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Weizensorten im Geschmacksvergleich

Brotaroma

Ein Forscherteam der Universität Hohenheim in Stuttgart, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,  der Bäckerei Beck in Römerstein und der Stelzenmühle in Bad Wurzach hat sich mit dem Aromapotenzial verschiedener Weizensorten beschäftigt. Neben Aromaprofilen wurden molekulare Marker identifiziert, die eine Charakterisierung des Mehles erleichtern und eine Vorhersage des Brotaromas ermöglichen.

Weizen gehört zu den für die Welternährung wichtigsten Nahrungspflanzen. In den letzten Jahrzehnten züchtete man in ihren Backeigenschaften verbesserte Sorten, die nicht nur ertragreicher, sondern auch unempfindlicher gegen Schädlinge und klimatische Gegebenheiten sind. Ging diese Züchtungsarbeit zulasten des Aromapotenzials der Brote? Eine Studie hat das Aromapotenzial verschiedener alter (Zulassungsjahre 1962-1999) und moderner Weizensorten (Zulassungsjahre 2005-2014) untersucht. Angebaut wurden sie jeweils an zwei verschiedenen Standorten in Deutschland, für die Aromavorhersage wurden molekularbiologische Methoden entwickelt.

80 Brote im sensorischen Vergleich

Zunächst wurden die Erntemuster in der Stelzenmühle in sortenreine Vollkornmehle gemahlen. Anschließend wurden unter Federführung der Universität Hohenheim bei allen Weizensorten der Rohproteingehalt der Körner aus dem Anbaujahr 2015/2016 mittels Nahinfrarotspektroskopie (NIRS, ICC-Standard-Methode 159), das Sedimentationsvolumen nach Zeleny (SDS, ICC-Standard-Methode 116/1) sowie die Fallzahl nach Hagberg (ICC-Standard-Methode 107/1) ermittelt.

Zum Vergleich der Backeigenschaften und Aromaprofile stellte Heiner Beck, Geschäftsführer der Bäckerei Beck mit den Vollkornmehlen der 40 Sorten (je 20 alte und neue) nach dem gleichen Rezept Teige her und backte freigeschobene Brote. Um festzustellen, ob Aromaunterschiede auf die Weizensorte oder die Anbaustandorte zurückzuführen sind, wurden die Erntemuster der Sorten von zwei Standorten  aus Gatersleben in Sachsen-Anhalt und aus Stuttgart-Hohenheim verglichen.

Teigqualität

Die Teigqualität wurde mittels manueller Dehnung einer Teigprobe in einer Skala von 1 (schlechte Dehnbarkeit, Teig reißt schnell) bis 9 (sehr gute Dehnbarkeit) vom Bäckermeister Beck ermittelt. Zur Analyse der Backqualität stellten die Forscher das Höhe/Breite-Verhältnis der Brote fest, indem die Brote in der Mitte durchgeschnitten und im Schnitt die Höhe und Breite in cm gemessen wurden. Die Brote wurden einen Tag nach dem Backen einer sensorischen Analyse unterzogen.

Nach einem Beurteilungsschema, welches eine Mischung aus dem DLG-Prüfschema zur DLG-Qualitätsprüfung Brot und dem Brotaromarad der ZHAW Wädenswil darstellte, bewerteten sechs geschulte Prüfpersonen in einer Konsensprofilierung die sensorische Brotqualität. Dabei verglich man die Brote zunächst nach äußeren Parametern, wie u.a. Farbe, Form, Größe, Elastizität. Anschließend wurde das Aromapotenzial in zwei Schritten bestimmt. Zunächst wurden Unterschiede im Geschmack und Geruch der Brote anhand einer Skala von 1 = sehr fade, bis 9 = sehr aromatisch bewertet. Danach erfolgte eine genauere Aromabeschreibung und Profilierung unter Einsatz von Deskriptoren aus dem Wädenswiler Brotaromarad. Die Versuchsauswertung wurde mit dem Statistikprogramm R und ASReml durchgeführt.

Aroma-Unterschiede

Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl in alten als auch in modernen Weizensorten ein großes Potenzial an Geruchs- und Geschmackseigenschaften vorliegt. So gab es Sorten, deren Vollkornbrote sehr fade waren, aber auch solche mit Charakternoten von Rauch, Banane und Kräutern (vgl. Tabelle 1). Diese Unterschiede spiegeln sich in den statistischen Kennzahlen wider. Interessanterweise schmeckten und rochen Brote mancher Weizensorten trotz gleicher Hefemengen sehr nach Hefe bzw. Gärung, während dies bei anderen Weizensorten nicht der Fall war. Auffallend ist, dass viele Sorten im mittleren Geschmacksbereich liegen, aber wenige nur im guten bzw. schlechten. Das ist für Merkmale typisch, die von sehr vielen Genen beeinflusst werden, welche einzeln nur einen geringen Effekt auf die Aromaausprägung besitzen.

Sorte Standort Geruch Geschmack
Arezzo HOH Zimtig, kalter Lebkuchen-Gewürze abgeschwächte Noten
Discus HOH Zimtig, leichte Kakaonoten  
Hybery HOH Hefig, gärig, mostig Banane
Hymack HOH fruchtig Intensive Banane!
Kovasds HOH Kräuternote Würzige Kräuter
KWS Milaneco HOH Ester, frischfruchtig, Ananas, malzig, Getreide Mild säuerlich , süßlich
KWSSmart HOH Reifer Obstsalat  
Patras HOH Leicht käsig, Yoghurt-Note Rauchig, bitter
Impression HOH Frische Getreidenoten, leicht erdig-rauchig, Röstnoten, Hauch Schokolade, Banane abgeschwächte Noten
Markant HOH Schoko-Vanille-süßlich, leichte Schärfe  
Previa HOH Intensive Banane, feine Röst-Kaffeenoten  
Sultan HOH Gebirgswiese, Klee, grünliche Noten, getreideartig  
       
Genius Ost Erdig, frischer Humus Banane, fruchtig
Hobbit Ost Brotig, Schokoladig, nussig Schärfe, erdig
KWSSmart Ost Würzig, nussig Getreide-pur
Naturastar Ost Humus, erdig, Banane  
Habicht Ost Röstig, fruchtig  
Impression Ost Malzig, Banane  
Sultan Ost Süße wie auf dem türkischen Basar, Vanille betörend
Nelson Ost Gärig, fruchtig, rauchig  

Standort

Daneben konnten Standorteinflüsse auf das Brotaroma festgestellt werden. So waren Geschmack und Geruch von Broten aus derselben Sorte, deren Körner von verschiedenen Anbaustandorten stammten, manchmal markant unterschiedlich. Dies kam statistisch in der sogenannten Heritabilität zum Ausdruck. Für Geschmack wurde eine Heritabilität von 0,41 bestimmt, d.h. dass rund 40 % der Unterschiede auf die Sorte und knapp 60 % auf die Umwelteinflüsse (Bodenbeschaffenheit, Nähr- und Mineralstoffgehalte) bei der Körnerentwicklung zurückgehen. Auch dies ist sensorisch anhand der Aromabeschreibung einzelner Brotmuster erkennbar. Für den Müller und Bäcker bedeutet dies, dass das Aromapotenzial einer Weizensorte erst sicher zu erkennen ist, wenn Muster von verschiedenen Anbauorten untersucht worden sind.

Interessanterweise unterschieden sich moderne und alte Weizensorten nicht im Geschmack und Geruch, es gab in beiden Gruppen gleichermaßen welche mit fadem und sehr intensivem Aroma. Im Gegensatz zum Geschmack, unterscheiden sich die modernen und alten Sorten beim Ertrag und in der Backqualität. Hier haben die neuen Sorten ein besseres Leistungspotenzial als die alten. Insofern ist es wenig ratsam, einfach auf alte Sorten zurückzugreifen. Man sollte vielmehr neben Ertrag und Backqualität auch das Aromapotenzial einzelner Sorten genauer betrachten, was bisher in der gesamten Branche und der Kommunikation über Brot vernachlässigt wird.

Eigenschaften kombinieren?

Im Anschluss wurden die Weizensorten anhand ihrer Korrelationen zwischen den Merkmalen Aromapotenzial, Backeignung (Teig-, Proteineigenschaften) und Ertrag analysiert. Dabei wurde festgestellt, dass es keine negative Korrelation zwischen Aroma einerseits und Ertrag & Backqualität andererseits gibt. In der Nähe zum gewünschten Optimum (Idealweizen) liegen die zwei modernen Weizensorten „Impression“ und der „Hybridweizen Hybery“. Auch der C-Weizen KWS Smart sticht mit hohem Ertrag und hohem Aromapotenzial hervor, allerdings bei der für C-Weizen üblichen etwas geringeren Backqualität. Folglich wäre es möglich in der Weizenzüchtung neben Ertrag und guten Backeigenschaften auch das Geschmackspotenzial zu berücksichtigen. Dabei gilt es zu beachten, dass die Aufnahme jedes weiteren Merkmales in die Züchtung die Kombinationsmöglichkeiten erhöht und die Züchtung langsamer in den einzelnen Merkmalen macht. Aber Merkmale, die schnell züchterisch verändert werden sollen, müssen auch einfach an vielen Prüfkandidaten gemessen werden können. Dies stellt ein Problem bei den Backqualitäten und beim Geschmackspotenzial dar, da die aktuelle Analytik zu zeitintensiv und zu teuer ist.

Molekularbiologische Verfahren

Ein weiterer Schwerpunkt des Forschungsprojektes lag daher in der Molekularbiologie. Am Institut für Quantitative Genetik und Genomik der Pflanzen an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf wurden neue Methoden verwendet, mit denen die Qualität des Brotes anhand einiger molekularer Marker und des Stoffwechselprofils der Mehle vorhergesagt werden kann. Die ersten Ergebnisse sind sehr viel versprechend, allerdings ist weitere Forschung nötig, bis diese Verfahren die Züchtung von Weizen auf bessere Qualität vereinfachen können.