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Insekten als Nahrungsmittel

Die Revolution auf dem Teller

Ein junges Start-up-Unternehmen aus Osnabrück will mit essbaren Insekten die westliche Lebensmittelwirtschaft revolutionieren und einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen Landwirtschaft der Zukunft leisten.

Es wird prognostiziert, dass die Weltbevölkerung bis 2050 von etwa 7 auf 9,1 Milliarden Menschen ansteigen wird. Die Nahrungsmittelproduktion soll im gleichen Zeitraum um 70 Prozent weltweit und um 100 Prozent in den Entwicklungsländern ansteigen. Will man die mangelhafte Versorgungslage verbessern (knapp 1 Milliarde Menschen gelten als unterernährt), muss die Agrarindustrie schneller wachsen als die Weltbevölkerung. Doch schon heute stehen die Land- und Wasserressourcen der Erde, welche die Grundlage der Nahrungsmittelproduktion bilden, unter enormem Druck. Der Bedarf an ressourcensparenden Agrarerzeugnissen wird damit größer denn je. Das junge Start-up-Unternehmen Bugfoundation möchte diesen Bedarf mit einem Nahrungsmittel decken, das schon heute von über 2 Milliarden Menschen genutzt wird, in der westlichen Welt jedoch kaum zu finden ist: Insekten.

Welche Vorteile bieten Nahrungsmittel aus Insekten?

Die Zucht und Produktion von Heuschrecken verbraucht laut der Welt­ernährungsorganisation bis zu zwölfmal weniger Futter als die der äquivalenten Menge Rindfleisch. Hierdurch kann der Wasser- und Flächenverbrauch verringert  werden. Bei der gleichen erzeugten Proteinmenge wird nur etwa ein Hundertstel der Treibhausgasmenge emittiert. Die vergleichsweise sehr gute Ressourceneffizienz der Insektenzucht ist im Wesentlichen auf zwei Gründe zurückzuführen: Einerseits sind die Insekten Kaltblüter, was bedeutet, dass sie ihre Körpertemperatur nicht selbst regeln, sondern sich der Temperatur der Umgebung anpassen. Das Regulieren der eigenen Körpertemperatur, für das übliche Zuchttiere eine Menge Energie verbrauchen, sparen sich die Insekten also. Andererseits ist der prozentuale Anteil genießbaren „Fleisches“ bei den Insekten grundsätzlich höher: Während mindestens 80 Prozent einer Heuschrecke essbar ist, kommt bei Rindern nur etwa 40 Prozent des Tieres auf den Teller. Auch in Fachkreisen wird in der einfachen Implementierung einer Insektenzucht in konventionelle landwirtschaftliche Betriebe ein beachtenswertes wirtschaftliches und ökologisches Potenzial gesehen. Nährstoff- und Energiekreisläufe könnten mit der Insektenzucht verbessert werden und sie könnte eine zusätzliche Einnahmequelle für die Landwirte darstellen.

Neben der hervorragenden Ressourceneffizienz sprechen auch gesundheitliche Vorteile für das Verspeisen von Insekten, das im Fachjargon „Entomophagie“ genannt wird. Nahrungsmittel aus Insekten können vergleichbare Nahrungsmittel aus Fisch und Fleisch in ihrer Nährstoffbilanz „überbieten“: Sie sind häufig sehr proteinreich und verfügen über ein hohes Maß an Vitaminen, Mineralstoffen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Einzelne Insektenarten verfügen über bis zu 80 % Protein, während andere einen hohen Gehalt an Vitaminen aufweisen. So lässt sich beispielsweise mit 100 g Raupen (Larven von Schmetterlingen oder Motten) bereits 76 % des täglichen Eiweißbedarfes und nahezu 100 % des empfohlenen Bedarfes an Vitaminen decken.

Die Tatsache, dass knapp 2 Milliarden Menschen weltweit bereits regelmäßig Insekten verspeisen, ist allerdings nicht nur auf deren Nährstoffbilanz und die nachhaltige Zucht zurückzuführen: Die ca. 2.000 essbaren Insektenarten haben auch kulinarisch viel zu bieten und gelten weltweit in den verschiedensten Zubereitungen als begehrte Delikatessen. Insekten sind also nicht nur eine Alternative zu Fleisch- und Fischprodukten, sondern haben auch geschmacklich eine ganze Menge zu bieten.

Können sich Insekten als Nahrungsmittel auch in der westlichen Welt durchsetzen?

Unter anderem die Welternährungsorganisation und die große Zukunftsstudie von Nestlé bescheinigen der westlichen Welt ein ungeheures Marktpotenzial für essbare Insekten. Um dieses Potential nutzen zu können, bedarf es vor allem ansprechender Produkte mit erfolgreichem Marketing. Das Start-up-Unternehmen Bugfoundation möchte sich dieser Aufgabe mit ihrem „Bux Burger“ stellen. Um den Burger und die dazugehörige Markenidentität zu entwickeln, wurde ein Entwicklungsprozess von 12 Monaten in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik und Experten aus Wirtschaftspsychologie, Ökotrophologie, Lebensmitteltechnik und Marketing durchlaufen. „Wir wollten von vornherein ein Produkt schaffen, dass geschmacklich und ästhetisch über jeden Zweifel erhaben ist“, kommentiert Mitgründer Baris Özel die ambitionierte Produktentwicklung. Mit anderen Worten soll der Konsument nicht nur aus ethischen oder gesundheitlichen Erwägungen zum Insektenburger greifen, sondern weil ihn das Produkt an sich überzeugt. Die Bugfoundation hat sich dieser Aufgabe gestellt und im Februar 2015 die Entwicklung ihres Burgerpatties auf Basis von Buffalowürmern abgeschlossen. Das Endprodukt ist ein ansprechender, fleischähnlicher Patty, dem die 43 Prozent Buffalowurm-Anteil nicht anzusehen sind.

Als selbstverständlich wird bei der Verarbeitung der Burger eine akribische Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit angesehen. Die Insekten werden von belgischen und niederländischen Züchtern speziell für den menschlichen Verzehr gezüchtet und erfüllen alle Auflagen für die Produktion einwandfreier Rohstoffe aus Insekten.

Und tatsächlich scheint der „Bux Burger“ auf Erfolgskurs zu sein: Das Team der Bugfoundation feierte den Eintritt ihres „Bux Burgers“ in den belgischen Markt im Oktober 2015 und ist damit das erste deutsche Unternehmen, das einen Insektenburger anbietet. Nach der erfolgreich absolvierten Testphase soll die Anzahl der Bux Burger verkaufenden Restaurants im Laufe des Jahres 2016 stetig ansteigen. Deutsche Konsumenten müssen sich wegen rechtlicher Hürden jedoch noch bis Januar 2018 gedulden, um in den Genuss der Produkte zu kommen.

Eine Branche im Aufbruch: Die Industrie um essbare Insekten ist noch im Aufbau

Seit 2013 wächst weltweit die Anzahl an Unternehmen, die sich auf essbare Insekten spezialisieren, rasant. Die Branche hat jedoch bis heute noch mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Besonders die Rechtslage macht den Unternehmen in Europa zu schaffen: Offiziell sind Insekten als Lebensmittel nur in Belgien erlaubt, während viele andere Europäische Länder wie die Niederlande, Frankreich oder Großbritannien essbare Insekten zu großen Teilen auf dem Markt tolerieren. Am 1. Januar 2018 soll die neue Europäische Novel Food Verordnung in Kraft treten, nach der jede Insektenart erst nach einer intensiven Unbedenklichkeitsprüfung als Lebensmittel zugelassen werden soll. Im Gespräch ist derweil auch eine vereinfachte Zulassung für verschiedene Insektenarten, da sie außerhalb Europas bereits umfangreich ohne gesundheitliche Schwierigkeiten konsumiert werden.

Die Firma Bugfoundation beschäftigt sich neben der rechtlichen Situation auch intensiv mit der Forschung rund um die Entomophagie: Das von der Bugfoundation initiierte und geleitete Forschungsprojekt „Bugelicious

Future – Creating Insect Valley“ wird aus EU-Geldern finanziert und bildet einen Zusammenschluss aus deutschen, belgischen und niederländischen Stakeholdern der (Insekten-) Lebensmittelindustrie. Ziel des Forschungsprojektes ist es, die Abläufe in der Industrie zu optimieren, Risiken zu minimieren und ein stufenübergreifendes Qualitätsmanagement in der Wertschöpfungskette zu gewährleisten.
Ob Insekten als Nahrungsmittel tatsächlich schon in naher Zukunft zum globalen Megatrend werden oder nicht, das steht gewissermaßen in den Sternen. Fest steht allerdings, dass sie ein enormes Potenzial für die nachhaltige Landwirtschaft der Zukunft in sich bergen.

Autor: Max Krämer
kraemer@bugfoundation.com

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