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Analyse von Nanopartikeln in Lebensmitteln

aus: DLG-Lebensmittel 4/2018, Seite 38ff.

Auch wenn die Untersuchung von Nanopartikeln in Lebensmitteln knifflig und herausfordernd sein mag, ist sie erforderlich, sinnvoll und immer besser möglich. Es kommt allerdings auf die richtige Vorbereitung und Methodenkombination an. 

Was verbindet technisch hergestelltes Titandioxid, Siliziumdioxid, Magnesiumoxid und Pflanzenkohle? Ihre geringe Partikelgröße von überwiegend weniger als 100 nm. Durch die Nanoskaligkeit weist solches Material besondere Eigenschaften auf und kommt deshalb nicht selten als Zusatzstoff in Lebensmitteln oder Verpackungen zum Einsatz. So zum Beispiel als Weißpigment, Antiklumpungsmittel, Fließmittel und zum Färben. Laut EU-Recht müssen sie dazu allerdings für den jeweiligen Einsatzbereich zugelassen sein und außerdem im Zutatenverzeichnis durch das in Klammern gesetzte Wort „Nano“ kenntlich gemacht werden.

Möglicherweise bei oder nach der Anwendung gebildete Aggregate größeren Durchmessers, bei denen die speziellen Eigenschaften weiterhin vorhanden sind, gelten übrigens ebenfalls als NM. Stichwort Größe: Die Definitionsempfehlung der EU-Kommission, das mindestens 50 Prozent der Partikel zwischen einem und 100 Nanometer groß sein müssen, wird derzeit überprüft.

    Schlechte Greifbarkeit erfordert Expertenwissen

    Wie sind Größe und Größenverteilung der Nanopartikel? Wie ist die chemische Zusammensetzung und wie die Oberfläche beschaffen? Diese Fragen spielen bei der Sicherheitsbewertung von neuen Nanomaterialien eine große Rolle. Die Bewertung ebenso wie die Analyse von Lebensmitteln auf einen gezielten Zusatz hin stellen jedoch eine Herausforderung dar. Das liegt vor allem an der dynamischen Reaktivität der Nanopartikel (NP): Unter anderem befinden sie sich in Lösungen fast nie im thermodynamischen Gleichgewicht, genauso wie sie, je nach Umgebung, oft miteinander oder mit anderen Stoffen reagieren. Größere Strukturen können sich auch auflösen, oder sich ein Teil der NP an Oberflächen anlagern. Erschwerend hinzu kommt die Gefahr falsch positiver Ergebnisse durch natürlich vorkommende nanoskalige Strukturen wie Vitamine oder Stärken, technische Hilfsstoffe, freigesetztes Material aus Verpackungen oder Umweltkontaminationen.
    Als derzeit wichtigste Analysenmethoden gelten:

    • Single particle induktiv gekoppelte Plasma-Massenspektrometrie(sp ICP-MS)
    • Asymmetrische Fluss-Feldflussfraktionierung in Kombination mit ICP-MS (AF4-ICP-MS)
    • Elektronenmikroskopie

    Im Zusammenhang mit der Untersuchung von Realproben verweist Dr. Katrin Löschner, NM-Expertin an Dänemarks Technischer Universität DTU, darauf, dass es für Lebensmittel allerdings erst wenige validierte Methoden gebe. Außerdem bezögen sich diese überwiegend auf bestimmte NP-Lebensmittel-Kombinationen oder auf Partikel mit bestimmten Oberflächeneigenschaften. Nicht zuletzt fehle es an zertifiziertem Referenzmaterial zur Überprüfung der Ergebnisse.

    Schnell und trotzdem spezifisch

    Bei der sp ICP-MS wird die Probe in einem heißen Argon-Plasma in kürzester Zeit getrocknet, atomisiert und ionisiert. Fokussiert und beschleunigt, treffen die Teilchen dann quasi als Ionenwolke gleichzeitig auf den Detektor. Im sogenannten sp-Modus stellen Messintervalle zwischen 50 Mikro- und zehn Millisekunden sicher, dass pro Messintervall jeweils maximal eine Ionenwolke aus mehreren Messpunkten als Peak angezeigt wird. Jeder Peak über dem Hintergrundrauschen durch sonstige gelöste Ionen entspricht einem Partikel beziehungsweise einer Partikelart. Dabei korreliert die Peak-Höhe mit der Partikelmasse und damit Partikelgröße. Für Einsteiger klingt das kompliziert. Und doch eignet sich die Methode gut zum schnellen Screening, wobei die heutigen Geräte eine Unterscheidung zwischen Nanopartikeln und ionisch vorliegenden Teilchen ermöglichen sowie einen relativ weiten linearen Bereich abdecken. Die kleinste detektierbare Partikelgröße liegt je nach Art im Bereich von fünf bis 200 nm, wobei eine sphärische Form der NP vorausgesetzt wird.

    Kleine sind fixer

    Das Risiko, dass Nanopartikel bei einer normalen flüssigkeitschromatografischen Trennung unter Umständen an der stationären Phase adsorbieren, lässt sich mit der asymmetrischen Fluss-Feldflussfraktionierung, kurz AF4, vermeiden. In diesem Fall erfolgt die Trennung der gelösten oder dispergierten Probe in einen sehr schmalen Kanal, dessen Unterseite als Mem­bran durchlässig ist. Durch einen abgezweigten Teilfluss senkrecht zur Flussrichtung werden größere Partikel erst nach unten abgelenkt und folglich später eluiert als kleine. Trennungen sind in einem weiten Größenbereich möglich. Die Detektion der eluierten Analyten erfolgt zum Beispiel mit Lichtstreudetektoren, nicht selten in Kopplung mit einem Mehrwinkel-Lichtstreudetektor. Für die chemische Identifizierung und die Massenbestimmung bietet sich anschließend wieder die ICP-MS an. Insgesamt erlaubt die Methode eine vollautomatische Bestimmung von Partikelgrößen und Elementkonzentrationen in einzelnen Fraktionen, wobei die Nachweisgrenze bei etwa einem Nanometer liegt (sphärische Form vorausgesetzt).

    Elektronisch ins Visier genommen

    Elektronenmikroskope verdanken ihren Namen und die hohe Auflösung von 0,1 bis 1 nm der Tatsache, dass sie je nach Gerätetyp entweder die innere Struktur oder die Oberfläche eines Objekts mit Hilfe von Elektronen abbilden. Für die Untersuchung von NM bietet sich vor allem die Transmissionselektronen­mikroskopie an, bei der elektronenoptische Linsen die Elektronenbahnen mit Hilfe von magnetischen oder elektrischen Feldern ablenken. Neben der Form lässt sich hierbei auch die mengenabhängige Größenverteilung von Nanopartikeln erkennen. Allerdings stört die Lebensmittelmatrix die Untersuchung oft erheblich, genauso wie sich bei der erforderlichen vorherigen Trocknung flüssiger Proben leicht Artefakte bilden. Nicht zu vergessen ist, dass die Partikel einigermaßen repräsentativ auf dem Träger und in nicht zu geringer Konzentration vorliegen müssen. Zur Untersuchung von komplexen Lebensmittelproben empfiehlt es sich dabei, spektrometrische oder andere analytische Einheiten in das Gerät einzubauen.

    Alle drei Methoden haben also Vor- und Nachteile. Neben der unterschiedlichen Empfindlichkeit gehört dazu unter anderem die unterschiedliche Eignung, Aggregate und Agglomerate zu identifizieren. Während elektronenmikroskopisch die Primär-Partikel durchaus in solchen größeren Einheiten erkannt werden können, weisen AF4 und sp ICP-MS diese als Einheit nach. Unabhängig davon gilt, dass die zur Verfügung stehenden, schon jetzt sehr empfindlichen Geräte stetig verbessert werden. Beispielsweise hinsichtlich einer besseren Reproduzierbarkeit der AF4 oder von automatischen Bildanalysentechniken bei der Elektronenmi­kroskopie. Und bei der sp ICP-Ms geht ein Trend dahin, dass man die Nachweisgrenze durch ICP-Tandem-Massenspektrometrie (ICP-MS/MS) senkt.

    Vorbereitung nicht unterschätzen

    Die zweite große Herausforderung liegt in der Probenvorbereitung. Zu den kompetenten Einrichtungen, die eine Untersuchung auf Nanomaterialien anbieten, gehört etwa das Untersuchungslabor Dr. Wessling aus NRW. Wie Dr. Katrin Löschner, so spricht sich auch Dr. Jens Reiber dafür aus, bei der NM-Charakterisierung und der Entwicklung neuer Analysenmethoden möglichst die ganze Prozesskette zu verfolgen. So sollten zusätzlich zum Lebensmittel das Nano-Ausgangsmaterial und das zur Toxizitätsuntersuchung verwendete Probenmaterial untersucht werden. Ebenso empfiehlt sich die Kontrolle durch Proben, die mit Ionen und NP der interessierenden Zusammensetzung gespickt wurden. 

    Ansonsten gilt es vor allem bei flüssigen oder pastösen Lebensmitteln für die Analyse mittels sp ICP-MS und AF4, die NP zuvor von der Matrix zu isolieren und eventuell mit Sondenbeschallung zu dispergieren und mit Tensiden oder ahnlichem zu stabilisieren. Nach Erfahrung der Experten eignet sich dazu häufig ein enzymatischer oder alkalischer Aufschluss am besten. Eventuell könne auch ein Aufschluss mit Wasserstoffperoxid sinnvoll sein, während sich für NP mit hohem Schmelzpunkt gegebenenfalls eine Veraschung anböte. Weitere Verbesserungen könnten auch die gleichzeitige Ultraschall- oder Mikrowellenbehandlung bringen.
    Festzuhalten bleibt:  

    • Für eine vollständige Charakterisierung sind in der Regel mehrere Methoden erforderlich.
    • Bei der NM-Analytik gibt es noch einiges zu tun - angefangen von eindeutigen gesetzlichen Definitionen und Vorgaben bis hin zum Methodenvergleich durch unterschiedliche Labore und die Bereitstellung von Referenzmaterial.
    • Sinnvoll wäre eine Datenbank zur Identifizierung der gängigen NM, samt häufigster Einsatzbereiche. (bp)

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