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Landwirtschaft 2030

Die DLG hat mit der Veröffentlichung ihrer zehn Thesen „Landwirtschaft 2030“ Anfang Januar 2017 wichtige Anstöße für die Weiterentwicklung der Agrarbranche gegeben.

Die Diskussion darüber, wie die Produktivität gesteigert, die mit der Landwirtschaft verbundenen Umweltbeeinträchtigungen reduziert und die Nutztierhaltung so organisiert werden können, dass sie von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird, nimmt einen breiten Raum in der DLG-Facharbeit ein.

Auf dieser Webseite finden Sie eine ausführliche Beschreibung der zehn Thesen sowie weitere Beiträge und Veröffentlichungen aus der DLG-Facharbeit mit wertvollen Ansätzen zur Weiterentwicklung der Branche.    

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Der Landwirt braucht eine fundierte und umfassende Ausbildung und muss sich als ehrbarer Unternehmer von seinem Berufsethos leiten lassen.

Die fundamentalen Anforderungen an die Landwirtschaft bestehen darin, Produktivität mit Ressourcenschutz und Ansprüchen der Nutztiere in Einklang zu bringen. Dazu braucht der Landwirt die Bereitschaft , diese Anforderungen mit entsprechendem Know-how auf dem Betrieb umzusetzen. Wissen, Können und Wollen. Seit langem zeigt sich, dass die Qualität der Berufsausbildung stetig ansteigt. Neben die klassische Berufsausbildung als Landwirt tritt ein immer größerer Anteil an höherwertigen Berufsabschlüssen wie Techniker, Meister, Ingenieur, Bachelor oder Master of Science. Wichtig hierbei ist der ausreichende Praxisbezug. Auch die Anzahl von abgeschlossenen Promotionen im Studiengang Landwirtschaft hat sich seit Beginn des Jahrtausends gut entwickelt.

Die landwirtschaftlichen Prozesse sind hochkomplex. Durch den technischen Fortschritt, der mit großer Geschwindigkeit wächst, werden die Arbeitsvorgänge in der Landwirtschaft immer wissens- und kapitalintensiver. Daher muss das sehr gute Aus- und Fortbildungsniveau der Landwirte weiter ausgebaut werden. Um Landwirtschaft in Feld und Stall verantwortlich ausüben zu können, sollte eine angemessene Ausbildung zwingend vorgeschrieben sein. Um die Kenntnisse von Betriebsleitern und Mitarbeitern auf dem neuesten Stand zu halten, sollten regelmäßige Fortbildungen nachgewiesen werden.

So können die landwirtschaftlichen Prozesse kontinuierlich verbessert, Innovationen auf den Betrieben gut umgesetzt und der Gesellschaft angemessen vermittelt werden. Auch umweltorientierte und tierethische Aspekte gehören stärker in alle Ausbildungsgänge integriert. So sind die Voraussetzungen des Wissens und Könnens gegeben. 

Wie sieht es mit dem Wollen aus? Aus der Verbindung von Produktivität, Umweltschutz und tiergerechter Nutztierhaltung im fruchtbaren Austausch mit der Gesellschaft bildet sich das tragfähige Selbstverständnis des ehrbaren landwirtschaftlichen Unternehmers. Das Berufsethos, das mehr ist, als das ausschließliche Verfolgen des ökonomischen Prinzips. Es umfasst das Bewusstsein, dass neben der Produktion die bewirtschafteten und gestalteten Kulturlandschaften und die gehaltenen Nutztiere eine eigene Berechtigung haben. Neben ihrer produktionsbasierten Zweckbestimmtheit haben Kulturlandschaften einen Anspruch an Regeneration und Nutztiere einen Anspruch an Tiergerechtheit.

Dafür sind Innovationen notwendig. So werden die Produktionssysteme nachhaltig.

Die wissens- und innovationsbasierte Landwirtschaft hat zu beachtlichen Produktivitätsschüben geführt. An einigen Punkten überschreitet der Modernisierungspfad allerdings die Grenzen der Nachhaltigkeit und er gefährdet die Resilienz der Systeme.

Einige Entwicklungen in der Landwirtschaft werden in der gesellschaftlichen Debatte besonders kritisch hinterfragt: Einerseits die zu hohen Nährstoffüberschüsse in den (sogenannten) Hotspots der Tierhaltung, andererseits der Rückgang der Artenvielfalt in intensiv genutzten Agrarlandschaften.

Landwirtschaft muss hier mehr unternehmen als bisher. Tierhaltung und Fläche sind innerhalb des Betriebes oder vertraglich zu koppeln. Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel nehmen infolge zu stark zugespitzter acker- und pflanzenbaulicher Verfahren zu. Daher müssen Mindestansprüche an Fruchtfolgen formuliert und eingehalten werden.

In der Nutztierhaltung sind erhebliche Fortschritte erreicht worden. So hat sich z.B. die Lebens- tagleistung bei Milchkühen deutlich gesteigert und der Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung ist signi kant zurückgegangen. Gleichzeitig geben z.B. die Befunde bei Schlachtkörpern mit Tierwohlbezug immer wieder Anlass zu Kritik an der Nutztierhaltung im Allgemeinen.

Dennoch: Die Landwirtschaft ist in hohem Maße lernfähig und in der Lage, ihre Produktionsprozesse zu verbessern. So zeigen die starken Rückgänge der Belastung des Grundwassers mit Pflanzenschutzmitteln und die ebenso starken Rückgänge der Pflanzenschutzmittelrückstände in Lebensmitteln in der vergangenen Dekade erhebliche Fortschritte bei Umwelt- und Verbraucherschutz. Dies ist besonders beachtlich, weil in den gleichen Zeiträumen die Produktivität stark angestiegen ist.

In den letzten Jahrzehnten hat die deutsche Landwirtschaft ihre Produktivität erheblich gesteigert. Eine verbesserte Aus- und Weiterbildung, Beratungsanstrengungen, technische sowie biologische Innovationen, Monitoring und ordnungsrechtliche Rahmensetzung haben sehr gut zusammengewirkt. Mit ähnlichen Maßnahmenkombinationen und großem Engagement kann Landwirtschaft die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen bewältigen.

Innovationsbereitschaft, Erfindergeist, Forschungsfreiheit und angemessenes Risikomanagement sind wesentliche gesellschaftliche Voraussetzungen für eine nachhaltige Landwirtschaft.

Innovationen sind Voraussetzung für technischen, biologischen und gesellschaftlichen Fortschritt und damit Schlüssel für gesellschaftliche Entwicklung. Bewährte Konzepte allein sind nicht ausreichend, denn neue Herausforderungen brauchen auch neue Antworten. Das gilt insbesondere dann, wenn teilweise konkurrierende Zielsysteme wie Produktivität, Umweltschutz und Tierschutz in Einklang gebracht werden müssen. In Deutschland ist auch im Agrarbereich eine verbreitete Skepsis in Bezug auf Innovationen zu beobachten. So scheinen in maßgeblichen Teilen der Gesellschaft Vorbehalte gegen Neuerungen zu überwiegen und ausgewiesene Experten nicht ausreichend Gehör bei den Verantwortlichen aus Politik und Administration zu finden.

Die Ursachen dafür sind vielfältig: Komplexität der Zusammenhänge, mangelnde Nachvollziehbarkeit landwirtschaftlicher Erzeugungsprozesse und mangelndes Vertrauen in Experten liefern Erklärungsansätze. In der Reaktion darauf werden Entscheidungen über Genehmigungen und Zulassungen für Forschungs- und Entwicklungsprozesse und Innovationen vergleichsweise restriktiv gehandhabt. Das hat ein Abwandern von Kompetenzträgern und eine Verlagerung von Forschungs- und Entwicklungskapazitäten führender forschender Unternehmen nach Übersee zur Folge.

Politik und Administration sollten sich bei der Genehmigung und Zulassung von Forschung, Entwicklung und Innovation auf die Nutzen- und Risikobewertung unabhängiger und dafür ausgebildeter Experten stützen. Entscheidung auf Basis von Meinungsumfragen oder vermuteter Mehrheitsmeinung sind der Komplexität der Sache, ihrer hohen Bedeutung und einer arbeitsteilig organisierten Gesellschaft nicht angemessen. Bewertungen und Entscheidungen sollten von Interessierten und der Gesellschaft insgesamt verstanden werden können. Daher sollten ihnen nachvollziehbare und transparente Bewertungskriterien zugrunde liegen und kommuniziert werden.

Wirtschaftlichkeit und Tiergerechtheit sind in der Nutztierhaltung gleichermaßen wichtig. Zielkonflikte können durch präzise Tierbeobachtung, sorgfältige Tier­betreuung, gute Genetik und innovative Tierhaltungssysteme minimiert werden.

In der Tierhaltung werden bislang bewährte Haltungsverfahren, die dem Stand der Technik entsprechen, von Teilen der Gesellschaft und der Wissenschaft kritisch hinterfragt. Ansatzpunkte für Kritik sind große Bestände, hohe Belegdichte, nicht artgerechte Haltung und Fütterung, nicht-kurative Eingriffe am Tier, Antibiotikaverwendung, Fütterung mit Importfuttermitteln sowie Emissionen.

Ziel muss es sein, Leistung und Tierwohl auszubalancieren. Die Zuchtziele müssen auf diese Balance ausgerichtet sein und die Haltungsbedingungen müssen sicherstellen, dass wesentliche Bedingungen der Tiergerechtheit erfüllt sind: Freiheit von Hunger und Durst, Freiheit von haltungsbedingten Beschwerden, Freiheit von Schmerz, Verletzungen und Krankheiten, Freiheit von Angst und Stress, Freiheit zum Ausleben normaler Verhaltensweisen. Dabei muss eine Unterscheidung zwischen objektiven und messbaren Beeinträchtigungen der Nutztiere und Projektionen menschlicher Empfindungen getroffen werden.

Die Defizite im Produktionsprozess müssen benannt und abgestellt werden. Dazu notwendig sind eindeutige und handhabbare Indikatoren und Kriterien, eine Priorisierung der Fehlerquelle sowie ein konsequentes Sanktionssystem. Tierhalter sollten stetig an einer Verbesserung der Haltungsbedingungen arbeiten und auch in diesem Bereich innovativ handeln. Dazu gehören die Umsetzung neue Verfahren zur Vermeidung nicht-kurativer Eingriffe und die Investition in innovative, tiergerechte Haltungssysteme, die seitens der Genehmigungsbehörden nicht verhindert werden sollten. Eine nachgewiesene Befähigung zum Halten von Tieren und regelmäßige Fortbildungen sollten zum Standard werden. Sie helfen dem Tierhalter, Defizite selbst zu erkennen und frühzeitig abzustellen. Tierwohl ist eine Bewusstseinsfrage und offenbart sich im Handeln und in der Sprache: Nutztiere sind Lebewesen und werden nicht produziert, sondern gehalten.

Wer höhere und mit zusätzlichen Kosten verbundene Tierwohlstandards durchsetzen möchte, wird in offenen Märkten vergleichbare Rahmenbedingungen anstreben müssen. Sonst wandert die Tierhaltung an den Ort der kostensparenden niedrigeren Standards. Die Auslobung von „Secondary Standards“ durch den Einzelhandel ist nur zielführend bei entsprechenden angehobenen Preisniveaus. Der Wissenschaftliche Beirat beim BMEL schlägt vor, für mit zusätzlichen Tierwohlaspekten hergestellte Produkte öffentliche Gelder zu verwenden. So könne die Lücke zwischen der Zahlungsbereitschaft der Kunden und dadurch verursachten Kosten gedeckt werden. Ob dies auf Dauer tragfähig ist, sollte kritisch hinterfragt werden. Es ist ein Gebot der Ehrlichkeit, darauf hinzuweisen, dass Zielkonflikte zwischen Tierschutz, Umweltschutz, Tiergesundheit und Ökonomie nicht vollständig aufgelöst werden können. Dies muss im gesellschaftlichen Diskurs geklärt werden.

Artenrückgang, Nährstoffüberschüsse und Resistenzen lassen sich vermindern. Sensibili­sierung der Akteure, innovative Technik, leistungsfähige Sorten, präzise Düngemittel, wirksame und umweltverträgliche Pflanzenschutzmittel helfen dabei.

Die moderne, wissens- und innovationsgetriebene Produktionstechnik führte in den letzten Jahrzehnten zu beachtlichen Produktivitätsschüben. Mit Nebenwirkungen: Klimawandel, Artenverlust, Gewässereutrophierung. Kritisiert wird eine Zuspitzung der Produktionsverfahren durch Ausräumung der Kulturlandschaften, eine Vereinfachung der Fruchtfolge und eine übermäßige Verwendung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Klassische ackerbauliche Prinzipien in der Fruchtfolgegestaltung, der Bodenbearbeitung sowie der Aussaattechnik und den Aussaatzeiten müssen wieder stärker in die gute landwirtschaftliche Praxis Eingang finden. Das marktfähige Kulturartenspektrum sollte erweitert werden, so dass klassische Fruchtfolgesysteme einem ganzheitlicheren ackerbaulichen Anspruch genügen. Hier geht es um die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von „neuen“ und Nischenkulturen (Soja, Durum, Dinkel, Emmer, Leguminosen …) durch Züchtung, um die Erschließung neuer Märkte und um den verstärkten Anbau von Sommerungen. Beim Pflanzenschutz sollten präventive ackerbauliche Verfahren und die Nutzung technischer Innovationen (GPS, Sensoren, Robotik) für den mechanischen Pflanzenschutz verstärkt werden. Auch der Einsatz resistenter und toleranter Sorten, ein (regelmäßiger) Wirkstoffwechsel sowie die Nutzung neuer und selektiverer Wirkstoffe sollten zukünftig einen größere Rolle spielen. Dabei ist seitens der Industrie und der Zulassungsbehörden sicherzustellen, dass für alle Kulturarten eine ausreichende Anzahl an Pflanzenschutzmitteln die amtlichen Prüfungen zügig durchlaufen können. Bei der Düngung und beim Nährstoffmanagement stehen die Umsetzung von Nährstoffkonzepten zur Verminderung starker regionaler Konzentrationen von Wirtschaftsdüngern und die Erhöhung der Transportwürdigkeit von Wirtschaftsdüngern im Vordergrund.

Auch der Erhöhung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit von Nährstoffen in Siedlungsabfällen wie Klärschlämmen kommt eine hohe Bedeutung zu; ebenso wie der Kombination von neuen Anbaumethoden und Düngerapplikationstechniken (Strip-Till und Unterfußdüngung). Zur Erhöhung der Biodiversität sollten Landwirte auch in intensiven ackerbaulichen Regionen eine höhere Sensibilität für den ökologischen Wert von Ruderal- und Saumstrukturen (Raine, Hecken, Ackerrandstreifen, Gehölze, Verbuschungsflächen …) entwickeln und diese Habitate, den ökologischen Zielsetzungen folgend, pflegen und vernetzen. Auf der Fläche sollten die ertragsschwachen aber ökologisch wertvollen Teilflächen mit Hilfe des Precision Farming identifiziert und entsprechend schonend bewirtschaftet werden. In die Abwägung einbezogen werden sollte, dass es sich bei den ackerbaulichen Standorten Mitteleuropas und Deutschlands oftmals um hochproduktive Gunststandorte handelt. Der Verzicht auf Erträge an Gunststandorten würde wahrscheinlich zu einer Intensivierung an anderen Standorten führen, wodurch dort höhere Umweltkosten entstehen könnten.

Der Strukturwandel gewinnt auch durch Digitalisierung weiter an Dynamik. Strukturen und Beziehungen in der Wertschöpfungskette Lebensmittel ändern sich fundamental. Digitalisierung sollte für nachhaltige Produktivitätssteigerung genutzt werden.

Die Digitalisierung ist ein Megatrend, auch in der Agrarbranche. Rechnergeschwindigkeiten und Datenspeicherkapazitäten steigen exponentiell, entsprechend fallen die Kosten pro Rechenoperation und Speicherplatz. Das wirkt sich stark kostensenkend auf alle logistischen und mit Informationsverarbeitung verknüpften Vorgänge aus, von denen es  in der Landwirtschaft zahlreiche gibt. Digitale Produkte, Programme und Applikationen können fast zu Nullkosten multipliziert und vertrieben werden; hierdurch werden Grundlagen für geschäftliche Revolutionen gelegt. So wird Digitalisierung ein ständiger Begleiter der Landwirtschaft und aller weiterer Glieder der Wertschöpfungskette Lebensmittel. Digitalisierung wird zu einem tiefgreifenden Wandel der Branchenstrukturen führen. Die Anzahl der Unternehmen/Organisationen, ihre Größe und Kräfteverhältnisse, ihre Kommunikation, ihre Zusammenarbeit und Geschäftsbeziehungen innerhalb und zwischen den Wertschöpfungsketten, all das wird sich in Zukunft stärker und schneller ändern als in den zurückliegenden Jahrzehnten.

Treiber der Entwicklung werden die Digitalisierungsplattformen sein. Die bestehenden Ansätze haben Überschneidungen in den Kernfunktionalitäten, z. B. bei Farm- oder Herdenmanagementsystemen. Die Plattformen stehen in scharfem Wettbewerb um die Schlüsselpositionen in der Branche und sind deswegen oftmals von einem oder wenigen starken Unternehmen dominiert. Die dadurch entstehenden, sogenannten proprietären Ansätze, die eine einfache Datenübertragung von Plattform zu Plattform verhindern, stehen den Interessen der Landwirte entgegen. Für Landwirte sind eine Verfügbarkeit von firmenübergreifenden Anwendungen sowie ein verlustfreier Wechsel von einer Plattform zu einer anderen aus Gründen der Investitionsflexibilität von großer Bedeutung. Langfristig werden sich wenige dominante Plattformen herausbilden, die von sehr vielen Landwirten genutzt werden und die die entscheidenden Akteure in der Wertschöpfungskette integrieren.

Der Handel wird Datenplattformen nutzen, um passgenau auf den Verbraucher ausgerichtete Produktionsketten mit definierten und transparenten Prozessen darzustellen. Für Landwirte entwickeln sich neue Chancen und Risiken. Die Landwirtschaft wird effizienter, verursacht weniger Umweltschäden und ist besser in der Lage, Tiergerechtheit umzusetzen. Auch neue Geschäftsmodelle werden sich entwickeln. Besondere Herausforderungen bestehen bei Fragen der Datensicherheit und der Datenhoheit, d. h. wem gehört was und wer zieht welchen Nutzen.

Landwirte sollten sich der Auseinandersetzung mit der Gesellschaft stellen. Diese Auseinandersetzung sollten von jedem Beteiligten fair und respektvoll geführt werden. Dazu gehören Zuhören, realistische Selbsteinschätzung, sachliches Argumentieren und mutige Handlungsbereitschaft.

Landwirtschaft und Gesellschaft haben sich entfremdet. Persönliche Beziehungen und Kontaktmöglichkeiten zwischen Landwirt und Nicht-Landwirt werden im Zuge der Urbanisierung und des Strukturwandels weniger und schwächer. Gleichzeitig lässt das Interesse an der Landwirtschaft nach, da Lebensmittel aus dem Einzelhandel kommen und deren Mangel aus eigener Anschauung unbekannt ist. Das führt zu Wissensdefiziten über die landwirtschaftliche Produktion. Die in der Landwirtschaft eingesetzten Techniken und Verfahren ändern sich schnell und werden aufgrund mangelnder Bindung von Teilen der Gesellschaft skeptisch bis negativ bewertet: zu groß, zu technisch, zu umweltschädlich, zu stressend für Nutztiere, zu einseitig produktionsbetont. Innovationen werden eher als Bedrohung denn als Treiber für gesamtgesellschaftlichen Fortschritt wahrgenommen.

Die Landwirte haben diesen Argumenten bisher wenig entgegengesetzt. Zu stark mit sich selbst beschäftigt, im sich rasch wandelnden und herausfordernden Umfeld, entwickelten sie einen zu engen Blickwinkel auf den eigenen Betrieb unter dem Druck der Märkte und der Rahmenbedingungen. Bürokratische Vorgaben, umfassende  Dokumentationspflichten und ein immer komplexeres Fachrecht werden als lästig empfunden. Es ist leicht, dabei Fehler zu machen, die in Gegenkampagnen genutzt werden können. Vom Stall und Acker auf den Teller, das ist bei den vielen Verarbeitungs- und Handelsschritten aus dem Bewusstsein gerückt. Vertrauen zurückgewinnen ist die Devise. Landwirte sollten ihre Produktionssysteme nicht bis an die Grenzen des Machbaren ausreizen, insbesondere dann, wenn es aus gesellschaftlicher Sicht zweifelhaft erscheint. Landwirte sollten für ihre Maßnahmen im strategischen Eigeninteresse einen Akzeptanzcheck durchführen. Landwirte sollten sich selbst Compliance-Regeln geben und einen Compliance-Kodex für die nachhaltige Bewirtschaftung der Flächen sowie für eine tiergerechte Nutztierhaltung aufstellen, leben und veröffentlichen. Landwirte sollten sich konsequenter fortbilden, Fachinformationen aufgreifen und „Best Practice“-Beispiele umsetzen. Landwirtschaftliche Produktion und Lebensmittelherstellung müssen der Gesellschaft besser erklärt und anschaulich gemacht werden. Dabei können eindeutig beschriebene und transparent verliehene Label helfen. Sie schaffen Differenzierung im Markt und machen dem Kunden spezifische Angebote. 

Landwirte kommen als Persönlichkeiten „authentisch rüber“. Sie könnten Menschen für Landwirtschaftsthemen begeistern und sind glaubwürdige Botschafter der Faszination Landwirtschaft. Das ist ein bislang zehntausendfach brachliegendes Potenzial. Eine produktive Gesprächskultur sollte mit allen gesellschaftlichen Gruppen (NGOs, Kirchen …) gepflegt werden. So kann das Ideal einer gesellschaftlich breit getragenen Zukunftsstrategie Landwirtschaft Realität werden.

Mit öffentlichen Geldern sollten nachhaltige Produktionsweisen unterstützt werden. Durch Indikatoren sollten die so erbrachten Leistungen und die Wirksamkeit der Politikprogramme quantifiziert und transparent dokumentiert werden.

Das EU-Budget wird mittelfristig eher schrumpfen. Geringeren Einnahmen, z.?B. infolge des Brexit, stehen größere Aufgaben (z.?B. für Bildung, Infrastruktur, Integration von Flüchtlingen, Außen- und Sicherheitspolitik) entgegen. Das wird auch das Agrarbudget betreffen. Daher sollten sich die aktiv wirtschaftenden Betriebe auf eine schrittweise Kürzung der Flächenprämie einstellen.

Wahrscheinlich wird es keinen Vertrauensschutz für eine dauerhaft fortgeführte Agrarpolitik bisheriger Prägung geben, wohl aber sollte es einen Vertrauensschutz gegen einen abrupten Wandel geben. 

Ein EU-Agrarbudget ist nur bei klarer, langfristiger politischer Zielsetzung für den Sektor legitimierbar. Dabei sind u.a. folgende Kriterien zu beachten: 

  • Subventionen sollten an die Erbringung öffentlicher Güter gekoppelt werden. Als Leistungsnachweis könnten auf betrieblicher Ebene Nachhaltigkeitsindikatoren herangezogen werden.  
  • Mit der Ausschreibung von Naturschutzleistungen könnten marktwirtschaftliche Elemente eingeführt werden und zu einer größeren Mittel-Ergebnis-Effizienz beitragen. Dabei sollten Landwirte aus standortangepassten Maßnahmenbündeln diejenigen auswählen können, die größtmöglichen Nutzen bei gegebenen Kosten erwarten lassen.  
  • In strukturschwachen Regionen könnten Flächenprämien für die Revitalisierung des ländlichen Raums genutzt werden (z.B. Digitalisierung, Infrastruktur, Bildung).  
  • Höhere Investitionen in die angewandte und grundlegende Agrarforschung, Entwicklung und Bildung würden zu einer Stärkung des Sektors und zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit beitragen.

Auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft können Investitionen aber auch Ausstiegsoptionen kofinanziert werden, die sonst erst viel später umgesetzt werden könnten. Beispielsweise könnte für Milchviehbetriebe mit Anbindehaltung, die als nicht tiergerecht einzustufen ist, eine Ausstiegsprämie gewährt werden.

Handel braucht verbindliche Standards zu Nachhaltigkeit, Good Governance und Korruptionsbekämpfung, um Produktionsdefizite ausgleichen und Wohlstand für alle Partner schaffen zu können.

Internationaler Agrarhandel leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur globalen Ernährungssicherung, er bringt Nutzen für Importeure und Exporteure. Offene Handelswege gleichen räumliche, zeitliche, quantitative und qualitative Spannungen zwischen Produktion und Verbrauch aus.

Agrarexporte aus Industrieländern in Entwicklungs- und Schwellenländer gleichen Produktionsdefizite aus, wie etwa beim Grundnahrungsmittel Getreide. Eine international stark wachsende Nachfrage nach Milch, Fleisch und veredelten Produkten kann ebenfalls nur durch internationalen Handel bedient werden. Beispielsweise haben im Nahen Osten viele Länder ein strukturelles Getreidedefizit und sind deshalb dauerhaft auf Getreideimporte angewiesen. Komparative Kostenvorteile, aber auch mit Agrarprodukten importiertes „virtuelles Wasser“ schonen lokale Ressourcen. Die Risiken der Versorgungssicherheit in Entwicklungs- und Schwellenländern steigen durch den Klimawandel und die damit verbundenen Ernteausfälle. Die Verantwortung des agrarischen Gunststandortes Europa für die internationale Ernährungssicherung wird weiter zunehmen.

Agrarimporte aus Entwicklungsländern in Industrieländer bringen in den Entwicklungsländern Exporterlöse, die für den weiteren Aufbau von Infrastruktur und Know-how der (Land-)Wirtschaft genutzt werden kann. Die politischen, wirtschaftlichen und naturräumlichen Strukturen in Entwicklungs- und Schwellenländern sind jedoch oftmals sehr sensibel und zerbrechlich. Internationaler Handel darf nicht zu Lasten der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen gehen. Good Governance (Menschenrechte, Rechtssicherheit, Korruptionsfreiheit) sollte über verbindliche UN-Standards eingefordert werden.

Landwirtschaft ist über Bezug- und Absatzmärkte sowie Know-how-Transfer international arbeitsteilig organisiert. Die internationale Zusammenarbeit zwischen Staaten und Unternehmen nimmt den landwirtschaftlichen Sektor nach Jahrzehnten der Vernachlässigung seit einigen Jahren wieder stärker in den Fokus. Dabei gibt es wichtige Felder entwicklungs­politischer Zusammenarbeit: zum Beispiel die Förderung von Kleinbauern und „Emerging Farmers“, um eine höhere Produktivität, einen besseren Zugang zu Märkten, Bildung, 

Technologie und Organisationsentwicklung zu schaffen. Standortangepasste Produktionssysteme sind dabei wichtiger als die Befeuerung von Gegensätzen zwischen ökologischer und konventioneller, technologieorientierter Landwirtschaft. Es sollte das für den Standort jeweils beste Instrumentarium im Hinblick auf maximale Ökoeffizienz gewählt werden.

Die Agrar- und Ernährungsbranche ist ein starkes Segment der Gesamtwirtschaft. Ohne eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft, die in einen vitalen ländlichen Raum eingebunden ist und die eine lokal produzierte Rohstoffbasis sicherstellt, wandert die Ernährungswirtschaft aus Deutschland ab.

Ohne eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft verlieren wir mittelfristig die Lebensmittelwirtschaft in Deutschland. Betriebsmittelindustrie, Landtechnik, Landwirtschaft, Lebensmittelwirtschaft und Handel bilden die Wertschöpfungskette Lebensmittel. Sie erwirtschaften in Deutschland zusammen eine Bruttowertschöpfung von rund 170 Mrd. EUR (ca. 6,25 % der gesamten Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche) und setzen auf Qualität, Innovation und Technologie. An der Ladentheke steht die Branche im engen Austausch mit der Gesellschaft.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Wertschöpfungskette Lebensmittel ist damit herausragend. In der EU ist die Land- und Lebensmittelwirtschaft der mit Abstand größte Wirtschaftszweig. Betrachtet man die gesamte Branche mit den assoziierten Geschäften, liegt die Branche in Deutschland mindestens auf dem dritten Platz. 

Ein großer Anteil der Unternehmen der Wertschöpfungskette ist abseits der urbanen Zentren im ländlichen Raum angesiedelt. Sie zählen dort zu den „Hidden Champions“, die Arbeitsplätze und Wohlstand sichern. Ihre langfristige Prosperität ist auch darauf angewiesen, dass der ländliche Raum vital und hinsichtlich Infrastruktur, Bildungsangeboten sowie Daseinsvorsorge ausreichend ausgestattet ist.

Die Lebensmittelwirtschaft in Deutschland ist auf eine regionale Versorgung mit landwirtschaftlichen Rohstoffen angewiesen. Viele Rohstoffe eignen sich nicht für Transporte über weite Strecken, daher muss insbesondere verderbliche Rohware möglichst lokal verarbeitet werden. Damit ist die industrielle Lebensmittelproduktion an die Verfügbarkeit geeigneter Rohwaren gebunden. Würde die Landwirtschaft in Deutschland und Europa in ihrer Substanz gefährdet, müssten diese Rohwaren über weite Wege importiert werden. Damit würde die Lebensmittel­industrie mittelfristig an die Standorte mit Rohwaren vor Ort abwandern.