichen Überprüfung und eines Banken-Stresstests durch die EZB bewertet. 

Anwendungsbeispiel EZB-Leitfaden 
Bei Finanzierungen im landwirtschaftlichen Bereich werden Banken die folgenden Risiken erfassen und zukünftig bewerten müssen:

  • Extreme Wetterereignisse 
  • Chronische Witterungsverläufe 
  • Wasserstress 
  • Ressourcenknappheit 
  • Verlust der Biodiversität 
  • Umweltverschmutzung 

Darüber hinaus sind klima-/umweltpolitische, regulatorische und technologische Entwicklungen sowie Entwicklungen an den Märkten in die Risikoanalyse einzubeziehen. 

4. Konsequenzen der europäischen Nachhaltigkeitsregulierung für die Finanzierung

Finanzierung: Die konkreten Auswirkungen der neuen regulatorischen Vorgaben auf das Agrar-Kreditgeschäft, insbesondere die Finanzierungskonditionen, lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehen. Um die neuen Risikofaktoren gegenüber den „herkömmlichen“ Faktoren (Bonität, Ratings etc.) in Beziehung zu setzen und gewichten zu können, bedarf es zunächst einer umfassenden Analyse durch die Banken. In diesem Zusammenhang sind die Banken darauf angewiesen, dass sich die Landwirte intensiv mit der Nachhaltigkeitsbilanz ihrer Betriebe beschäftigen einen entsprechenden Datenhaushalt aufbauen. 

Kundenbeziehung: Wir erwarten, dass die europäische Nachhaltigkeitsregulierung die Beziehung zwischen Kunde und Bank tiefgreifend verändern wird. Sie wird deutlich komplexer und vielschichtiger. Die Thematik taxonomiefähiger Finanzierungen wird Kreditentscheidungen von Banken zukünftig beeinflussen. Sollte die EU-Kommission Eigenkapitalerleichterungen für taxonomiekonforme Finanzierungen und Green Bonds ermöglichen, können diese sogar zu Finanzierungsvorteilen für die Landwirte führen. 

Wettbewerbsfähigkeit taxonomiekonformer Finanzierungen: Die Landwirtschaft wurde aus dem ersten delegierten Rechtsakt ausgeklammert, um eine stärkere Verzahnung mit der GAP zu gewährleisten. Eine hohe Kohärenz mit Regulatorik und bereits etablierten Branchenstandards ist notwendig um eine praxisnahe und möglichst unbürokratische Anwendung der Taxonomie zu gewährleisten und die Wettbewerbsfähigkeit taxonomiekonformer Finanzierung sicherzustellen. Ist dies erfüllt, können taxonomiekonforme Betriebe von einem leichteren Zugang zu günstigen Finanzierungen profitieren. 

Zusammenfassung: 

Die europäische Nachhaltigkeitsregulierung wird sich schrittweise immer stärker auf das Kreditgeschäft und auf das Agrarbanking auswirken. Nicht nur auf Grund der neuen Berichtspflichten, sondern auch auf Grund einer immer stärker geforderten Transparenz entlang der Wertschöpfungskette der Agrar- und Ernährungswirtschaft, wird es notwendig, dass sich Landwirte intensiv mit ihrer Nachhaltigkeitsbilanz beschäftigen und einen entsprechenden Datenhaushalt aufbauen. Wie das aussehen soll, ist zurzeit noch offen. Wir befinden uns dazu im Austausch mit Politik und Agrarverbänden. Wir werden Sie auch weiterhin über den Prozess auf dem Laufenden halten.

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Kontakt

DLG e.V. • Michael Biallowons • Tel.: +49(0)69/24 788-209 • m.biallowons@DLG.org