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Pflanzenschutz

Gelbrost – ein Kind der Küste? 

Schon vor Jahrtausenden sammelten unsere Vorfahren leidvolle Erfahrungen mit Krankheiten des Getreides. Roste, Mehltau und Brandpilze vernichteten die Ernten und lösten bis in die Neuzeit Hungersnöte aus. Doch die Erreger verändern sich.

So hat der schon in der Antike bekannte Gelbrost des Weizens in den letzten Jahren Besonderheiten gezeigt, die in vielen Lehrbüchern noch gar nicht dokumentiert sind. Neben den altbekannten Typen, die kühle Lebensräume in Meeresnähe bevorzugen, hat Gelbrost nämlich auch warme und trockene Anbaugebiete bis nach Australien erobert. Somit ist er schon lange nicht mehr das „Kind der Küste“, wie es jahrzehntelang gelehrt wurde. 

Wegbegleiter des Ackerbaus 

Rostpilze des Getreides gehören zur Pilzgattung Puccinia, benannt nach einem italienischen Botaniker des 18. Jahrhunderts mit dem gleichen Familiennamen wie der berühmte Komponist. Gelbrost-Pilze leben auf Gräsern und Getreide. Die streifenförmigen Symptome des Gelbrostes an älteren Blättern führten zum wissenschaftlichen Artnamen: Puccinia striiformis. In unseren Breiten spielt im Weizen eine Spezialform (f. sp.) die wichtigste Rolle: Puccinia striiformis f. sp. tritici. Neuere Untersuchungen zeigten, dass sie auch Triticale schädigen kann und sogar auf Roggen und Gerste gefunden wird. 

In früheren Jahrzehnten trat Weizen-Gelbrost tatsächlich meist in den kühlen und feuchten Küstenregionen Nordwesteuropas und im pazifischen Nordwesten Amerikas auf. Seit gut zwei Jahrzehnten ist der Schadpilz aber auf allen Kontinenten anzutreffen, sogar in warmen und trockenen Gebieten. Ursache sind genetische Veränderungen, die dem Parasiten neue Eigenschaften verliehen haben. 

Für die Verbreitung der Rostpilze und anderer Pflanzenkrankheiten spielen globale Luftmassenströmungen eine besondere Rolle. Per Hauptwindrichtung reisen Pilzsporen von einem Anbaugebiet ins andere. So gelangten im Laufe der Jahrzehnte auch immer wieder neue Gelbrost-Rassen nach Nordwesteuropa. Manche tolerierten höhere Temperaturen besser, andere konnten züchterische Resistenzen in Kultursorten überwinden und diese massiv schädigen. Und somit ist auch zukünftig wieder mit dem Auftreten von Gelbrost-Epidemien zu rechnen.

Warum wird Gelbrost immer wichtiger? 

Pilzliche Krankheitserreger haben eine lange, gemeinsame Evolution mit ihren Wirtspflanzen durchlaufen. Sie besiedeln die Pflanzen, um sich selbst fortzupflanzen. Das gilt auch für Rostpilze, die weltweit im Getreide auftreten. Die immense Bedeutung von Winterweizen als Nahrungs- und Futtermittel hat die Anbauflächen im Laufe der letzten 100 Jahre immer größer werden lassen. Damit ist auch ein gigantischer Lebensraum für alle Krankheitserreger des Weizens entstanden, darunter der Gelbrost. Aufgrund seiner Fähigkeit zur schnellen Vermehrung ist er von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung. Bislang sorgten im konventionellen Anbau Fungizide für die Eindämmung solcher Pilzkrankheiten. 

Die restriktive Einstellung der EU zu chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln hat dazu geführt, dass forschende Unternehmen für Europa kaum noch neue Entwicklungen realisieren. Somit bleiben aktuell nur wenige Wirkstoffe gegen Rostpilze verfügbar, von denen einige mittelfristig aus der Zulassung fallen dürften. Die regelmäßige Anwendung der wenigen verbleibenden Wirksubstanzen wird die Resistenzbildung aller Rostpilze deshalb beschleunigen. Damit steigt die Gefahr, dass Gelbrostepidemien zukünftig wieder zu einer Bedrohung des großflächigen Weizenanbaus führen. Die Züchtung resistenter Sorten als Baustein für gesunde Bestände erlangt deshalb eine immer größere Bedeutung. Aber wie beschrieben bringt der Gelbrost ständig neue Rassen hervor, die pflanzliche Resistenzen überwinden. Zur Beschleunigung züchterischer Erfolge ist somit die Akzeptanz moderner Züchtungsmethoden dringend geboten. 

"Ein gesunder Bestand erkrankt oft schlagartig."

Wie entsteht die Epidemie? 

Nach erfolgreicher Infektion durchwächst ein Rostpilz das Pflanzengewebe und entzieht Wasser und Nährstoffe, die der Pflanze für die Ertragsbildung fehlen. Nach und nach werden ungeschlechtliche Uredosporen (Sommersporen) gebildet. Diese entstehen in kurzer Zeit massenhaft unter der Epidermis (Abschlussgewebe) und brechen durch diese hindurch nach außen. So werden die Sporen freigesetzt und bilden einen pulverartigen Haufen auf dem Blatt. Das zeigt sich sehr eindrucksvoll im mikroskopischen Querschnitt des Weizenblattes (Abb., links). In der Hauptwachstumsphase entstehen über längere Zeit Uredosporen, die in großen Mengen produziert werden. Die Sporen des Gelbrostes sind aber nicht immer gelb (Abb., Mitte), sondern oft auch rötlich-orange (Abb., rechts). Deshalb wird Gelbrost auch schnell als Braunrost angesprochen. 

Über seine Uredosporen kann sich Gelbrost epidemisch verbreiten. Die Voraussetzungen sind bei allen Getreiderosten gleich: Kühle Nächte fördern die Sporenbildung. Wenn dann am Tag Sonne und Wind zum Abtrocknen der Blätter führen, verlieren die Sporen ihre oberflächliche Klebrigkeit. Die bei Sonnenschein entstehende Thermik transportiert sie in die Höhe und verbreitet sie im Bestand. Horizontale Luftströmungen tragen sie auf benachbarte Felder. In der Praxis ist das tückisch, denn ein gesunder Bestand erkrankt oft schlagartig. 

Hohe Luftfeuchte und vor allem nächtliche Taubildung sorgen dann für ideale Infektionsbedingungen: Die Sporen keimen aus und dringen durch Spaltöffnungen in das Gewebe ein. Dort breiten sie sich aus, bis neue Sporenlager entstehen. So können in einem Pflanzenbestand mehrere Infektionswellen ablaufen. Deshalb haben Roste – noch vor dem Echten Mehltau – die höchste Entwicklungsgeschwindigkeit. 

Abbildung: Mikroskopischer Querschnitt durch ein Weizenblatt mit Uredosporenlager (links). In der Hauptwachstumsphase entstehen große Mengen Uredosporen. Diese sind aber nicht immer gelb (Mitte), sondern oft auch rötlich-orange (rechts).

Symptome sind nicht immer typisch 

Beim Gelbrost ist die Struktur der Uredosporenlager abhängig vom Alter der Pflanzen. Im jungen Weizen wird Gelbrost deshalb oft für Braunrost gehalten, weil den Uredosporenlagern die typischen streifenförmigen Symptome fehlen; oft sehen sie sogar rotbraun aus. Streifen bilden sich erst auf älteren Blättern, weil der Pilz entlang der Blattleitbündel wächst. Dann nehmen die Sporen auch die markante gelbe Färbung an. 

"Spätsaaten können einen Herbstbefall verhindern."

Auf älteren Pflanzen bleiben nach dem Ausstreuen der Sporen gelblich-bräunliche Streifen zurück. Vor allem im ökologischen Anbau kann der Gelbrost sich auf dem gesamten Blattapparat ausdehnen und die für die Ertragsbildung relevanten obersten Blätter zerstören. Damit erklären sich die hohen Ertrags- und Qualitätsverluste, die mit Gelbrost-Epidemien einhergehen. 

Warum gibt es immer wieder neue Rassen? 

Bei fortgeschrittenem Befall sieht man bereits ab Juni eine schwärzliche Färbung auf den Blättern. Hier sind Teleutosporen (Wintersporen) entstanden. Diese haben bei fast allen Rostpilzen die Aufgabe, den Wechsel auf einen Zwischenwirt auszulösen. Das ist nötig, um den Sommer nach der Ernte zu überstehen. Da Roste ihren Lebenszyklus nur auf grünen Pflanzen absolvieren und auf toten Pflanzenresten nicht überdauern können, brauchen sie eine andere Wirtspflanze. 

Bis 2010 war der Forschung der Nachweis möglicher Zwischenwirte noch nicht gelungen. Man ging davon aus, dass der Erreger sich vor allem ungeschlechtlich im Getreide verbreitet und durch Sporen über den Wind eingetragen wird. Unter günstigen Bedingungen kann er tatsächlich auch in infizierten Blättern der jungen Saat den Winter verbringen und sich durch die Neubildung von Uredosporen ausbreiten. 

Seit 2010 ist definitiv bekannt, dass Gelbrost auf Berberitze-Arten wechselt. Das hat für den Pilz Vorteile, für den Weizenanbau sind die Folgen jedoch fatal: Durch den Wirtpflanzenwechsel durchlaufen Rostpilze eine geschlechtliche Vermehrung. Dabei entstehen neue genetische Kombinationen und als Folge treten völlig neue Gelbrost-Rassen auf, die z. B. resistente Weizensorten befallen können. Besondere Bedeutung hat dieser Wirtswechsel in Asien. Erst vor wenigen Jahren konnte z. B. nachgewiesen werden, dass der flächenintensive Weizenanbau in China in hohem Maße vom Wirtswechsel des Gelbrostes auf Berberitzen betroffen ist. Über 40 Berberitzen-Arten wurden dort als Zwischenwirte nachgewiesen. Anschließend gelangt der Gelbrost wieder auf den Weizen und über den Langstreckentransport können die Sporen neuer Rassen andere Kontinente erreichen. 

Was kann Resistenzzüchtung leisten? 

Jede Weizensorte mit einer neuen rassen-spezifischen (= qualitativen) Resistenz gegen Gelbrost läuft Gefahr, auf virulente Erregerstämme zu treffen. Es ist aber nie vorhersehbar, wie lange dieser Prozess benötigt. Ein gutes Beispiel ist das Auftreten der sogenannten „Warrior-Rasse“, die sich ab 2010 in Europa rasant ausbreitete und 2014 dominierte. Bislang vollständig befallsfreie Weizensorten brachen ohne Fungizidschutz z. B. im ökologischen Anbau vollständig zusammen. Die Einführung neuer Weizensorten mit anderen Resistenzeigenschaften führte zu einer Normalisierung der Befallslage. Aber dadurch haben sich die Gelbrost-Populationen wieder angepasst und neue Epidemien sind zu befürchten, insbesondere wenn kurative Triazole in der EU aus der Zulassung fallen. Mit dem Einsatz von Bakterienpräparaten und Biostimulanzien konnte international gezeigt werden, dass eine Befallsminderung ohne Fungizide möglich ist. Jedoch können die hohen Wirkungsgrade moderner Fungizide bei Weitem nicht erreicht werden. Nachteilig ist außerdem die relativ hohe Anwendungshäufigkeit alternativer Pflanzenschutzmittel. Somit besteht ein enormer Forschungsbedarf nach völlig neuartigen Abwehrverfahren, wenn konventionelle Pflanzenschutzmittel politisch unerwünscht sind. Der Öffentlichkeit muss dann aber vermittelt werden, dass wiederholte Durchfahrten mit der Pflanzenschutzspritze unvermeidbar sind! 

Resistenz und Virulenz – zwei Seiten einer Medaille

Gegen den Gelbrost stehen im Weizen unterschiedliche Resistenzquellen zur Verfügung, die sich stark unterscheiden. Einige wirken nicht bei jungen, sondern nur bei älteren Pflanzen, was in der Praxis wenig akzeptabel ist. Idealerweise wünscht man sich Sorten mit einer vollständigen Resistenz. In vielen Sorten sind solche Resistenzen schon vor Jahrzehnten erfolgreich eingekreuzt worden. Sie wirken ganz spezifisch nur gegen eine Rasse des Gelbrostes und werden als qualitative Resistenz bezeichnet. Ihre Wirkung führt zur vollständigen Unterdrückung einer Infektion – die Pflanze zeigt dabei gar keine Symptome. Aber immer wieder überwindet der Gelbrost diese Resistenzen. In der Praxis wird dann oft vermutet, die Resistenz sei „zusammengebrochen“. So mag es zwar wirken, aber ein Resistenzgen geht nicht verloren. Wenn eine ursprünglich hoch resistente Sorte plötzlich von einem Schadpilz befallen werden kann, dann liegt es an seiner speziellen Eigenschaft: Der Pilz hat das passende Virulenzgen, um das Resistenzgen der Sorte zu überwinden. Das ist die Folge der über Jahrmillionen verlaufenen gemeinsamen Evolution des Schadpilzes und seiner Wirtspflanze. Und so ist Virulenz die Fähigkeit, Resistenzen der Pflanzen zu überwinden. 

Wenn also eine Weizensorte mit einem neuen Resistenzgen gegen Gelbrost in den Anbau kommt und die Resistenz ist rassen-spezifisch (= qualitativ), dann ist immer mit dem Auftreten virulenter Stämme zu rechnen. Es ist aber nie vorhersehbar, wie lange dieser Prozess benötigt.

Fazit

Künftig sind gewaltige Herausforderungen zu meistern, um verheerende Gelbrost-
epidemien zu verhindern. Die Züchtung erlangt dabei eine herausragende Bedeutung bei der Schaffung möglichst breiter, langfristig wirksamer Resistenzen. Der Praxis werden mittelfristig immer weniger Fungizide zur Verfügung stehen, um Gelbrost zu Epidemiebeginn auch kurativ zu begegnen. Die gewohnt hohe Ertragssicherheit im europäischen Weizenanbau wird bald nicht mehr zu gewährleisten sein und Ertragsverluste werden unausweichlich folgen. Über die Fruchtfolgegestaltung lässt sich Befall mit diesem windbürtigen Erreger gar nicht vermeiden, Spätsaaten können zumindest Herbstbefall verhindern. 


Prof. Dr. Klaus Schlüter (i. R.)
vormals Fachhochschule Kiel, Osterrönfeld
Fachbereich Agrarwirtschaft
klaus.schlueter@fh-kiel.de