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Ausblick

DLG-Nachhaltigkeitsbericht 2016

Der DLG-Nachhaltigkeitsbericht 2016 Landwirtschaft in Deutschland beschreibt die Nachhaltigkeitssituation der Landwirtschaft anhand der Entwicklung von 23 Indikatoren aus den Bereichen Ökologie, Ökonomie sowie soziale und internationale Verantwortung.

Im ersten Bericht, der im Januar 2015 vorgelegt wurde, wiesen die Verfasser auf fehlende Indikatoren hin, die für eine umfassende Betrachtung der Nachhaltigkeit notwendig wären. Bislang fehlte für die Erstellung dieser Indikatoren eine valide bundesweite Datengrundlage. Zwischenzeitlich konnte dieses Informationsdefizit in einigen Bereichen verringert werden. So gibt es neuere Entwicklungen im Bereich der Nutztierhaltung, beispielsweise bei der Beschreibung von Tendenzen im Bereich der Tiergerechtheit der Nutztierhaltung und des Antibiotikaeinsatzes. Weiter Lücken müssen in Zukunft noch geschlossen werden.

Neu in diesem Bericht sind praktische Umsetzungsbeispiele zur Verbesserung der Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Betriebe. Sie zeigen, wie durch Einsatz wissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Innovationen Fortschritte im Bereich der Ressourcenökonomie erreicht werden können.

Der Nachhaltigkeitsindex Landwirtschaft stellt in stark aggregierter Form die Entwicklung der Nachhaltigkeit in den letzten zwei Jahrzehnten dar. Ähnlich wie beim Welthungerindex der Welthungerhilfe und des IFPRI (International Food Policy Research Institute) oder des Human Development Index der Vereinten Nationen kann mit dem Nachhaltigkeitsindex eine internationale Vergleichbarkeit hergestellt werden. Der Nachhaltigkeitsindex wurde aus Schlüsselindikatoren gebildet, die mit den Indikatoren des DLG-Nachhaltigkeitsberichtes in engem inhaltlichen Zusammenhang stehen und die die drei Teilbereiche der Nachhaltigkeit gleichgewichtet repräsentieren. Der mit der Verdichtung zwangsläufig einhergehende Informationsverlust kann durch Heranziehen der Indikatoren des DLG-Nachhaltigkeitsberichtes 2016 ausgeglichen werden.

Die Indikatoren spiegeln die Stärken und Schwächen der Landwirtschaft. Die Dynamik der Zeitreihen zeigt, dass Nachhaltigkeit ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess ist. Dieser wird gespeist durch gesellschaftliche, organisatorische, technische und biologische Innovationen. Unter anderem sind folgende Tendenzen zu erkennen:

Bei der Flächeninanspruchnahme, die im Wesentlichen auf eine Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche zurückgeht, zeigt sich, dass der tägliche Verlust an Landwirtschaftsfläche zwar von ca. 140 ha im Jahr 2000 auf ca. 75 ha im Jahr 2013 gesenkt werden konnte. Aufgrund der faktischen Unumkehrbarkeit von Bodenversiegelung und -abtrag ist der tägliche Flächenverbrauch, der ungefähr einer Fläche von 1,3 Landwirtschaftsbetrieben durchschnittlicher Größe entspricht, mittel- bis langfristig nicht hinnehmbar (Abb. 1).

Die Stickstoffbilanz weist über die Stickstoffsalden der Flächenbilanz auf landwirtschaftlichen Nutzflächen aus, dass die Landwirtschaft insgesamt in den vergangenen 20 Jahren bis zum Jahr 2009 eine tendenzielle Verringerung der Stickstoffüberschüsse erreichen konnte. In den kommenden Jahren muss festgestellt werden, ob sich der seit 2010 zu beobachtende leichte Anstieg des Stickstoff-überschusses bestätigt oder nicht. In Deutschland unterliegen die landwirtschaftlichen Betriebe der Düngeverordnung. Danach war im Jahr 2009 ein Stickstoffüberschuss in Höhe von 90 kg/ha*Jahr zulässig. Seit 2012 gilt für Betriebe der verschärfte Wert von 60 kg/ha*Jahr. Dieser wurden in der nationalen Flächenbilanz im 3-jährigen Mittel im Jahr 2013 mit einem Saldo von 67 kg N/ha überschritten (Abb. 3.1).

Für die Beschreibung der Biodiversität wird der Vogelindikator herangezogen, da Vögel, ebenso wie andere Arten, eine vielgestaltige Landschaft bevorzugen. Der Vogelindikator weist auf Defizite in der Zielerreichung hin. Trotz fachlicher Kritik an der Zusammensetzung der Vogelarten ist er z. Zt. der am meisten verbreitete Indikator, der bundesweit erhoben wird und mit dem die Entwicklung der Artenvielfalt in Agrarlandschaften beschrieben wird. Der Vogelindikator weist rückläufige Werte auf. Seinen Tiefstand hatte der Indikator im Jahr 2011 mit einem Wert von 57,8 % erreicht. Im Jahr 2012 wurde mit 62,6 % des Zielwertes eine leichte Erholung erreicht. Auf Grundlage dieser Entwicklung schätzt das Bundesministerium für Umwelt die Vogelartenbestände auf Agrarland als kritisch ein (Abb. 7).

Für die Tiergerechtheit liegt auf Bundesebene bislang noch keine ausreichende Datenbasis vor. Handlungsbedarf in diesem Bereich wird sowohl von der Politik, der Gesellschaft, der Wissenschaft sowie der Landwirtschaft gesehen. Ein erster Ansatz ist die Brancheninitiative Tierwohl, die im Kapitel 5 ausgeführt wird. Initiativen der Forschung, der Branche, von Nichtregierungsorganisationen und der Politik sind darauf ausgerichtet, Tiergerechtheit stärker in der Nutztierhaltung zu verankern und dies in der Gesellschaft zu vermitteln. Darüber hinaus ist festzustellen, dass wissensbasierte Forschungs- und Entwicklungsarbeiten bereits intensiv angelaufen sind und in Zukunft noch verstärkt werden sollen. Forschungsergebnisse, technische und organisatorische Entwicklungen sollen über Anreizsysteme, Pilotprojekte, eine verstärkte Beratung und Fortbildung sowie durch gesetzliche Flankierungen auf breiterer Ebene umgesetzt werden.

Die Energieeffizienz konnte von 2002 bis 2011 tendenziell verbessert werden. Seit 2012 konnte dieser Trend allerdings nicht fortgesetzt werden. Um die Energieeffizienz dauerhaft zu verbessern, sollten konsequent Methoden der „Präzisionslandwirtschaft“ eingesetzt werden, welche die unproduktive Überlappung bei der Bodenbearbeitung, Bestelltechnik und Bestandspflege deutlich reduzieren können. Auch Verfahren der konservierenden Bodenbearbeitung sind geeignet, Energie einzusparen. Weitere Einsparpotenziale können z. B. mit dem effizienteren Einsatz energieintensiver Betriebsmittel wie z. B. Stickstoff und Pflanzenschutzmitteln realisiert werden (Abb. 17).

Die Flächenproduktivität zeigt im Zeitraum zwischen 1990 und 2013/14 Schwankungen um einen leichten Aufwärtstrend. Eine hohe Flächenproduktivität ist im Hinblick auf eine nachhaltige Landwirtschaft anzustreben, um den knappen Faktor Boden optimal zu nutzen. Dazu dient ein effizienter Einsatz der Betriebsmittel, z. B. Dünge- und Pflanzenschutzmittel und Wasser. Am Produktivitätsverlauf für den Weizen, eine der wichtigsten Ackerbaukulturen in Deutschland, wird die hohe Schwankungsbreite um den Aufwärtstrend besonders deutlich. Während in der Phase von 1990 bis 2001 deutliche Zuwachsraten bei moderateren Schwankungen zu sehen sind, nimmt die Schwankungsbreite ab 2001 bei einem gleichzeitig flacheren Aufwärtstrend erheblich zu. Ursächlich dafür sind u. a. das hohe erreichte Ertragsniveau mit abnehmenden Ertragszuwächsen, der Umstieg auf pflanzenbaulich anspruchsvollere nicht wendende Bodenbearbeitungsverfahren und nicht zuletzt Mängel bei den institutionellen Rahmenbedingungen für die Züchtung, z. B. ein gesetzlich unzureichend verankerter Schutz geistigen Eigentums der Züchter (Abb. 9).

In der Milcherzeugung ist ein deutlich stärkerer Aufwärtstrend in der Produktivität, der sich in der Milchleistung der Kühe ausdrückt, zu beobachten (Abb. 10). In der Gesamtheit aller Milchkühe wächst die Jahres-Milchleistung im Zeitraum zwischen 2000 und 2013 von ca. 6.100 auf ca. 7.400 kg Milch pro Kuh. Diese Produktivitätssteigerung hat viele Ursachen, die beim Züchtungsfortschritt beginnen, über eine verbesserte Gebäude- und Stalltechnik gehen und bis hin zum professionelleren Herdenmanagement führen. Aspekte der Tiergerechtheit sind bei der Produktivitätssteigerung im Stall mit einzubeziehen. Im Hinblick auf Nachhaltigkeitseffekte ist auch eine effizientere Fütterung wirksam. Dies führt zu verringerten Nährstoffausscheidungen was zu Verbesserungen der N- und P-Bilanzen beiträgt. In die gleiche Richtung weist die im Zeitraum zwischen 2000 und 2013 verbesserte Futterverwertung in der Mastschweinehaltung (Abb. 11). Beide Aspekte der Fütterung werden im Kapitel 5 aufgegriffen.

Im Bereich der gesellschaftlichen Verantwortung der Landwirtschaft hat sich bei der Ausbildung und bei der beruflichen Qualifikation der Landwirte in den letzten Jahren einiges verändert. Die unterschiedlichen Berufsabschlüsse zeichnen ein sehr differenziertes Bild: aufgrund des Strukturwandels bei den Betrieben nimmt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Landwirtschaft seit 2008 leicht zu. Gleichzeitig nimmt die Ausbildungsquote in den grünen Berufen ab und in der Folge auch die Anzahl der Fachschüler und der bestandenen Meisterprüfungen. Dieser Trend ist der Tatsache geschuldet, dass ein großer Teil des Nachwuchses des Agrarsektors sich direkt für ein Studium entscheidet und auf die Ausbildungszeit auf den Betrieben und in der Berufsschule verzichtet. Somit steigt der Anteil der Hochschulabsolventen in der Summe über alle grünen Sparten im Zeitraum von 2000 bis 2013 erheblich an. Im gleichen Zeitraum erhöht sich die wissenschaftliche Qualifikation des Branchennachwuchses, was sich an der steigenden Anzahl der Promotionen in den Agrarwissenschaften und dem Garten- und Weinbau ablesen lässt (Abb. 17, 18, 19).

Bei den Arbeitsunfällen in der Landwirtschaft ist ein erfreulicher Rückgang im Zeitraum von 2000 bis 2012 um mehr als 21 % zu verzeichnen. Dieser Trend kehrte sich 2013 erstmals wieder um und die Anzahl der Arbeitsunfälle stieg auf 112 je 1.000 Unternehmen an. Dies verdeutlicht die Dringlichkeit weitere Anstrengungen bei der Vermeidung aller Ursachen, die zu Unfällen führen, zu unternehmen. Die Landwirtschaft bleibt somit einer jener Wirtschaftszweige, in dem sich besonders viele Unfälle ereignen (Abb. 20).

Eine sehr positive Entwicklungen zeigt sich bei den stark rückläufigen Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln (Abb. 23). Verbesserte Pflanzenschutzmittel, abdriftmindernde Pflanzenschutztechnik, Vermeidung von Einträgen aus Punkt-Belastungsquellen (z. B. Waschplätze), verbesserte Sachkunde bei den Anwendern und eine europäische Harmonisierung des Pflanzenschutzrechtes sind hierfür einige wesentliche Faktoren.

Im aggregierten Nachhaltigkeitsindex Landwirtschaft zeigt sich: Im Zeitraum 1990 – 2013 ist eine durchschnittliche jährliche Verbesserungsrate der Nachhaltigkeit der deutschen Landwirtschaft in Höhe von 1,9 % feststellbar.

Insgesamt zeigen die Indikatoren im DLG-Nachhaltigkeitsbericht 2016 die komplexen Wirkungszusammenhänge der landwirtschaftlichen Produktion mit den Umweltbereichen Boden, Wasser, Klima, Luft und Biodiversität. Damit verbunden sind die Notwendigkeit und gleichzeitig die Herausforderung, die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft weiter voranzutreiben. Dies bleibt eine große Aufgabe für alle Beteiligten, die Engagement und Umsetzungskraft erfordert. Insbesondere dort, wo Maßnahmen kostenwirksam sind, würde es die Nachhaltigkeit fördern, wenn Mechanismen greifen, diese Kostensteigerung durch erhöhte Marktleistungen und/oder flankierende Programme anteilig zu kompensieren.

Gleichzeitig müssen diese Anstrengungen von einer aktiven, offenen und transparenten Kommunikation mit der Gesellschaft begleitet werden, damit der Wille und das Potenzial der Landwirtschaft zur Verbesserung der Nachhaltigkeit stärker sichtbar werden.

 

Kontakt

DLG-Fachzentrum Landwirtschaft • Erik Guttulsröd • Tel.: +49(0)69/24788-302  e.guttulsroed@dlg.org