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Superchilling verlängert Haltbarkeit

Bio-Lachs und Bio-Fleisch

aus: DLG-Lebensmittel 4/2019, S. 28ff.

Wer Öko-Lebensmittel kauft, hat hohe Ansprüche an Produktqualität und Nachhaltigkeit. Das gilt auch für Bio-Fischprodukte und Fleisch aus ökologischer Haltung. Bei deren Verarbeitung und Lagerung sind nicht nur schonende, sondern auch energiesparende Verfahren gefragt, welche die hohen Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen in der Lieferkette erfüllen. Deshalb testeten Lebensmitteltechnologen des norwegischen Forschungsinstitutes SINTEF in Trondheim das Superchilling von Bio-Lachs, Bio-Schweinekoteletts und Bio-Lammfleisch.

Das von Michael Bantle und seinen Kollegen weiterentwickelte Verfahren, auch Superkühlung genannt, dient dazu, verderbliche Lebensmittel wie Fleisch oder Fisch länger haltbar zu machen. Allerdings müssen für den praktischen Einsatz des Superchillings noch die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. So ist aktuell EU-weit nicht klar geregelt, wie Superchilling-Produkte zu kennzeichnen sind.

Wie Superchilling funktioniert

Beim Superchilling kommt ein Impingement-Froster zum Einsatz. Dieses Gerät richtet Kaltluftstrahlen auf die Ober- und Unterseite des Produktes. Durch den Aufprall der Kaltluft wird die Produkt­oberfläche sehr effektiv teilgefroren. Je nach Produkt und Produktgröße beträgt die Gefrierzeit ein bis drei Minuten. Das Lebensmittel wird so lange gekühlt, bis die Außenhülle gefroren ist. Dabei entstehen in der Außenhülle sehr kleine Eiskristalle. Von dort aus verteilen sich die Eiskristalle langsam und gleichmäßig in der gesamten Lebensmittelmatrix, was das Produkt weiterhin frisch und nicht gefroren aussehen lässt. Zum Schluss sind zehn bis 20 Prozent des vorhandenen Wassers im Produkt gefroren und das Fleisch oder der Fisch lassen sich bei minus 2,5 Grad Celsius lagern, ohne dass das Produkt auftaut.

Verlängerte Haltbarkeit

Supergekühlter Fisch bleibt erheblich länger frisch als ein auf Eis gelagerter. So ist es den Forschern gelungen, die Haltbarkeit von Bio-Lachs von zwei auf vier Wochen zu verlängern, ohne dabei die Produktqualität zu beeinträchtigen. Auch bei supergekühltem Fleisch ließ sich der gewünschte Haltbarkeitseffekt erzielen: Verglichen mit einer Lagerung bei plus vier Grad Celsius in einer normalen Kühlkette wurde die Haltbarkeit von frischen Schweinekoteletts von Schweinen aus ökologischer Haltung um zehn bis 14 Tage verlängert. Bei Bio-Lammfleisch waren es 21 Tage. Auch eine Woche nach dem Schlachten gab es den gewünschten Haltbarkeitseffekt.

Länger haltbar sind supergekühlte Produkte auch deshalb, weil das Einfrieren die bakterielle Aktivität an der Produkt­oberfläche vermindert. Zudem verzögern die niedrigen Temperaturen und die im Produkt gleichmäßig verteilten Eiskristalle das Wachstum von Bakterien. So zeigte sich bei mikrobiologischen Untersuchungen, dass sich die Anzahl der anaeroben Bakterien bei herkömmlich gekühltem Fleisch bereits nach drei Tagen erhöht, während dies bei supergekühltem Fleisch erst nach 24 Tagen der Fall ist. Dies bestätigen auch andere mikrobiologische Analysen von supergekühltem Schweinefleisch und Fisch.

Superchilling leicht integrierbar

Nach Einschätzung der Forscher lässt sich das Superchilling auch in bestehenden Produktionsanlagen leicht umsetzen. Wer das Verfahren neu einführt, kann wegen der deutlich kürzeren Prozesszeiten die bereits vorhandenen Produktionsanlagen effektiver auslasten. Es muss lediglich ein kontinuierlich arbeitender Schockfroster installiert werden. Allerdings sei es für die Lagerung erforderlich, die bestehenden Lager- und Kühlsysteme neu zu gestalten, erläutert Michael Bantle: „Die Einführung des neuen Prozesses erfordert Geräte, die eine stabile Temperatur von 2,5 Grad Celsius garantieren können. Das stellt keine technologische Herausforderung dar, erfordert jedoch modifizierte Kälteanlagen und die Bereitschaft, ein neues Konzept in den Kühlketten umzusetzen.“

Hervorzuheben ist eine erhöhte Produktausbeute aufgrund der höheren Festigkeit der Fische vor dem Enthäuten. Generell ist eine höhere Steifigkeit bei Superchilled-Produkten zu ververzeichnen. Dies ist günstig für das Produkthandling, beispielsweise beim Filetieren, Schneiden oder automatisierten Verpacken. Bis auf einen leicht erhöhten Wasserverlust von bis zu zwei Prozent stellten die Forscher mit Blick auf die Fleischqualität keine Unterschiede zwischen normal gekühltem und supergekühltem Schweinefleisch fest. Als vereinfachtes Beispiel: Von 103 Gramm Fleisch bleiben in der normalen Kühlkette cirka 100 Gramm Fleisch übrig und in der supergekühlten 98 Gramm. Grund dafür ist eine leichte Gefrierschädigung des Fleischgewebes, verursacht durch das teilweise Einfrieren.

Potenzial für Fleisch- und Fischverarbeiter

Der größte Vorteil ist die längere Haltbarkeit von Superchilling-Produkten im Vergleich zu herkömmlichen Kühlprodukten. Supergekühlte Lebensmittel lassen sich deshalb während eines längeren Zeitraums frisch verkaufen. Das würde es den Anbietern ermöglichen, Schwankungen bei Produktion und Nachfrage besser aufzufangen. Auch aus Umweltsicht bringt das Verfahren große Vorteile: Bei Transport und Lagerung kann auf das Auf-Eis-Legen von Fischprodukten verzichtet werden. Dadurch reduzieren sich Transportgewicht und -volumen um 25 bis 30 Prozent. Konkret bedeutet dies: Statt vier Lkw-Ladungen mit Eiskühlung braucht man nur drei Lkw-Ladungen mit supergekühltem Fisch für den Transport der gleichen Warenmenge. Dies senkt die Energiekosten und verbessert somit den CO2-Fußabdruck der Wertschöpfungskette. Innerhalb der Wertschöpfungskette von Bio-Lachs reduziert das Superchillingverfahren die Transportkosten um etwa 33 Prozent, wie die Forscher in einer Umweltverträglichkeitsanalyse errechnet haben. (hü)

Weitere Informationen:
http://projects.au.dk/coreorganicplus/research-projects/susorganic/
https://www.susorgplus.eu/
http://orgprints.org/28694/

SusOrganic

Das vorgestellte Forschungsprojekt ist Teil des europäischen Verbundprojektes „SusOrganic“, das unter anderem durch das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) gefördert wurde. Dabei entwickelten Wissenschaftler nachhaltige Trocknungs-, Kühl- und Gefrierverfahren für Bioprodukte. Ziel war es, objektive Produktqualitätskriterien für Bioprodukte zu schaffen, Prozesse zu optimieren sowie Umweltverträglichkeits- und Wirtschaftlichkeitsanalysen durchzuführen. Als Produktgruppen wurden Fisch, Fleisch, Obst, Gemüse sowie Hopfen und Kräuter untersucht.  Basierend auf den SusOrganic-Ergebnissen entstanden ein Verarbeitungs- und Qualitätsleitfaden für  die Verarbeitung von Biolebensmitteln sowie ein E-Learning-Modul („Sustainable processing for organic food products“) mit kostenlosem Zugang. Derzeit läuft ein Nachfolgeprojekt namens „SusOrgPlus“
(Projektende 2021).

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