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Backwaren aus Pseudocerealien

Alternative Rohstoffe

aus: DLG-Lebensmittel 4/2019, S. 44ff.

Aufgrund diverser Krankheitsbilder und einem allgemeinen Trend zur glutenfreien Ernährung sind Backwaren aus Pseudoceralien und anderen alternativen Rohstoffen ein stark wachsendes Nischensegment. Das DLG-Forum FoodTec beschäftigt sich am 10. Oktober 2019 intensiv mit der Textur und Form von Backwaren aus Pseudocerealien.

Neben Zöliakie, einer Autoimmunerkrankung bei der Lebensmittel mit dem Klebereiweiß Gluten Beschwerden auslösen, gibt es weitere Formen von Lebensmittelunverträglichkeiten wie der Weizenallergie und der Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität, bei denen auf glutenhaltige Lebensmittel und Produkte mit anderen Weizenproteinen besonders empfindlich reagiert wird. Bis heute stellt der Verzicht auf glutenhaltige Produkte die einzige Möglichkeit dar, um beschwerdefrei mit der Erkrankung beziehungsweise Unverträglichkeit zu leben.

Die Regale mit glutenfreien Lebensmitteln bekommen Zuwachs durch Produkte ohne jegliches Getreide. Die in den vergangenen Jahren steigende Prävalenz und damit die einhergehende Nachfrage nach glutenfreien Ersatzprodukten hat das Angebot an glutenfreien Erzeugnissen im Einzelhandel explodieren lassen. Ein verstärkender Faktor für die wirtschaftliche Relevanz glutenfreier Produkte spielt in dem Zusammenhang auch der aufgekommene Ernährungstrend der glutenfreien Ernährung.

Die Herstellung glutenfreier Ware birgt jedoch einige Herausforderungen, da Weizenprotein bei der Herstellung wichtige technologische Funktionen übernimmt. Es wird verbreitet an Verfahren geforscht, um die Qualität glutenfreier Produkte – vor allem aus Pseudocerealien – weiter zu optimieren, die umfassenden Verbrauchererwartungen bestmöglich zu erfüllen und gleichzeitig rechtliche Vorschriften einzuhalten.

Damit von Zöliakie und Glutenunverträglichkeit Betroffene sichere, für sie unbedenkliche Lebensmittel vorfinden, ist die Kennzeichnung „glutenfrei“ nur dann zulässig, wenn im Endprodukt höchstens 20 Milligramm Gluten pro Kilogramm vorhanden ist.

Einsatz glutenfreier Rohstoffe

Die Lizenz für das international anerkannten „Glutenfrei“-Symbol (die durchgestrichene Ähre) wird von der AOECS (Association of European coeliac societies), dem Dachverband der europäischen Zöliakie-Gesellschaften, vergeben.

Dafür müssen Produktionsstandards eingehalten und regelmäßige Analysen durchgeführt werden, die die Glutenfreiheit der Produkte belegen. Unverarbeitete Lebensmittel, die von Natur aus glutenfrei sind, dürfen nicht das „Glutenfrei“-Symbol tragen. Grundsätzlich gibt es drei Varianten, glutenfreie beziehungsweise glutenreduzierte Produkte herzustellen:

  1. durch die Entfernung von spezifischen krankheitsauslösenden Proteinen aus glutenhaltigen Rohstoffen vor der Verarbeitung,
  2. durch die Entfernung des Glutens nach der Verarbeitung sowie
  3. durch den Einsatz glutenfreier Getreide wie Reis, Mais, Hirsen oder Pseudocerealien wie Buchweizen, Quinoa und Amaranth.

Die letztgenannten Pseudocerealien sind hinsichtlich essenzieller Aminosäuren und Ballaststoffe mit glutenhaltigen Getreiden vergleichbar. Außerdem führt ihre Verwendung zu neuen Geschmacksausprägungen der sensorisch oft wenig attraktiven glutenfreien Backwaren. Bei der Verwendung glutenfreier Ausgangsprodukte fallen zudem entscheidende prozessrelevante Eigenschaften des Glutens, welche maßgeblich die sensorische Qualität des Endprodukts beeinflussen, weg. Die in Gluten enthaltenen Proteinfraktionen Gliadin und Glutenin formen das Teiggerüst und sorgen für eine gute Porenbildung und die viskoelastischen Eigenschaften des Teigs.

Neben aromatischen werden vor allem auch texturgebende Faktoren wie Volumenentwicklung,Viskosität, Farbe und Krumenstruktur beeinträchtigt. Diese müssen durch technologische Maßnahmen und durch die Zugabe von weiteren Zutaten übernommen werden.

Strukturverbesserung durch Zusatzstoffe

So steigert das Enzym Transglutaminase, durch die Proteinvernetzung bei allen pH-Werten, sowohl die Teigelastizität und die Teigfestigkeit als auch die Krumenelastizität und die Frischhaltung. Jedoch ist die Vernetzungsmöglichkeit der Transglutaminase wesentlich von der Zusammensetzung des jeweiligen Proteins abhängig und bei Zugaben von mehr als 500 U wurden eher negative Wirkungen auf die Gebäckqualität festgestellt. Eine Amylasezugabe von bis zu 1.000 U pro Kilogramm Mehl sorgt hingegen für einen Volumenanstieg und eine längere Frischhaltung.

Auch die Krumeneigenschaft kann verbessert werden durch die Verwendung strukturverbessernder Enzyme (wie der Transglutaminase), den Einsatz von Säuerungsmitteln oder glutenfreien Sauerteigen. Backwaren, die mit Sauerteigen aus Pseudocerealien hergestellt werden, können Brotfehler reduzieren, die sensorische Eigenschaft einschließlich der Krumenstruktur verbessern und eine Verlängerung der Frischhaltung und der Haltbarkeit erzielen.

Die Beimischung verschiedenster Zutaten spielt demnach bei der Herstellung glutenfreier Produkte eine große Rolle, um gleichwertige sensorische und strukturspezifische Ergebnisse wie bei glutenhaltigen Produkten zu erlangen.

Dies widerspricht allerdings den immer umfangreicher werdenden Verbrauchererwartungen an möglichst naturbelassene Produkte ohne viele Zusatzstoffe. Durch neue und optimierte Herstellungsverfahren kann diese Problematik umgangen werden. Die Prozessschritte in der Backwarenproduktion lassen sich als die Hydratation der Rohstoffe, das Einbringen von Gasblasen und der thermischen Stabilisierung der Struktur beschreiben. Für die Verarbeitung glutenfreier Ausgangsstoffe werden diese Verfahren optimiert. Eine verstärkte Hydratation von Mehlpartikeln und ein Aufschlagverfahren während des Knetprozesses haben sich beispielsweise für das Einbringen von Gasblasen als erfolgreich erwiesen.

Kriterien für die Porung und Volumen

Das Glutennetzwerk bildet sich beim Kneten glutenhaltiger Teige aus und macht den Teig viskoelastisch. Glutenfreie Teige sind dagegen flüssiger, weniger elastisch und halten weniger zusammen. Glutenfreie Broten haben daher meist zu wenig Gasrückhaltung und damit auch ein geringes Volumen. Neben der Gashaltefähigkeit der Teige ist auch die Art und Menge des Gaseintrags entscheidend für die Krumenporung und das Brotvolumen.

Der Gaseintrag und Gasblasenstabilisierung können dabei durch die Rezepturzusammensetzung,durch die Auswahl des Triebmittels sowie durch das Herstellungsverfahren beeinflusst werden. Aufgrund der meist fehlenden Formgebung hängt die finale Porengrößenverteilung der Krume bei glutenfreien Teigen mit der Blasengrößenverteilung zu Beginn der Fermentation zusammen, was die Bedeutung des Gaseintrags beim Kneten und Mischen unterstreicht.

DLG-Forum FoodTec

Wie die Textur und Form von Backwaren aus Pseudocerealien verbessert werden kann, zeigt das DLG-Forum FoodTec am 10. Oktober in Frankfurt am Main. Vorgestellt wird unter anderem ein rohstoffadaptiertes Prozessdesign für die Herstellung von glutenfreien Backwaren, der Einsatz einer neuartigen, funktionellen Zutat aus Algen und ein darauf zugeschnittenes physikalisches Texturgebungsverfahren sowie die Verwendung bzw. die Kombination von Pseudocerealien mit anderen alterativen Rohstoffen wie Kastanien-, Reis- oder Leguminosenmehl.
www.dlg.org/de/lebensmittel/veranstaltungen 

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